Bush: The President Who Smoothed the Way for Obama

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Bush – Der Präsident, der Obama den Weg ebnete

von Torsten Krauel, Korrespondent in Washington

16.01.2009 – 17.38 Uhr

Seine Präsidentschaft bewahrte die Republikaner erst vor der Spaltung und stürzte sie dann ins Desaster. Von George Walker Bush wird vor allem in Erinnerung bleiben, dass er Barack Obama möglich machte.

Seine Widersacher trauen ihm nach acht Jahren einfach alles zu. George W. Bushs Präsidentschaft hat Kriegsbilder produziert, die mit dem Wort „Abu Ghraib“ ikonengleich als kollektiver Ehrverlust des Westens im Gedächtnis bleiben. Sein Satz von der „Achse des Bösen“ und den „Schurkenstaaten“ wird inzwischen weithin, wenngleich unfair, als Variation der Volksweisheit empfunden, Kritiker der Elche seien meistens selber welche. Abgetreten ist er inmitten eines ökonomischen Paukenschlags, der der ganzen Welt in den Ohren dröhnt.

Zuletzt erschien um die Jahreswende ein Buch, das seine Familie auch noch mit dem Mord an Kennedy in Verbindung bringt. Der Autor – unpolemisch, aber mit dem Willen zur Aufmerksamkeit für seine These – findet sein Werk auf Bestsellertischen wieder. So ist die Stimmung, in der ein begnadeter Eroberer politischer Mehrheiten das Weiße Haus verlässt.

Die zweite Amtszeit endete im Desaster

Denn das war George Walker Bush einmal – ein begnadeter Kämpfer, der bis 2004 die Republikaner mit Rekorden beglückte. Seine erste Amtszeit schien den Weg zur Vollendung einer auf Jahrzehnte angelegten Republikanermehrheit zu weisen. Die zweite Amtszeit endete im Desaster. Ohne Bushs Anfangserfolge, bei denen seine positiven Charakterzüge eine Rolle spielten, ist die Vorsicht, ja ängstliche Devotheit nicht verständlich, mit der die Opposition ihn während der Entfaltung des Irak-Krieges behandelte. Ohne die negativen Eigenschaften wäre er in der zweiten Amtszeit nicht gescheitert. Beseelt vom Erfolg und zu Jähzorn neigend, wurde Bush unempfindlich für Kritik, dann kam die Hybris, dann das Ende.

Sein größtes historisches Verdienst mag verblüffend erscheinen: Er hat die Republikaner in kritischer Zeit vor der Spaltung bewahrt. Bush trat 2000 an die Spitze einer Partei, die weitaus stärker als heute die SPD vor einer Zerreißprobe stand. Eine konservativ-christliche, vor allem in den Südstaaten heimische Bewegung hatte sich zum Machtfaktor entwickelt. Sie war nicht einfach ein Konglomerat befremdeter Kirchgänger, sondern eine Partei im Geburtsstadium, mit einem Bein innerhalb der Republikaner und einem Bein außerhalb von ihr. Die Bewegung hatte historische Wucht. Wurzelnd in Ressentiments des Südens gegen Washington seit dem Bürgerkrieg, intellektuell auf die Beine gestellt von Kritikern Franklin Roosevelts, befeuert von der Ablehnung der 68er und finanziert von konservativen Milliardären, ging die Anhängerschaft in die zweistelligen Millionen. Wären die Republikaner zerbrochen, hätte es in vielen der fünfzig Bundesstaaten und im Kongress keine klaren Mehrheiten mehr gegeben. Man soll nicht unterschätzen, was das für die Regierbarkeit der USA bedeutet hätte.

Kein Kandidat der konservativen Christen

Bush war 2000 trotz ostentativer Annäherung nicht der Kandidat der konservativen Christen. Sie misstrauten ihm, und Bush hätte um ein Haar verloren. Seine Analyse war simpel. Die Evangelikalen mussten bei der Stange gehalten, aber kontrolliert werden.

