Obama’s Implacable Opposition

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Obamas unversöhnliche Opposition

Von Martin Klingst, Washington D.C. | © ZEIT ONLINE 29.1.2009 – 19:25 Uhr

Kein einziger Republikaner hat für den milliardenschweren Rettungsplan des US-Präsidenten gestimmt. Die Konservativen wollen am liebsten zurück in die achtziger Jahre

War am Ende alles vergebliche Liebesmüh? Um die Opposition auf seinen 820 Milliarden Dollar schweren Rettungsplan für die Wirtschaft einzustimmen und um vor der ersten Abstimmung so viele konservative Abgeordnete wie möglich in sein Lager hinüberzuziehen, hatte Barack Obama die Republikaner im Kongress tagelang umgarnt und umschmeichelt. Am Abend vor seiner Vereidigung lud er zu einem Festmahl für seinen Konkurrenten John McCain, in der ersten Amtswoche bat er namhafte Konservative ins Weiße Haus, er ließ seine engsten Wirtschaftsberater und seinen Stabschef werbend ausschwärmen und erstattete dem Kongress selber Besuch, um sich mit ihm grundsätzlich gewogenen republikanischen Senatoren und Abgeordneten auszutauschen.

Doch die vielen Schmeicheleinheiten halfen nicht, kein einziger republikanischer Parlamentarier stimmte am Mittwoch dem Rettungsplan zu, selbst elf Demokraten gingen von der Fahne. Obamas Abstimmungssieg (244 zu 188) ist allein der gewaltigen demokratischen Übermacht im Abgeordnetenhaus zu verdanken. So hatte sich der neue Präsident seinen Auftakt im Kongress nicht vorgestellt, schließlich ist er mit dem Versprechen angetreten, politische Gräben zuzuschütten und seine Politik auf breite, parteiübergreifende Mehrheiten zu gründen. Doch am Mittwoch blieben die alten Fronten unverrückt, standen sich Republikaner und Demokraten scheinbar wie eh und je unversöhnlich gegenüber.

Dennoch – es ist viel zu früh, von einem ersten Scheitern der neuen Versöhnungspolitik zu sprechen. Jetzt haben erst einmal die Senatoren das Wort und in ihrem Gremium verlaufen die Konfliktlinien nicht so deutlich. Gut möglich, dass sie den Rettungsplan an einigen Stellen ergänzen und ändern und so den Abgeordneten die Chance einräumen, bei einem erneuten Votum anders abzustimmen.

Außerdem steht die zweite Wochenhälfte ganz im Licht der republikanischen Erneuerung. Die Konservativen treffen sich im Washingtoner Hilton Hotel, um einen neuen Vorsitzenden zu küren und zu beraten, wie es mit ihnen in den nächsten Jahren weitergehen soll. Obamas Rettungsplan kommt da eigentlich zum falschen Zeitpunkt. Denn er rührt gewaltig am republikanischen Selbstverständnis und stellt viele liebgewonnene Glaubenssätze auf den Kopf. Schon der 700 Milliarden Dollar teure Sanierungsplan für die Finanzindustrie, noch unter George W. Bush entworfen, traf die meisten Republikaner ins Mark. Schließlich hatten sie ihrem Wahlvolk jahrzehntelang gepredigt, dass der Staat sich aus der Wirtschaft heraushalten solle, dass der Markt sich am besten selber regulieren könne, dass Regierungseinmischung nur Chaos stifte, den Verwaltungsapparat aufblähe und schnurstracks in den Sozialismus führe.

Obamas Rettungsplan stellt nun wieder die Gewissensfrage. Die meisten Republikaner lebten bislang in der Überzeugung, allein Steuersenkungen kurbelten die Wirtschaft an. Je mehr Geld der Bürger und die Unternehmen in ihrer Tasche hätten, so ihr Credo, desto mehr würden sie konsumieren und investieren, desto besser gehe es den Familien und den Betrieben. Steuergeld für die Infrastruktur, für Straßenbau und Schulreparaturen, für frühkindliche Erziehung und das Gesundheitswesen, für alternative Energiequellen und den öffentlichen Transport waren und sind für sie immer noch Ausdruck linker Verschwendungssucht und deshalb des Teufels.

Nun ist es ja nicht so, dass republikanische Präsidenten stets als Sparkommissare regierten und den Staat und seine Verwaltung zurückdrängten. Wo sie es selber für sinnvoll erachteten, gaben Ronald Reagan und George W. Bush das hart verdiente Steuergeld der Amerikaner mit beiden Händen aus. Unter beiden wuchs der Regierungsapparat, und beide hinterließen ein gewaltiges Haushaltsdefizit. Theorie und Praxis sind halt zweierlei.

Trotzdem – zu einem Zeitpunkt, da es Amerika und den Republikanern schlecht geht, möchten viele Konservative lieber zurück in eine Zeit, in der es ihrer Partei und den Amerikanern besser ging, am liebsten zurück in die 80er Jahre zu Ronald Reagan und seinem ideologischen Bekenntnis: Staat und Regierung sind nicht die Lösung, sondern das Problem!

Pech nur, dass die Zeit und die Schwierigkeiten darüber hinweggegangen sind. Dass die Republikaner zwar selber den Zwang zur Veränderung spüren, aber zutiefst verunsichert sind und nicht Maß und Mitte finden. Das macht überparteiliches Regieren schwer – und verkompliziert zugleich die Rolle der Republikaner als konstruktive Kontrolleure. Aber Obama und die Opposition stehen ja erst am Anfang der neuen Epoche.

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