The End Of Saying No

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Deutschland nach der US-Wahl 05.11.2008

Ende des Neinsagens

Obama kann die Welt nicht alleine retten. Er braucht Europa, er braucht Deutschland. Auch in Afghanistan und im Irak. Es wird schwer sein, sich seinen Wünschen zu verweigern.

Ein Kommentar von Thorsten Denkler, Berlin

Es war die Wahl 2004, die das deutsch-amerikanische Verhältnis endgültig zerrüttet hat. Die Amerikaner haben damals George W. Bush wiedergewählt. Viele konnten es nicht fassen. Die USA waren danach abgeschrieben. Ein Land der Verrückten und Bekloppten. Ein Land, das jeden Respekt verloren hat.

Jetzt ist er zurück, der Respekt. Die Amerikaner haben Barack Obama gewählt. Ein Beweis für die enorme Wandlungsfähigkeit der Vereinigten Staaten.

Für die Deutschen, für die Europäer wird es jetzt schwerer, nein zu sagen. Unter Bush ging das gut, weil den ohnehin keiner mochte. Den Bürgern wäre nicht zu erklären gewesen, warum diesem Mann aus einer Klemme geholfen werden soll, in die er sich selbst gebracht hat. Bush ist ja bis heute überzeugt, dass er selbst keine Fehler gemacht hat.

Barack Obama wird schon wegen der vielen Fehler von Bush mit einem enormen Vertrauensvorschuss in das Weiße Haus einziehen. Er wird ihn auch von Anfang an nutzen müssen. Obama weiß genau, dass sein Land die akuten und kommenden Krisen nicht im Alleingang bewältigen kann – das hat er bereits bei seinem Wahlkampfauftritt in Berlin anklingen lassen. Seitdem ist die Hilfsbedürftigkeit der Supermacht noch deutlicher geworden. Die USA stehen wirtschaftlich am Abgrund, sind militärisch am Ende ihrer Kräfte.

In den USA heißt es, wer Europa gewinnen will, muss erst Deutschland gewinnen. Das wurde vor Beginn des zweiten Irakkrieges deutlich. So früh wie kein anderer Staatschef hat sich Kanzler Gerhard Schröder gegen den von Bush angezettelten Irakkrieg gestellt. Damals hat er die Europäer auf eine Zerreißprobe gestellt – das Wort vom “alten Europa” – gelenkt von Frankreich und Deutschland – machte die Runde.

Die Briten, die Italiener, die Polen, sie alle folgten Bush. Vor allem Deutsche und Franzosen stemmten sich gegen den Krieg. “I’m not convinced”, ich bin nicht überzeugt, sagte Außenminister Joschka Fischer damals. Es war das höchstmögliche Misstrauensvotum gegen die Supermacht USA. Und gegen alle jene, die mit ihr in den Krieg gezogen sind.

Heute zeigt sich: Schröder hat sich zu Recht gegen Bushs Kriegspläne gewehrt. Viele europäische Regierungen kamen wegen ihres einst Bush-freundlichen Kurses unter Druck. Wenn Obama also Deutschland für sich gewinnen kann, wenn er Deutschland gar dazu bewegen kann, mehr militärische Verantwortung in Afghanistan und vielleicht auch im Irak zu übernehmen, dann dürfte das ein deutliches Signal sein für den Rest Europas.

Obama hat in seiner Berliner Rede klargemacht, dass es sich sein Land auf Dauer nicht leisten kann, Hunderte Milliarden Doller in militärische Operationen zu stecken, deren Erfolge nach wie vor ungewiss sind. Er wird aber die Truppen nicht einfach von heute auf morgen abziehen können. Er muss auch die Deutschen dazubekommen sich mehr zu engagieren, um innenpolitisch Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.

Obama wird aber noch mehr verlangen müssen. Wenn er die USA wirtschaftlich wieder auf die Beine bringen will, wenn er die marode Gesundheitsversorgung reformieren will, wenn er die horrende Staatsverschuldung in den Griff bekommen möchte, dann muss er schnell für ein Abklingen der Finanzkrise sorgen. Das geht nur im Konzert mit finanzstarken Partnern in Asien und Europa.

An einer Konfrontation mit den USA kann auch Deutschland kein Interesse mehr haben. Die Finanzkrise zeigt, dass eine wirtschaftlich angeschlagene USA, immer noch der größte Automarkt der Welt, Arbeitsplätze bei Mercedes und VW bedroht. Es wäre gut, jetzt nach vorne zu schauen, und – ganz in amerikanischer Manier – die Vergangenheit hinter sich zu lassen.

Deutschland kann am wenigsten etwas für Bushs Kriegskurs. Wer aber die Welt sicherer und friedlicher machen will, muss Obama helfen, sein Land wieder auf die Beine zu bringen. Das geht nur, wenn – auch die militärischen – Lasten geteilt werden.

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