Bush reichte ihnen die Hand. Warum hat er auf die Frage, ob er sich vor dem Irak-Krieg mit seinem Vater beraten habe, erwidert: „Ich berate mich mit einem höheren Vater“? Wegen der Evangelikalen. Warum hat er seine Schulreform „No Child Left Behind“ getauft? Wegen des gleichnamigen Titels einer unter den Evangelikalen populären Romanserie. Er hat des konservativen Flügels wegen die staatliche Forschung an embryonalen Stammzellen untersagt (nicht: an Zellen Erwachsener, oder die private Forschung). Wegen dieses Flügels hat er pro forma das Verbot der Homo-Ehe unterstützt – er, der einen Tag vor der Wahl 2004 sagte: „Ist mir doch egal, wie die Leute zusammenleben“, und der einen zur Frau geschlechtsgewandelten Schulfreund mit dem Satz begrüßte „Endlich bist Du Du selbst“.

Es schien, als baue Bush den Süden zur Republikanerfestung aus

Das Kalkül ging auf. Die Evangelikalen wählten Bush 2002 und 2004 in Scharen, ohne dass die Moderaten absprangen. Die Demokraten verstanden nur zu gut, wie erfolgreich Bush in seiner Partei den Tiger ritt. Im Süden waren die Demokraten 1876 als Anti-Lincoln-Partei groß geworden. Er war hundert Jahre lang ihre unumschränkte Basis. Noch John F. Kennedy kam nur dank der Rassisten ins Weiße Haus. Er litt darunter, traute sich aber nur millimeterweise an Bürgerrechte für Schwarze heran. Vierzig Jahre später schien es, als baue Bush den Süden zur Republikanerfestung aus. Die Evangelikalen waren keine Rassisten. Das machte Bush für die Demokraten umso gefährlicher. Im Kongress stimmten sie auch mit Blick auf den Süden für den Irak-Krieg oder die Antiterrorgesetze.

Der 11.September 2001 gab Bush zudem Legitimität bis weit in die Opposition hinein. Zbigniew Brzezinski, einst Jimmy Carters Sicherheitsberater, hat 2007 mit Blick auf Irak geschrieben: „Dieser mutwillige Krieg hätte ohne die psychologische Verknüpfung des 11.September-Schocks mit dem behaupteten Waffenarsenal nie eine Kongressmehrheit erhalten“. Im November 2001 hingegen hatte er konstatiert: „Der explosive Charakter des Nahost-Pulverfasses und der Umstand, dass Irak Motiv und Mittel besitzt, um dem terroristischen Untergrund gefährliche Hilfe zu leisten, darf nicht mit dem legalistischen Argument fehlender schlüssiger ,Beweise‘ für eine Verwicklung des Irak in den 11.September ignoriert werden.“

Der 11. September wird die USA noch für Generationen prägen

Nicht alle dachten so wie Brzezinski, aber genügend viele, um die Opposition zu brechen. In einer Woge authentischer, manchmal übersteigerter patriotischer Empfindungen war Skepsis politisch riskant. Unter dem Eindruck der folgenden Wahlsiege Bushs gab Barack Obama noch 2005 zu, er habe zeitweilig geschwankt, ob seine Antikriegsrede von 2002 vor der Geschichte Bestand habe.

Die Wortführer zu Irak entstammten der anderen wichtigen Strömung, die 2000 bei den Republikanern nach oben kam, den Neokonservativen. Sie waren oft frühere Demokraten, und oft Juden. Sie zu verurteilen sollten Deutsche vorsichtig sein, denn die Weltsicht war eine Reaktion auf Hitler. Kaum je ist so oft vom Einmarsch ins Rheinland, vom Münchner Abkommen und Auschwitz die Rede gewesen wie bei den „Neocons“ mit Blick auf Saddam. Nach dem 11.September fanden sie Gehör. Der Tag wird die USA noch für Generationen prägen.

Bush teilte die Meinung, Saddam stehe seit 1990 mit den USA im Krieg, sei der Angreifer gewesen, und dürfe nicht obsiegen. Er unterlief aber den Druck der Evangelikalen zum Weltanschauungskampf gegen den Islam. Bush begann stattdessen Geheimgespräche mit US-Moslemführern, die in eine Fatwa gegen den Terrorismus mündeten. Es war sein am meisten verkannter Erfolg.

