It’s Hoover Time

<--

US-Republikaner

It’s Hoover Time

Die republikanische Revolte gegen die Rettung der Autoindustrie sind Teil einer wohlkalkulierten Strategie. Allerdings riskiert die Grand Old Party damit einen Rückfall in die Ignoranz von Herbert Hoover.

Die Beschwörung traditioneller Feindbilder zählt zu den bequemsten Formen der politischen Auseinandersetzung: Der Rückgriff auf

altbewährte Parolen ersetzt die Präsentation origineller Ideen.

So hielten es auch die Republikaner im US-Senat, als sie am in der Nacht zum Freitag die Staatshilfen für die Autoindustrie zu Fall brachten. “Eine Regierung, die groß genug ist, uns alles zu

geben, ist auch groß genug, uns alles zu nehmen”, mahnte Mitch McConnell, Senator aus Kentucky.

Der Spruch wird in der ein oder anderen Variante vielen Vätern zugeschrieben. Tatsächlich stammt er von dem wenig ruhmreichen

Kurzzeitpräsidenten Gerald Ford und es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass er als Aufkleber von Virginia bis Texas die Stoßstangen zahlloser Pickup-Trucks aus amerikanischer Herstellung ziert.

Die republikanische Revolte gegen die Rettung der Autoindustrie und gegen die Politik von Präsident George W. Bush ist jedoch alles andere als ein ideologischer Reflex und weitaus mehr als eine spontane Eruption innerparteilichen Ungehorsams. Sie ist Teil einer Strategie: wohlkalkuliert, aber hochriskant.

Die Republikaner stehen mit dem Rücken zur Wand: Im November haben sie eine verheerende Niederlage erlitten. Sie verloren das Weiße Haus und wurden im Kongress dermaßen dezimiert, dass man sie dort von Januar an fast unter Artenschutz stellen müsste. Bei der Ursachenforschung sind die Strategen der Partei zu einem eindeutigen Ergebnis gelangt: Die Republikaner haben ihr Profil

verloren.

Der Kampagne von John McCain fehlte eine Botschaft und der Partei eine Philosophie. Die Grand Old Party, deren Markenzeichen seit Ronald Reagans Zeiten Staatskritik, Freiheitsliebe und Marktliberalismus waren, hat unter der Präsidentschaft von George W. Bush Verrat an ihren Prinzipien begangen. Sie unterstützte eine Politik, die Freiheitsrechte auf dem Altar des Antiterrorkriegs opferte, die den starken Staat verherrlichte und der Öl- und Rüstungsindustrie Milliardenaufträge zuschanzte.

An den Autokonzernen wollten die Republikaner ein Exempel statuieren. Die Botschaft ist klar: “Seht her, wir sind wieder die Partei des freien Wettbewerbs. Der aufgeblähte Staat ist unser Gegner. Wir stemmen uns gegen den Dirigismus der Demokraten.” Die Republikaner nutzten damit die wohl letzte Möglichkeit, sich

national Gehör zu verschaffen. Schon in ein paar Wochen konstituiert sich der neue Kongress, in dem ihnen die Bedeutungslosigkeit droht. Die Partei versucht, ihr Profil

zu schärfen, solange sie noch eine politische Bühne hat. Wenn 2010 wieder Senatssitze zur Wahl stehen, hoffen sie, mit einem strikten Oppositionskurs die Vormacht der Demokraten zu brechen.

Die Strategie mag vielversprechend klingen, vor allem in den Ohren der republikanischen Basis. Doch die Frage ist, ob die unterlassene Hilfsleistung für die Autoindustrie von den Wählern tatsächlich als Rückbesinnung auf die Ideale Ronald Reagans honoriert oder aber als ein Rückfall in die Ignoranz Herbert Hoovers gewertet werden wird. Reagan gilt als Held der Partei, Hoover als ihr Fluch. Reagan

begründete ihre kulturelle Vorherrschaft in den vergangenen Jahrzehnten, Hoover besiegelte ihren Niedergang bis weit über das Ende des zweiten Weltkriegs hinaus. Reagan bezwang die Inflation, senkte die Steuern und führte das Land zurück auf einen Wachstumspfad. Hoover hingegen hat sich als Depressionspräsident in das kollektive Gedächtnis Amerikas eingebrannt. Er zauderte, er lavierte – und er stürzte das Land Anfang der 30er Jahre in den wirtschaftlichen Abgrund.

Vizepräsident Dick Cheney soll seine Parteifreunde hinter verschlossenen Türen bereits gewarnt haben: “Es ist Herbert-Hoover-Zeit, wenn ihr die Rettung der Autokonzerne scheitern lasst.” Auch in Amerika hat sich inzwischen die Meinung

durchgesetzt, dass die heutige Krise nicht von zu viel, sondern zu wenig Staat verursacht wurde. Die republikanischen Senatoren aber haben andere Umfragen im Blick. Die Mehrheit der Wähler wurde von “Bailout-Fatigue” erfasst, haben Meinungsforscher festgestellt. Sie sind rettungsmüde.

Hieraus wollen die Republikaner nun politisches Kapital schlagen und riskieren dabei, eine Regionalpartei des Südens zu werden. Zehn ihrer Senatoren schlugen sich bei der Abstimmung in der Nacht zum Freitag auf die Seite der Demokraten. Die meisten stammten aus dem Mittleren Westen. Sollten die Autokonzerne wirklich pleite gehen, drohen dort Arbeitslosenquoten von mehr als 20 Prozent. Cheney könnte Recht behalten: It’s Hoover-Time.

About this publication