Obama’s Wars

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Obamas Kriege

Von Hauke Friederichs | © ZEIT ONLINE 30.1.2009 – 15:59 Uhr

Vom Irak-Einsatz lernen, heißt siegen lernen – so lautet das Motto des US-Militärs für Afghanistan. Die Truppen am Hindukusch werden verstärkt und Paschtunen umworben

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit traf sich der neue Präsident mit einem seiner wichtigsten Generäle. Barack Obama ließ sich von David Petraeus, Befehlshaber des Kommando Mitte, über die Lage in Afghanistan und Irak berichten. Beide Kriege hat George W. Bush begonnen – Obama will sie beenden, ohne dass die USA den Kampf gegen den Terror verloren geben müssen.

Die Situation in Afghanistan verschlechtert sich täglich. Dort sterben mittlerweile mehr US-Soldaten als im Irak. Die USA planen die Truppen mit weiteren 20000 bis 30000 Mann zu verstärken. Wie viele der dann 80000 Soldaten aus den USA und wie viele aus Europa kommen sollen, ist noch offen.

Wie ernst die Lage am Hindukusch ist, belegen zwei unabhängig voneinander veröffentlichte Studien. Das “Center for Strategic and International Studies“ in Washington und das “International Institute for Strategic Studies“ (IISS) in London warnten im Januar vor einem Misserfolg in Afghanistan. “Nur schnelles und entschiedenes Handeln kann verhindern, dass die militärische Situation noch schlechter wird“, schreibt der amerikanische Thinktank. Und IISS-Chef John Chipman sagte: “Die westliche Intervention in Afghanistan ist am Wanken.”

Obama setzt nun auf eine neue Strategie in Afghanistan: Mehr Soldaten sollen für einen effektiveren Schutz der Bevölkerung vor Gewalt sorgen – denn jede Bombe, jedes Attentat untergräbt die Autorität der Regierung in Kabul. Zudem sollen die Aufgaben für das Militär verringert werden, die Soldaten müssen künftig wahrscheinlich nicht mehr gleichzeitig gegen al-Qaida, aufständische Paschtunen, Taliban, Drogenbarone und Schmuggler vorgehen. Denn paschtunische Stämme sollen zum Kampf gegen die Islamisten gewonnen werden.

Die USA wollen ihre Truppen im Irak massiv reduzieren, um sie gleichzeitig in Afghanistan aufzustocken. Unter George W. Bush hatten Militärs geklagt, dass Afghanistan vernachlässigt werde. Die Herausforderung sei dort größer als in Irak, sagten sie hinter vorgehaltener Hand. Bereits im Wahlkampf hatte Obama den Krieg in Irak als „Ablenkung von den wahren Konfliktherden“ in Afghanistan und Pakistan bezeichnet. Er kündigte einen Rückzug aus Irak innerhalb von 18 Monaten an.

Mit Petraeus sprach der Präsident auch über Pakistan. Dorthin ziehen sich Taliban und Terroristen zurück, in den Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan befinden sich Ausbildungslager und Waffendepots. Unter der Regierung Bush griff die US-Armee zuletzt mehrfach Ziele in Pakistan mit Raketen an. Pakistan protestierte gegen die Verletzung seiner Hoheitsrechte, die Beziehung zwischen den beiden Staaten verschlechterte sich. “Afghanistan und Pakistan sind zu einem gemeinsamen Problem geworden“, sagte Petraeus jüngst. Obama will das Verhältnis zur Regierung in Islamabad nun wieder verbessern.

Und auch die Afghanistan-Strategie wollen Obama und seine Berater verändern. George W. Bush und seine Administration stützten stets den afghanischen Präsidenten Hamid Karzai, obwohl dieser längst an Rückhalt in der Bevölkerung verloren hatte und selbst unter den Anführern der Paschtunen, seiner eigenen Volksgruppe, umstritten ist. “Bürgermeister von Kabul“ nennen ihn Provinzfürsten spöttisch. Die Macht außerhalb der Hauptstadt haben Stammesälteste, Kriegsherren und Taliban-Kommandeure. Gerüchte aus dem Weißen Haus und dem Pentagon sagen, dass die amerikanischen Diplomaten nach einem Nachfolger für Karzai Ausschau halten.

Außenpolitisch hat Obama bereits mit der Politik seines Vorgängers gebrochen. Sein erstes Interview als Präsident gab er dem arabischen Nachrichtensender Al-Dschasira. Seine Botschaft war klar: Amerika redet wieder mit den Muslimen. Barack Obama kündigte die Schließung von Guantánamo und einen langfristigen Rückzug aus dem Irak an.

Dort hatte General Petraeus mit einer geänderten Strategie für eine verbesserte Sicherheitslage gesorgt: Amerikanische Soldaten gingen mit Irakern gemeinsam auf Patrouille, sie gaben die Verantwortung für Kontrollposten ab, suchten sich Verbündete unter den sunnitischen Milizen. Das überarbeitete Feldhandbuch für die Aufstandsbekämpfung definierte die Aufgabe der Soldaten nun als „bewaffnete Sozialarbeit“. In einigen Regionen haben die Alliierten bereits die Verantwortung für die Sicherheit ganz an die Iraker abgegeben.

Nun soll die Petraeus-Taktik auf Afghanistan übertragen werden. Der 56-jährige General, der an einer Elite-Universität in Politikwissenschaft promovierte, steht für eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Machthabern. Doch Irak und Afghanistan lassen sich nur bedingt vergleichen – dass der Einsatz dort noch lange dauern und große Opfer fordern könnte, erfuhr der Präsident erneut am Mittwoch bei seinem ersten Besuch im Pentagon. “Wir werden unverzüglich rund um Irak und Afghanistan einige schwierige Entscheidungen treffen müssen”, sagte Obama anschließend. Mit “Wir” meinte er auch die NATO-Partner. Spätestens auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar wird Europa erfahren, was die neue US-Regierung von ihren Alliierten erwartet.

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