In Annapolis ist außer Visionen nichts gewesen
Von Peter Schäfer, Ramallah
Heute vor einem Jahr einigten sich die palästinensische und die israelische Regierung im US-amerikanischen Annapolis darauf, bis zum Ende der Amtszeit von Präsident George W. Bush eine Friedenslösung auszuarbeiten. Die Freude war damals groß.
»Alle Beteiligten meinen es sehr ernst«, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier seinerzeit. Es gebe eine »reelle Chance« auf Frieden noch im Jahr 2008. Erst am vergangenen Montag bekundete Bush im Beisein des israelischen Premiers Ehud Olmert: »Ich glaube, dass die Vision der Gründung eines palästinensischen Staats neben Israel noch lebt.« Nur so könne der seit Jahrzehnten andauernde Nahostkonflikt gelöst werden. Die Amtszeit beider Politiker endet demnächst.
Problematisch ist, dass man außer Visionen nichts vorweisen kann. Die internationale Gemeinschaft fördert Frieden in Nahost seit 15 Jahren. Große Summen öffentlicher Gelder werden für Israel und Palästina bereitgestellt. Frieden gibt es allerdings bis heute nicht. Zudem wird das Territorium eines palästinensischen Staates durch israelischen Siedlungsbau immer kleiner. Die palästinensischen Gebiete sind durch interne bewaffnete Konflikte noch unsicherer geworden und überdies voneinander getrennt: Die Fatah-Bewegung herrscht im Westjordanland, die Hamas im Gaza-Streifen.
Getrennte Straßen im Westjordanland
So erneuerte Israel in Annapolis zwar seine Verpflichtung, den Siedlungsbau in den besetzten Gebieten einzufrieren. Bis August dieses Jahres wurden jedoch 2210 neue Wohneinheiten zum Bau ausgeschrieben, im Vergleich zu 137 Ausschreibungen von Januar bis November 2007. Die Siedlungen und viele der sie verbindenden Straßen sind für Palästinenser verboten. Ihre Orte sind durch ein eigenes Straßennetz mehr schlecht als recht miteinander verknüpft. Und die Trennung beider Infrastrukturen macht der israelischen Besatzungsbehörde die Unterbrechung palästinensischer Straßen leicht. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurde die Zahl der israelischen Sperren innerhalb des Westjordanlands seit Annapolis von 583 permanenten Straßenblockaden auf 630 erhöht.
Im anderen Teil Palästinas, dem Gaza-Streifen, sind heute wegen des internationalen Boykotts gegen die dort herrschende Hamas 80 Prozent der Bewohner von internationaler Nahrungsmittelhilfe abhängig. Man hat über eine Million Menschen zu Bettlern gemacht. Die Bevölkerung ist ohne kontinuierliche Stromversorgung mit entsprechenden Folgen für Kliniken und Nahrungsmittellagerung.
Die Katastrophe ist international bekannt, insbesondere den damit befassten Außenpolitikern. Trotzdem verschlechtert sich die Lage stetig, trotz oder vielleicht gerade wegen der internationalen Hilfen. Anzeichen für eine sinnvollere Verwendung dieser öffentlichen Gelder sind allerdings nicht auszumachen.
Hoffnung nur bei Selbstbestimmung
Die israelische Armee hat ausgerechnet, so die Zeitung »Haaretz« am Montag, dass die militärische Wiederbesetzung des Gaza-Streifens Israel täglich umgerechnet 3,4 Millionen Euro kosten würde. Das wären nicht Ausgaben für das Militär, sondern schlicht für die nach internationalem Recht notwendige Grundversorgung einer Bevölkerung unter Besatzung. Dafür kommen jetzt hauptsächlich die Steuerzahler der EU-Staaten auf, obwohl Israel die Zugänge zum Gebiet kontrolliert, ebenso wie See- und Luftraum. Auch das ist Besatzung.
Im Westjordanland bezahlen internationale Geber sogar noch mehr: außer den palästinensischen Beamtengehältern auch Hilfen für Bildung, Gesundheitswesen und andere Bereiche, obwohl das israelische Militär das Gebiet noch direkt besetzt hält.
Die Entwicklung Palästinas unterliegt nur begrenzt palästinensischer Kontrolle. So steht beispielsweise zu wenig Wasser zur Verfügung. In Orten südlich von Hebron kam im Mai zum letzten Mal etwas aus dem Hahn. Grundwasser wäre vorhanden, und man würde gerne Brunnen bohren. Israel erteilt aber keine Genehmigung. Und die internationalen Geber sehen zu.
Auf Druck Israels fließen Millionenbeträge für neue Rohre oder Abwassersysteme, nicht aber für neue Brunnen. Solche Projekte werden auch in Deutschland großmütig als Hilfe beim Zugang zu sauberem Trinkwasser dargestellt. Sauber ist es schon, aber bei weitem nicht genug.
Ein palästinensischer Staat wäre ein Garant für Frieden in der Region, kann aber nur mit internationaler Hilfe entstehen. Allerdings sollten die vielen selbst ernannten Vermittler bisherige Erfahrungen besser berücksichtigen. Souveräne staatliche Institutionen lassen sich nicht in einem Gebiet aufbauen, das noch unter ausländischer Militärbesatzung steht. Erst wenn die Palästinenser über ihre Entwicklung selbst und ungehindert bestimmen können, ist die Hoffnung auf eine Besserung der Lage berechtigt.
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