Uncle Sam Takes Off

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Christian Schütte – Uncle Sam hebt ab

von Christian Schütte

Der amerikanische Staat macht neue Schulden ohne Ende. Die USA riskieren ihre Kreditwürdigkeit. Es drohen japanische Verhältnisse.

“In God we trust” steht auf dem Dollar-Schein, aber auch die Atheisten dieser Welt vertrauen seit Jahrzehnten fest auf den Dollar. Die Bonität der USA gilt als über jeden Zweifel erhaben. Selbst der Finanzcrash hat diesen Sonderstatus nicht beschädigt.

Bisher jedenfalls nicht. Die immer neuen Rekordsummen, die aus Washington jetzt in den Kampf gegen die Wirtschaftskrise geworfen werden, belasten die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Politik aber massiv.

Die US-Notenbank ist zwar theoretisch noch immer in der Lage, das von ihr jetzt reichlich gedruckte Geld irgendwann wieder einzusammeln. Die gigantischen Staatsschulden, die Uncle Sam gerade auftürmt, werden das Land jedoch auch dann noch schwer belasten, wenn diese Krise eines Tages vorüber ist.

Wo genau die Schmerzgrenze liegt, ab der die internationalen Kapitalgeber ihre Einschätzung des Greenback und des Schuldners USA revidieren, weiß niemand. Klar ist aber, dass es für die größte Wirtschaftsmacht der Welt eine solche Grenze gibt. Und dass sich die USA gerade mit hohem Tempo darauf zubewegen.

Natürlich darf man sich nicht gleich ins Bockshorn jagen lassen, wenn in einer großen Volkswirtschaft mit Defizitzahlen herumjongliert wird, deren viele Nullen sich kaum noch zählen lassen. Immerhin rund 15.000 Mrd. $ beträgt ja auch das Bruttoinlandsprodukt der USA – das ist und bleibt eine Menge Substanz.

Historische Rekorde

Aber das Ausmaß der amerikanischen Staatsverschuldung, das sich nun abzeichnet, ist in Friedenszeiten beispiellos. Nur zum Vergleich: Während sich Deutschland gerade über ein Konjunkturpaket von knapp zwei Prozent und ein Staatsdefizit von womöglich mehr als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts echauffiert, erwartet man in den USA für 2009 eine Haushaltslücke von mindestens acht Prozent.

Und weitere Konjunkturspritzen werden von der neuen Regierung in Washington bereits aufgezogen. Selbst Defizitquoten von zehn Prozent des BIP und mehr sind im Gespräch.

Von einer raschen Konjunkturerholung und der Rückkehr zu normaleren finanzpolitischen Verhältnissen redet dagegen niemand mehr.

Das Argument für diese gewaltige Neuverschuldung wiegt ohne Zweifel schwer: Es gilt jetzt, einen Absturz in eine neue Große Depression zu verhindern, den Fall in ein tiefes Loch, aus dem die Wirtschaft womöglich viele Jahre lang nicht mehr herauskäme. Um kurzfristig drohenden extremen Schmerz vielleicht doch noch abzuwenden, müssen spätere Belastungen eben in Kauf genommen werden.

Dass der Rettungsversuch gerechtfertigt werden kann, ist jedoch keine Garantie dafür, dass er auch funktionieren wird. Und es ändert erst recht nichts daran, dass dieser Versuch einen hohen Preis haben wird.

Die Grenzen der Stimulierung sind offenkundig: Amerikas Wirtschaft hat heute nicht nur ein Nachfrageproblem, sie steht auch vor einem unvermeidlichen Strukturbruch. Finanzwirtschaft und Immobiliensektor, die Geld- und Jobmaschinen des geplatzten Booms, müssen drastisch schrumpfen. Ebenso die maroden Autokonzerne in Detroit. Hunderttausende von – oft überdurchschnittlich gut bezahlten – Arbeitsplätzen werden dauerhaft verschwinden.

Überfällige Infrastrukturinvestitionen und Subventionen für “grüne Jobs” sollen dafür einen Ausgleich schaffen. Es ist jedoch absehbar, dass ein Großteil des dafür herausgeblasenen Geldes in Projekten mit höchst zweifelhafter volkswirtschaftlicher Rendite versickern wird. Wenn die Budgets jetzt in völlig neue Dimensionen hochgejagt und so schnell, wie es geht, unter die Leute gebracht werden müssen, dann ist massive Verschwendung programmiert.

Auf der Rechnung bleiben die Steuerzahler am Ende trotzdem sitzen. Das alles sind schlechte Aussichten für das langfristige Wachstumspotenzial der US-Wirtschaft.

Als schwacher Trost bleibt den Amerikanern im Moment immerhin, dass sich ihr Staat gerade zu fast einzigartig günstigen Konditionen verschulden kann. Weltweit sind die Anleger auf der Flucht vor dem Risiko, und US-Staatspapiere sind der anerkannt sichere Hafen.

Selbst eine Nullverzinsung für kurzfristige Anlagen schreckte die Finanzmanager zuletzt nicht, geradezu “japanische Verhältnisse” zeichnen sich ab. Auch in Japan sank der Zins für Staatsanleihen während der deflationären Dauerkrise in den 90er-Jahren Richtung null, während zugleich die japanische Staatsverschuldung in beängstigende Höhen schoss.

Was macht China?

Japans Etatdefizite wurden freilich vollständig aus Ersparnissen der Japaner selbst gedeckt. Deren Sparüberschuss war und ist sogar so groß, dass daraus auch noch hohe Kapitalexporte finanziert werden können. In der Leistungsbilanz spiegeln sich diese in einem hohen Überschuss. (Gleiches gilt übrigens für Deutschland.)

Die USA sind dagegen heute bei der Finanzierung ihrer riesigen Budgetdefizite ganz überwiegend auf das Ausland angewiesen. Das macht eine scheinbar völlig ungehemmte fiskalische Expansion zum riskanten Spiel.

Der wichtigste Finanzier amerikanischer Schulden ist seit Jahren die Volksrepublik China. Mutmaßlich weit über 1000 Mrd. $ haben die chinesischen Währungsbehörden bereits in US-Staatsanleihen und auch staatlich garantierten Anleihen der Hypothekenbanken Fannie Mae und Freddie Mac investiert. Nach manchen Schätzungen kaufen sie immer noch stündlich weitere 100 Mio. $, nicht zuletzt, um der chinesischen Exportwirtschaft einen vorteilhaften Wechselkurs zu sichern.

Ein Kollaps des Dollar-Kurses wäre auch für China ein gravierendes Problem, weil damit seine hohen Währungsreserven entwertet und seine Exporteure an Wettbewerbsfähigkeit verlieren würden. Dennoch gibt es Anzeichen, dass die Zeiten des praktisch blinden Zukaufs weiterer Dollar und US-Papiere zu Ende gehen.

“China verliert Appetit auf US-Schulden”, meldete die “New York Times” kürzlich. Selbst wenn dieser Artikel den eindeutigen Beleg noch schuldig blieb – eine strategische Bedrohung für die USA ist dieses Szenario künftig allemal.

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