Obama Has One Chance – And Very Little Time

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Obama hat nur eine Chance und wenig Zeit

Donnerstag, 22. Januar 2009 02:51 – Von Michael Stürmer

Das Hochamt auf den Stufen des Kapitols ist verklungen, die Kavalkade ist via Pennsylvania Avenue im Weißen Haus angekommen, der letzte Tanz wurde zu später Stunde mit der First Lady getanzt. Es beginnt, was Millionen Amerikaner und die halbe Welt für eine neue Ära halten. Auf Obama lasten ungeheure Erwartungen, weit über die USA hinaus.

Er müsste ein Wundertäter sein, ihnen allen gerecht zu werden. Er hat keine Zeit zu verlieren und muss klare Prioritäten setzen, während die Krisen Amerikas und der Welt einander überholen. Tatsächlich hat der 47-Jährige wenig administrative Erfahrung – außer als Herausgeber einer juristischen Zeitschrift. Deshalb hat er auch im Wahlkampf nicht auf Erfahrung gesetzt, sondern auf Erneuerung. To remake America: Das war Kernsatz seiner Rede nach dem Amtseid – was keiner Übersetzung bedarf.

Den ersten Tag im Oval Office, dem traditionellen Machtzentrum im Weißen Haus, hat er im fliegenden Start gestaltet und, was Innen- und Außenwirkung angeht, sehr bewusst die Akzente gesetzt. Zuerst einmal wurden alle Verordnungen der Bush-Administration, soweit noch nicht umgesetzt, vom Stabschef des Weißen Hauses angehalten: Man wird sie prüfen. Dann wurde, dem Antrag des Verteidigungsministers Robert Gates folgend, die Militärgerichtsbarkeit in Guantánamo für 120 Tage ausgesetzt, um rechtlich einwandfreie Lösungen zu finden und Amerika vom Ruch der Willkürjustiz zu befreien.

Im Wahlkampf hatte Obama versprochen, binnen 16 Monaten für Irak eine “verantwortliche” Lösung zu finden: Was jetzt bedeutet, kein schwarzes Loch zu hinterlassen und trotz Rückzug die Stellung der USA als Vormacht des Mittleren Ostens zu bewahren. Einfach wird das nicht. Dafür waren die Generalstabschefs aller vier Teilstreitkräfte ins Weiße Haus geladen. Wenn sie klug sind, so hatten sie schon Planungen in der Tasche, als sie vorfuhren. Sie hatten zehn Wochen Zeit. Der neue Commander in Chief ist ungeduldig und zeigt es auch.

Gleiches gilt für die Finanz- und Vertrauenskrise, die die amerikanische Wirtschaft und die Welt heimsucht. Obama weiß, dass die Rezession weitergehen kann und wird und dass Reden allein sie nicht eindämmen können. Er weiß aber auch, dass es um Zuversicht und Vertrauen geht. Er muss deshalb die richtige Mischung zwischen harten Eingriffen und Erzeugung von Vertrauen finden: Dafür sucht er sichtbar Rat bei den Spitzen der Wirtschaft. Wie er in der Rede nach der Inauguration sagte: Der Markt ist das beste System, aber er bedarf der maßvollen Regulierung.

Normalerweise dauert es viele Monate, bis eine neue Administration im Sattel sitzt. Es gilt, mehr als 3000 Positionen zu füllen. Die Spitzen müssen Anhörungen im Senat durchlaufen, wo ihnen nichts geschenkt wird. Die wichtigsten Minister sind benannt. Aber es fehlt noch am notwendigen Unterbau.

Eile langsam – sagten die Römer. Das gilt auch für Obama. Er hat nur eine einzige Chance. Er muss schnell handeln und doch gründlich nachdenken. Dass ihm das glückt, erhofft Amerika, erhofft die Welt.

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