White Southerners Still Don’t Trust Obama

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Weiße Südstaatler trauen Obama noch immer nicht

(31) Von Katja Ridderbusch 19. Januar 2009, 11:33 Uhr

Die Kandidatur von Obama hat viele schwarze und junge Wähler mobilisiert, vor allem in den Südstaaten. Doch zugleich zeigt sich auch das verstörte, das reaktionäre Gesicht des amerikanischen Südens. WELT ONLINE besuchte einen republikanischen Wähler, dem selbst John McCain noch zu “liberal” war.

Ed Buren hat Angst vorm schwarzen Mann. Vor dem, der am 20.Januar ins Weiße Haus einziehen wird, und auch sonst. „Ich will nicht, dass so einer über mich und mein Leben entscheidet“, sagt er. Und setzt hinzu, drohend beinahe: „So einfach ist das.“ Den Namen des gewählten US-Präsidenten Barack Obama nimmt er nicht in den Mund, nur dessen Mittelnamen wiederholt er gerne: Hussein, wie Saddam.

Ed Buren lebt in Stone Mountain, einem kleinen Dorf östlich von Atlanta im Bundesstaat Georgia. Er wirkt wie ein Abziehbild aus dem Buch der Klischees, ein Redneck, so heißen hier die weißen, reaktionären Hinterwäldler. An seinem Pick-up-Truck weht eine zerrissene Konföderiertenflagge, die Flagge der Südstaaten, die den Sezessionskrieg 1865 verloren. Vom Rückspiegel baumelt ein Kreuz aus weißem Plastik. Er ist um die 50, vielleicht auch jünger, mit schlechten Zähnen und schütterem Haar; so unauffällig sieht er aus, dass man ihn schnell vergisst. Ihn selbst vielleicht, aber nicht seine Worte. Die mögen dumpf klingen, bizarr und von der Zeit überholt, doch Stimmen wie die von Ed Buren sind häufiger zu hören seit den Wahlen vom 4. November, meist hinter vorgehaltener Hand.

Vor allem im amerikanischen Süden, jener Region, die immer wieder daran erinnert, wie tief die Wunden waren, die der Bürgerkrieg schlug. Die daran erinnert, dass die Zeit der Rassentrennung in Amerika nicht einmal 50 Jahre zurückliegt und dass der Boden noch immer fruchtbar ist.

Ed Buren betreibt in Stone Mountain eine kleine Werkstatt. Er repariert Kühlschränke, Fernsehgeräte, Maschinen, „alles, was eben so kommt“. Er hat für das Treffen eine deutsche Kneipe gewählt, „Village Corner“, mit einem düsteren Hinterzimmer, in dem es nach abgestandenem Kohl riecht. Leise schnarrt Blasmusik aus den Lautsprechern. Trotz seiner markigen Worte verlässt Ed Buren der Mut schon bei der Frage nach seinem richtigen Namen. Den will er lieber nicht veröffentlicht sehen – „sonst hab ich den Mob am Hals“.

Er habe bei der Präsidentschaftswahl für John McCain gestimmt, schweren Herzens, denn der sei ihm eigentlich viel zu „liberal“, und er meint damit: gemäßigt. Dass seine Landsleute den Demokraten Barack Obama zum ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt haben – und zwar mit einer soliden Mehrheit von knapp 53 Prozent und 365 Wahlmännerstimmen –, mag er nicht glauben.

Da müsse etwas faul gewesen sein, eine Art Verschwörung. „Die Schwarzen haben die Ergebnisse manipuliert, zusammen mit den Schwulen und den Spics.“ („Spics“, das sind im Jargon von Ed Buren und seinen Freunden die Latinos). Dann macht er sich über die dampfende Wurstplatte her – Knackwurst, Bratwurst, Weißwurst, Brühwurst. Und beißt so zornig in das Fleisch, als handele es sich dabei um den Feind höchstpersönlich.

Die Kandidatur von Obama hat schwarze und junge Wähler in Rekordzahlen mobilisiert, vor allem in den Südstaaten. Doch zugleich zeigt sich in den Wochen nach den historischen Wahlen vom November auch das verstörte, das reaktionäre Gesicht des amerikanischen Südens. In einigen Bundesstaaten und Verwaltungsbezirken, sogenannten Counties, führte die Kandidatur von Barack Obama zu einer Gegenreaktion vieler Weißer, Republikaner wie Demokraten. In Arkansas und Louisiana stimmten mehr Wähler für den Kandidaten der Republikaner als noch 2004. In Lamar County in Arkansas gewann John McCain76 Prozent der Stimmen, fünf Prozent mehr als Bush vor vier Jahren. Viele weiße Demokraten in Alabama, Mississippi und Louisiana, die noch 2004 für John Kerry gestimmt hatten, verweigerten Obama ihre Stimme.

