Edited by Jessica Tesoriero

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Obamas Kür seiner Gegnerin ist taktisch klug

Von Sabine Muscat

Nicht jeder Mann hält eine starke Frau neben sich aus. Barack Obama offenbar schon. Er hatte den Mut, Michelle Robinson zu heiraten, eine selbstbewusste Harvard-Juristin, die mindestens so kluge Reden halten kann wie er. Jetzt hat er den Mut zu Hillary Clinton. Der neu gewählte US-Präsident will seine schärfste Rivalin aus dem Vorwahlkampf kommende Woche zur Außenministerin ernennen. Das verdient Respekt.

Obama macht Ernst mit seiner Ansage, seine Personalentscheidungen unabhängig von parteipolitischen oder persönlichen Motiven zu treffen. Der Republikaner Robert Gates bleibt Verteidigungsminister. Und mit seinem Wahlkampfgegner John McCain hat er einen Burgfrieden geschlossen. Doch die Versöhnung mit Hillary Clinton ist das stärkste Signal von allen.

Eine einfache Gegnerin war Clinton nicht – und auch keine gute Verliererin. So zäh und verbissen kämpfte die einstige Favoritin im Vorwahlkampf gegen Obamas Aufstieg an, dass es zwischen den Lagern der beiden Politiker viel böses Blut gab. Doch Clinton hatte auch gute Argumente: Immerhin hatten fast 18 Millionen Wähler für sie gestimmt.

Viele meinten, Obama hätte Clinton schon bei der Wahl seines Vizepräsidentenkandidaten berücksichtigen müssen. Er pokerte hoch, als er ihr die Position nicht anbot. Dennoch hat er es allein geschafft – und macht sein Angebot jetzt aus einer Position der Stärke. Es wirkt wie eine Geste des Respekts vor der Expertise einer Frau, die in der Gunst der Wähler einen so knappen zweiten Platz errungen hatte. Aber auch aus taktischen Gesichtspunkten ist die Entscheidung klug: Statt zuzulassen, dass Clinton als Senatorin ein konkurrierendes Machtzentrum aufbaut, macht er sie für sein eigenes Projekt mitverantwortlich.

Sie tut, was man von ihr erwartet

Vieles spricht dafür, dass Hillary Clinton diese Verantwortung auf sich nehmen wird. Seit dem Parteitag im August hat die frühere First Lady getan, wofür sie bekannt ist: Sie hat die Zähne zusammengebissen. Nach einem zögerlichen Start hat sie Obamas Wahlkampf als ihre Mission akzeptiert. Warum nicht jetzt auch seine Regierung? Im Senat ist sie mit Loyalität und Kooperationsbereitschaft aufgefallen. Und ihre außenpolitischen Ansichten liegen im Großen und Ganzen auf Obamas Linie.

Ein weiteres Plus ist Clintons Ausstrahlung. Das Argument, dass sie als First Lady mehr als 80 Länder bereist hat, mag inhaltlich nicht relevant sein, symbolisch spielt es eine Rolle. Die Senatorin würde als Botschafterin ihres Landes eine eindrucksvolle Figur abgeben. Entwicklungsförderung könnte unter einer Außenministerin Clinton einen neuen Klang bekommen. Wenn sie öffentliche mit privater Hilfe verknüpfen wollte, bräuchte sie nur nach ihrem Ehemann Bill zu rufen, dessen finanzkräftige Stiftung die Bush-Regierung oft in den Schatten stellte. Der größte Coup dieser Personalie könnte sein, dass Obama so den umtriebigen Ex-Präsidenten eingebunden hat.

Clinton ist die falsche Frau am falschen Platz

Von Herbert Wetzel

Hillary Clinton – man muss das vorwegschicken – ist eine intelligente Frau, die eine beeindruckende Karriere hinter sich hat. Die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten verpasste sie zwar knapp. Dafür wird sie nun Außenministerin im Kabinett ihres einstigen Rivalen und baldigen Präsidenten Barack Obama. Kein schlechter Trostpreis.

Barack Obama ist ein nicht weniger intelligenter Mann. Man kann also davon ausgehen, dass er sich etwas dabei gedacht hat, als er Clinton das State Department angeboten hat. Doch was immer das war – Obama hat einen Fehler gemacht. Als Außenministerin ist Clinton die falsche Frau am falschen Ort.

Das zeigt sich schon daran, dass die am häufigsten vorgebrachte Erklärung, warum Obamas Wahl auf Clinton gefallen ist, nichts mit Außenpolitik, aber sehr viel mit Machttaktik zu tun hat. Laut dieser “Team of Rivals”-Theorie tut Obama gut daran, seine frühere – und vielleicht auch zukünftige – Gegnerin einzubinden und dadurch ruhigzustellen. Zugleich versichere sich Obama so der Unterstützung des frei schwebenden und gelegentlich irrlichternden Politikgiganten Bill Clinton, so die These. Loyalität gegen Posten – ein uralter politischer Deal.

Das Außenamt ist dafür allerdings die denkbar schlechteste Handelsware. Nichts schadet der Glaubwürdigkeit und Effektivität von Außenpolitik mehr als Spannungen zwischen Regierungschef und Außenminister. Stimmt die Analyse, Obama wolle durch Clintons Aufnahme ins Team künftigen Störmanövern vorbeugen, dann bestätigt er mit ihrer Beförderung nur, dass er ihr eigentlich nicht vertraut. Seiner Außenpolitik, in die der Rest der Welt so viel Hoffnung setzt, wird das schaden.

Pompöses Amt für eine Frau mit großem Ego

Es gibt noch einen zweiten Grund, der gegen Clinton spricht: Der Posten des US-Außenministers ist ohnehin schon ein pompöses Amt. Der Secretary of State gehört zu den fünf oder zehn wichtigsten Menschen der Welt. Dieses Amt mit einer Frau zu besetzen, die – in den Worten des “Washington Post”-Kolumnisten David Ignatius – von einem “großen, hungrigen Ego” angetrieben wird, ist absurd. Obama braucht keine Außenministerin, die ihm die Welt erklärt. Dafür hat er bereits einen erfahrenen Vizepräsidenten und jede Menge Experten in seinem Team. Und Obama braucht keine Außenministerin, die das Image der USA in der Welt repariert oder zum Gesicht des “neuen Amerika” wird. Das macht, das ist er selbst.

Was Obama braucht, ist ein unprätentiöser Chefdiplomat, dem er blind vertrauen kann und der sich in den kommenden Jahren mit den Hunderten Details des ruhmlosen außenpolitischen Tagesgeschäfts herumschlägt; der die Außenpolitik umsetzt, die Obama vorgibt, und nicht den Ehrgeiz hat, selbst den Kurs zu bestimmen – oder gar glaubt, eigentlich der bessere Präsident zu sein. Wer immer diese Jobbeschreibung erfüllt, Hillary Clinton ist es nicht.

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