Rethinking the Middle East

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Nahost neu denken

von Rafael Seligmann, Chefredakteur/ Autor

26.01.2009 – 11.02 Uhr

Eine Stabilität im nahen Osten ohne die aktive Unterstützung der Saudis und USA ist nicht nur höchst unwahrscheinlich sondern undenkbar.

Die vom Gaza-Streifen ausgehende Eskalation hat Jerusalem gelehrt, dass der Versuch einer isolierten Übereinkunft mit der Führung der Palästinenser vergeblich ist. Um relative Stabilität zu erzielen – Friede ist nach einem Jahrhundert Krieg kurzfristig unerreichbar –, sollte sich die Politik darauf konzentrieren, eine breite und machtvolle Staatenkoalition zustande zu bringen, die zur Entschärfung des Konfliktes entschlossen ist. Selbst die solitäre Kraft der Vereinigten Staaten reicht nicht aus. Washington könnte diese Macht lediglich in Verbindung mit einem starken regionalen Partner ausüben. Dies ist, anders als von Kairo apostrophiert, nicht Ägypten, sondern Saudi-Arabien.

Die neue US-Regierung muss ihre Priorität auf eine wirtschaftliche Erholung legen. Voraussetzung hierfür ist globale Stabilität. Ein entscheidender Verbündeter Washingtons ist dabei die saudische Monarchie – nicht allein, weil Riad größter Erdölexporteur ist. Lange hat das wahabitische Königreich mit milliardenhohen Transferleistungen radikale Kräfte in der islamischen Welt unterstützt. Dies galt als eine Art Lösegeld, um sich Frieden erkaufen zu können. Spätestens seit iranische Pilger und radikale islamistische Untergrundorganisationen wie Al Kaida aktiv den Sturz der Monarchie auf der arabischen Halbinsel betreiben, hat man jedoch in Riad erkannt, dass nicht der zionistische Staat der entscheidende Feind ist. „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“, heißt die Einsicht der Saudis. Sie fordern von Jerusalem den Rückzug aus allen besetzten Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalems, einen palästinensischen Staat und ein Rückkehrrecht für dessen Flüchtlinge. Im Gegenzug offerieren sie Israel eine Anerkennung seiner Existenz durch alle arabischen Länder. Der Streitpunkt des Rückkehrrechts der Flüchtlinge ließe sich finanziell kompensieren.

Die Perspektive einer Übereinkunft

Barack Obama und seine Außenministerin Hillary Clinton brauchen diesen Stabilisierungserfolg. Diese realpolitische Allianz kann auch zu einer Lösung des Konflikts mit den Palästinensern beitragen: durch die Neutralisierung Syriens sowie mittels Isolierung der radikalen Islamisten wie der Hamas und der libanesischen Hizbollah von deren Hinterleuten in Iran. Zum anderen durch die realistische Aussicht auf einen eigenen Staat, der politisch stabilisiert und wirtschaftlich durch die Ölländer gefördert würde. Die Palästinenser haben die bestausgebildete Bevölkerung in der arabischen Welt.

Die Perspektive einer amerikanisch-saudisch-israelischen Übereinkunft enthält viele Unwägbarkeiten. Doch die Kräfte der Stabilität besitzen aufgrund der gegenwärtigen Konstellation erstmals seit Jahren eine realistische Aussicht. Die Chance sollte genutzt werden.

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