General Motors: Bankruptcy Preferred

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Pleite wäre besser

Von Josef Joffe | © DIE ZEIT, 20.11.2008 Nr. 48

General Motors ist ein Milliardengrab. Und Amerika zahlt weiter

Irgendwann in den Sechzigern tauchten diese komischen kleinen Autos in Amerika auf – käfermäßige Deutsche, Japaner, die wie gequetschte Straßenkreuzer aussahen. Jahr um Jahr wurden die Eindringlinge besser, schöner und sicherer. Aber Detroit sah die Handschrift an der Wand nicht, sondern produzierte weiter rückständige, schlampig gemachte Autos zu Mondkosten.

81 Dollar pro Stunde kostete der durchschnittliche Arbeiter General Motors im Jahre 2006 (mit allen Zulagen wie Pensionsrücklage und Gesundheitsversicherung). Ein Jahr später waren es immerhin noch 73 Dollar, wovon 28 Dollar der reine Lohn waren. Es war eine perfekte Verschwörung der Gewerkschaft (UAW) und des Managements gegen den Kunden – seit Jahrzehnten. Bloß kostete 2007 eine Durchschnitts-Arbeitsstunde bei Toyota nur 48 Dollar. Toyota und Co. hatten inzwischen überall im Land Fabriken hochgezogen, die besser und billiger bauten.

Aber die Verschwörung der Mächtigen ging noch weiter. 50 Milliarden Dollar musste GM allein in den Gesundheitsfonds für pensionierte Arbeiter stecken. Diesen Fonds sollte in diesem Jahr die Gewerkschaft UAW übernehmen – ausgestattet mit einer Einmalzahlung von 30 Milliarden Dollar cash und 1,4 Milliarden in Aktien von GM.

Bloß ist GM praktisch pleite. Die Aktie, die vor 40 Jahren, als die Quetschjapaner landeten, 100 Dollar kostete (was heute 700 Dollar entspricht), ist nun drei Dollar wert. Und noch eine Zahl: GM hat im vergangenen Jahrzehnt 310 Milliarden Dollar brutto investiert. Heute beträgt der Börsenwert nicht einmal zwei Milliarden. Und diese Firma, die an der Harvard Business School als Paradebeispiel für musterhafte Inkompetenz herhalten müsste, soll nun gerettet werden.

Wieso will man einen solchen Kapitalvernichter auffangen? Aus dem bekannten Grund: too big to fail. Stehen nicht insgesamt bis zu drei Millionen Jobs bei den Big Three (mitsamt Zulieferern) auf dem Spiel? Doch diese Logik knirscht, weil die Amerikaner nicht aufhören würden, Autos zu kaufen. Die Nachfrage würde nicht verschwinden, sondern umgelenkt werden, also neue Jobs bei der Konkurrenz erzeugen.

Lässt man aber GM nicht pleitegehen, werden den ersten 25 Milliarden, von denen die Rede ist, weitere folgen. Der Konzern muss allen bisher gekündigten Arbeitern weiter fast den alten Lohn bezahlen. Er muss die Miete für gewaltige Areale entrichten, die er nie wieder nutzen wird. Honda hat nur 1.000 Händler, GM aber 7.000 – und die stehen unter einzelstaatlichem Schutz. Die knappe Moral von dieser Geschicht? Selbst wenn GM so tolle Autos wie Toyota baute, schreibt Michael Levine, ein GM-Experte, könnte es »die Last seiner Vergangenheit nicht abschütteln«.

»Pleite« heißt in den USA im Übrigen »Chapter11«, sprich Schutz vor den Gläubigern unter gerichtlicher Aufsicht. In dieser Phase könnte GM seinen Bossen, Arbeitern, Rentnern, Händlern und Zulieferern Konzessionen abringen, die im warmen Strahl staatlicher Dauerhilfe nicht möglich wären. »Chapter11« könnte GM dazu bringen, an sich gesunde Töchter wie Opel zu verkaufen und so dem Untergang zu entziehen. Aber Vernunft ist in diesem Drama nicht gefragt. Barack Obama wird Milliarden zuschießen, Merkel auch. Falls gut isoliert, könnte Opel überleben. GM aber wird, auf Abermilliarden gebettet, sterben.

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