Disappointed Democrats

 

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Die Linken sind enttäuscht

Rechtzeitig vor seinem Urlaubsantritt am Samstag auf Hawaii hat der künftige Präsident Barack Obama seine Kabinettsliste zusammengestellt – in einer Rekordzeit von nur rund sechs Wochen, genauso, wie er es sich vorgenommen hatte. Aber nicht alle seiner Gefolgsleute sind glücklich über die künftige Mannschaft. In liberalen Kreisen herrscht gewisse Irritation darüber, dass sich Obama, der erklärte Mann des Wandels, auf ein Kabinett der Mitte stützt und die Linke nahezu an die Seitenlinie verbannt hat.

Tatsächlich sticht aus der Riege kaum jemand als Leuchtfeuer der Liberalen hervor – von Hillary Clinton als designierter Außenministerin über Eric Holder auf dem Justizposten bis hin natürlich zum republikanischen Pentagonchef Robert Gates, der sein Amt behält. Es ist vielmehr, darin stimmen die meisten Experten überein, ein Kabinett der Pragmatiker und Technokraten und kein Kabinett der Ideologen. So haben republikanische Kreise, die weitaus «Schlimmeres» befürchtet hatten, auch dem künftigen Präsidenten applaudiert – und die Linke damit noch mehr beunruhigt.

Für das Heer von Politanalytikern liegen Obamas Beweggründe unterdessen klar auf Hand. Er erbt neben einer maroden Wirtschaft mit einem Heer von Arbeitslosen zwei Kriege und steht damit vor enormen Herausforderungen, die radikale Maßnahmen erfordern. «Und dazu braucht er eine breite Koalition über seine eigene Basis hinaus», kommentiert etwa die Zeitung «Boston Globe».

Das Grummeln bei der Linken hatte eingesetzt, als Obama schon kurz nach seiner Wahl zahlreiche Beraterposten mit ehemaligen Mitarbeitern in der Regierung von Bill Clinton besetzte. Die Gesichter wurden noch länger, als die Ex-First Lady – eine ursprüngliche Befürworterin des Irakkriegs – den Zuschlag als Außenministerin erhielt. Die liberalere Susan Rice dagegen landet auf dem Posten der UN-Botschafterin. Erst im letzten Moment, am Freitag, erfreute Obama die Enttäuschten mit seiner Entscheidung für die tief in der Gewerkschaftsbewegung verwurzelte Hilda Solis als Arbeitsministerin.

Da kam erstmals auch lauter Applaus beim linken Parteiflügel auf. «Er ist jetzt besänftigt, aber immer noch nicht glücklich», kommentierte die «Los Angeles Times». Das spiegelt sich auch im Echo vieler Internet- Blogger wider, die etwa weiterhin Besorgnis angesichts von Obamas «Clintonismus-Recycling» äußern, aber zumindest bereit sind, nun erst einmal abzuwarten, wie sich das Kabinett in der Praxis schlägt.

TEIL 2

Eines ist offensichtlich: Es ist eine Regierung der «Promis» und Erfahrenen, Persönlichkeiten, die sich größtenteils auf den ihnen nun zugewiesenen Gebieten bereits sehr gut auskennen und kampferprobt in politischen Debatten sind – wenn sie darin auch zumeist nicht durch radikale Pro-Reform-Positionen oder ideologische Schärfen hervorgetreten sind.

Der als «Troubleshooter» bekannte Bill Richardson, der früher wiederholt bei Geiselbefreiungen half und nun Handelsminister werden soll, der einstige Senatsmehrheitsführer Tom Daschle als Gesundheitsminister oder auch Rahm Emanuel, der als Stabschef im Weißen Haus Kabinettsrang hat, sind neben Hillary Clinton nur einige Beispiele dafür.

Hinzu kommen intellektuelle Größen wie Nobelpreisträger im Obamas innerem Führungszirkel. «Diese Persönlichkeiten zusammen garantieren einen lebhaften, engagierten und offenen Meinungsaustausch, der in der Regierung Bush gefehlt hat», zeigt sich ein CNN-Kommentator überzeugt.

Mit fünf Frauen im Kabinettsrang hat Obama allerdings viele seiner weiblichen Gefolgsleute enttäuscht. Damit übertrifft er Noch- Amtsinhaber Bush nur um einen Posten und zieht mit Bill Clinton gleich. Was den ethnischen Mix betrifft, liegt Obama dagegen klar vorn: 45 Prozent seiner Kabinettsmitglieder stammen aus Minderheitengruppen im Vergleich zu Bushs Regierung mit 27 Prozent.

Experten sehen auch in dieser Mischung ein Zeichen für Obamas Bestreben, nicht nur ein Hoffnungsträger für die Wandel-Hungrigen zu sein, sondern auch ein Brückenbauer. Aber es gibt auch Stimmen, die warnen. So sieht etwa Peter Wehner, ein früherer Spitzenberater von Bush, die Gefahr, dass das Obama-Team konturenlos erscheinen könnte, wenn eine zu große Betonung auf Pragmatismus gelegt werde und es keinen sichtbaren ideologischen Kern gebe.

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