Bush bat die islamische Welt um Verzeihung, nicht aber Europa

Der Krieg überdeckte ihn. Zwar wurde mit Saddams Sturz ein künftiges atomares Wettrennen zwischen Irak und Iran verhindert. Doch Osama Bin Laden entkam im Dezember 2001 den Amerikanern, weil US-Truppen schon für den Irak abzogen. Bush stoppte Saddams Massenmord an den Schiiten. Abu Ghraib indes hat die Einheit des Westens unterhöhlt. Die widerlichen Fotos hatten in Europa wegen seiner Millionen Moslems eine dramatische, bleibende Wirkung. Bush bat die islamische Welt um Verzeihung, nicht aber Europa. Er weigerte sich, für Abu Ghraib einen General oder Rumsfeld zu bestrafen. Es war ein schwerer Fehler.

Die Halsstarrigkeit des Wahlsiegers begann sich auszuwirken; sie wurde zur Hybris. Nach der Wiederwahl 2004 wollte er alles sofort, auch um Abu Ghraib vergessen zu machen – den Irak befrieden, das Nahostproblem lösen, den Sozialstaat reformieren, die Einwanderung neu regeln. Über letzteres kam Bushs Partei im Streit zwischen Moderaten und Konservativen kreischend zum Stillstand. Bushs größter Triumph, die Eroberung fast aller Südstaatensitze im Kongress, zerstörte die Balance der Partei. Moderate Republikaner fühlten sich bedroht, die Evangelikalen konnten vor Kraft kaum laufen. Beide gingen aufeinander los. Bush war mit dem Irak abgelenkt. Er wurde zum virtuellen Präsidenten des Zweistromlands, so wie Lyndon Johnson es mit Südvietnam erging. Der Hurrikan „Katrina“ geriet zum Symbol dafür, obwohl das Chaos hauptsächlich auf das Konto der in Louisiana regierenden Demokraten ging. (Heute ist der Staat fest in republikanischer Hand.)

Die zweite Amtszeit – Vier verlorene Jahre

Die zweite Amtszeit wurde zu vier verlorenen Jahren. Die peinliche Berührtheit angesichts missglückter Scherze des Präsidenten beim Jahresdinner der Washingtoner Presse wurde von Mal zu Mal bedrückender.

Das Haushaltsdefizit beträgt heute mehr als eine Billion Dollar. Bill Clintons „Haushaltsüberschuss“ ist zwar eine Legende aus Schattenbudgets, gefährlicher Zinspolitik und verschleppten Investitionen. Bei Clintons Abgang hatte das FBI keine emailfähigen Computer. Bush schuf Abhilfe. Seine sonstigen Leistungen – ein modernisiertes Arbeitsrecht, Indien als strategischer Partner, die politische Einkreisung Nordkoreas, die gigantische Afrikahilfe, die Schulreform, die Zerschlagung des pakistanischen Atomschmuggels, nicht zuletzt etliche vereitelte Terrorangriffe – verblassen derzeit trotzdem. „Bankenkollaps“, „Guantánamo“ und „Abu Ghraib“ stehen im Abspann von „The Bush Years“.

„Wir haben alles versaut“, schrieb ein rechtskonservativer Vordenker in seiner Bush-Bilanz. Es war eine Klage über einen weltanschaulich viel zu laschen Präsidenten, dem man 2000 zu Recht misstraut habe. Bush habe die Konservativen benutzt und zugleich sabotiert. Übersetzt hieß das: George W. Bush hat eine religiös-radikale Bewegung ausgebremst, die nicht zur Gänze, aber zu Teilen fundamentalistisch war, und deren gärendes Ressentiment Amerikas Gleichgewicht zerstört hätte. Er hat sie nicht geschaffen, sondern vorgefunden. Er hat ihr Machtbegehren genutzt und Teilerfolge gewährt, dann in der zweiten Amtszeit ihre Politikfähigkeit halb geplant und halb verschuldet ad absurdum geführt, und brach ihr so die Spitze.

Es mag sich herausstellen, dass Amerika nur so zur Mitte zurückfinden konnte. Vielleicht hat erst George W. Bush einen Präsidenten Barack Obama möglich gemacht; er selber würde es vom Alterssitz Dallas aus gewiss gerne so sehen.

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