Green Bailout Plans

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Rettungspläne in Grün

Von Martin Klingst | © ZEIT ONLINE 4.12.2008 – 14:34 Uhr

Weil Barack Obama eine umweltbewusste Industriepolitik zu machen verspricht, zieht Autohersteller Ford jetzt die Ökokarte. Aber die Freude auf ein grünes Amerika ist verfrüht

Washington DC An meinem grünen Gewand sollt ihr mich erkennen, sprach Barack Obama im Wahlkampf. Wo immer der Präsident im Wartestand derzeit geht, steht und spricht, versucht er sich, in Grün zu kleiden. Kein Rettungsplan für die Autoindustrie ohne einen Plan für Kraftstoff sparende und umweltschonende Fahrzeuge, verkündet er. Kein milliardenschweres Infrastrukturprogramm für die Kommunen und Bundesländer ohne Vorschläge für ein besseres Nahverkehrssystem und andere grüne Projekte. Keine Industriegenehmigungen ohne Grenzwerte und Emissionshandel. Keine Freihandelsabkommen ohne Klauseln für den Gesundheits- und Umweltschutz. Keine internationalen Verträge ohne Rücksicht auf die Folgen der Klimakatastrophe.

Seine Drohungen zeitigen bereits Folgen. Ford legt an diesem Donnerstag in Washington Pläne für Hybrid und Batterie betriebene Autos vor. General Motors und Chrysler sind noch nicht so weit. Die Chefs aller drei Konzerne werden diesmal zum Rapport nicht mehr in drei Firmenjets einfliegen. Obama hatte sich darüber mokiert. Ford-Chef Alan Mulally legt die 500 Meilen von Detroit in die Hauptstadt eigens in einem Ford Escape Hybrid zurück und hat in einem Telefonat von unterwegs schon einmal die Überlebensfähigkeit seiner beiden Konkurrenten in Zweifel gezogen. Was diese natürlich nicht sonderlich erfreute.

Ebenfalls in dieser Woche, am Dienstag, überschlugen sich Amerikas Gouverneure auf ihrem Treffen in Philadelphia in Anwesenheit von Obama geradezu mit Vorschlägen für neue Energie sparende Häuser und Flughäfen sowie für Solar- und Windkraftanlagen. Europa freut sich auf ein grünes Amerika, das bei der nächsten Klimakonferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 endlich mitziehen könnte.

Doch Vorsicht, die Freude über die grüne Revolution ist verfrüht. Die Widerstände formieren sich, und Obama sitzt das eigene Hemd am Nächsten. Die gewerkschaftsnahen Demokraten im Kongress werden die Autokonzerne nicht Pleite gehen lassen – selbst nicht, wenn die sich bockbeinig stellen und sich zu schneller technologischer Erneuerung außerstande sehen. Jeder zehnte Arbeitsplatz in Amerika, haben Experten herausgefunden, hänge in irgendeiner Weise mit dem Autobau zusammen. Zudem: die Planung für neue U- und Eisenbahnstrecken, für umweltfreundliche Bauten und so weiter muss auch in Amerika viele bürokratische Hürden nehmen und benötigt Jahre.

Die Regierung Obama aber will die Wirtschaft sofort ankurbeln und lieber heute als morgen die versprochenen zweieinhalb Millionen neuen Arbeitsplätze schaffen. Da wird vielen wahrscheinlich eine Schaufel in die Hand gegeben werden, um erst einmal die unzähligen Schlaglöcher auf den Straßen zuzuschütten, damit die Autos nicht mehr in wilden Schlangenlinien fahren müssen und ihre Achsen schonen können.

Ungeklärt ist auch die Zukunft von Kohlekraftwerken. Saubere Kohle gibt es nicht, auch wenn das gebetsmühlenartig behauptet wird – und vielleicht wird es sie auch nie geben. Doch die Gouverneure von Pennsylvania, West Virginia, Ohio bis Montana sitzen auf riesigen Vorkommen, die sie ausschöpfen wollen. Ed Rendell, Demokrat und einflussreicher Gouverneur von Pennsylvania, verkündete Anfang der Woche: “Wir haben mehr Kohle als Saudi Arabien Öl. Es wäre fatal, diesen Reichtum nicht zu nutzen.“

Bevor Obama jedenfalls die Vereinigten Staaten auf der Kopenhagen-Konferenz international zu weniger Ausstoß von Kohlendioxid und festen Grenzwerten verpflichtet, wird viel CO2 in die Atmosphäre strömen und viel schmutziges Wasser den Mississippi hinunterfließen. „Wir müssen erst einmal unser eigenes Haus in Ordnung bringen,“ verkündete neulich Obamas Übergangschef John Podesta. Und das könne lange, sehr lange dauern. Und wenn Leute aus der neuen Regierung von Energieeffizienz schwärmen, haben sie vor allem eines im Sinn: Energieunabhängigkeit!

Darin entdecken sie eine wunderbare außenpolitische Waffe gegen die unberechenbaren Öl- und Gaspotentaten in Arabien und Persien, in Russland und im Kaukasus, an der afrikanischen Westküste und in Südamerika. Den Obamanics missfällt, dass die Europäer, vor allem die Deutschen, an russischen Pipelines hängen.

Am Revers von Obamas grünem Gewand steckt eben immer noch Amerikas rot-weiß-blaue Flaggennadel.

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