Da gehe es um mehr als demokratische und republikanische Werte und Weltbilder, sagen viele Wahlbeobachter, da sei die Rassenfrage der einzig logische Grund. „In manchen Regionen des Südens, aber nicht in allen, mag das Thema Rasse eine starke Rolle gespielt haben“, sagt Merle Black, Professor für Politische Wissenschaft an der Emory University in Atlanta und Experte für die Südstaaten: „In den Staaten Arkansas und Tennessee zum Beispiel, wo nicht so viele Schwarze leben und wo die Demokraten nach dem Ausscheiden von Hillary Clinton kaum noch in Obamas Wahlkampf investiert haben.“ Die Republikaner seien im Süden zwar noch immer stark, betont Black. Acht der elf traditionellen Südstaaten gingen bei den Wahlen immerhin an McCain. „Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Republikaner in der Defensive sind, in den gesamten USA und auch im Süden.“

Tatsächlich hat Barack Obama geschafft, was zuletzt Bill Clinton gelang: die republikanische Hochburg des Südens aufzubrechen. Virginia und North Carolina, viele Jahre fest in republikanischer Hand, wählten demokratisch. Auch der Swing State Florida mit seinem hohen hispanischen Bevölkerungsanteil ging an Obamas Partei. Georgia, seit Jahrzehnten ein solider „red state“, blieb zwar republikanisch, doch fiel das Ergebnis weniger deutlich aus als noch vor vier Jahren: McCain kam in Georgia auf 52 Prozent der Stimmen – 2004 erhielt George W. Bush noch 58 Prozent. „Georgia wird lila“, titelte das Hauptstadtblatt „Atlanta Journal-Constitution“ und meinte damit die Mischung aus rot und blau, den Farben der Republikaner und der Demokraten. Einfache Schnittmuster passen seit dem 4. November nicht mehr, um den Süden zu beschreiben.

Wie im Fall von Stone Mountain zum Beispiel, dem Städtchen, in dem Ed Buren lebt. Ein Ort, in dem viele Schwarze leben. Ein Ort, dem der Bürgerrechtler Martin Luther King einst eine Zeile in seiner berühmten „I have a dream“-Rede widmete: „Let freedom ring from Stone Mountain of Georgia“ (Lasst die Freiheit erklingen von Stone Mountain in Georgia). Der Ort, an dem der methodistische Wanderprediger William J. Simmons im Februar 1915 den rassistischen Geheimbund Ku-Klux-Klan wiederauferstehen ließ. Wo 1981 der bislang letzte von der Polizei registrierte rassistische Lynchmord von Mitgliedern des Klans verübt wurde. Wo bis heute einmal im Jahr mit der Konföderiertenflagge ins Zentrum des Dorfes marschiert wird. All das steht nicht in den Prospekten, die die Stadt Stone Mountain mit ihrem gigantischen Granitfelsen und dem gleichnamigen Park als freundliches Ausflugsziel preisen.

Stone Mountain ist aber auch der Ort, wo 80 Prozent der Bürger Obama wählten. Und dessen Stadtvertreter sich seit Langem von der rassistischen Vergangenheit distanzieren. Ed Buren steht in Stone Mountain auf verlorenem Posten.

Zwar stimmten nach einer Erhebung der „New York Times“ weniger als ein Drittel aller weißen Wähler im Süden für Obama – im Vergleich zu 43 Prozent in den gesamten USA. Dieser Trend mag angesichts von Obamas Hautfarbe deutlicher ausgefallen sein, aber er ist nicht grundsätzlich neu. Neu ist hingegen, dass die Demokraten im Süden in Zukunft immer weniger auf die Stimmen der weißen Wähler angewiesen sein werden. „Mittlerweile machen Afroamerikaner, Latinos und andere ethnische Gruppen 30 Prozent der Wählerschaft im Süden aus“, sagt Politikwissenschaftler Black. Vor 20 Jahren waren es zehn Prozent weniger. „Die größte Veränderung im Süden ist die wachsende ethnische, rassische und soziale Vielfalt.“ Die macht es für die Republikaner zunehmend schwer, den Süden als geschlossenen Block zurückzuerobern.

Ethnische, politische und soziale Vielfalt ist es auch, die das künftige Kabinett von Barack Obama prägt. Eine Entwicklung, die Ed Buren mit tiefer Abscheu betrachtet – all die „Schwarzen, Latinos, Asiaten und Frauen“, die Obama in „seine Truppe“ hole. „Wer kümmert sich da noch um uns anständige, weiße Amerikaner?“ Dann wischt er sich den Mund ab, die Wurstplatte ist bewältigt. Im Aufstehen sagt er, leise: „Na, ja, hoffentlich dauert dieser Zauber nicht lange.“ Was er damit genau meint, will er nicht sagen. Er winkt nur wütend ab. Aber dann schaut er sich doch noch einmal um, bevor er den Raum verlässt, sicher ist sicher. Denn schließlich hat Ed Buren noch immer Angst vorm schwarzen Mann.

Sie träumen von einer unabhängigen Republik der Südstaaten und lehnen Obama als schwarzen Präsidenten kategorisch ab: die „Liga des Südens“, eine Organisation von Nationalisten, die sich gern in die Flagge der Konföderierten hüllen. So zogen sie zum Beispiel gegen eine Gedenkveranstaltung für Martin Luther King im Januar letzten Jahres durch Columbia in South Carolina.

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