06. Februar 2009
45. Sicherheitskonferenz
Munition für Debatten
VON THOMAS KRÖTER
“I am not convinced.” So heißt das Buch, in dem Joschka demnächst die rot-grünen Jahre und den Irak-Krieg beschreibt. “Ich bin nicht überzeugt.” Mit diesem Satz antwortete der deutsche Außenminister 2003 dem US-Verteidigungsminister. “Diplomacy has been exhausted”, hatte Donald Rumsfeld erklärt, und den Krieg seines Landes gegen den Irak gerechtfertigt. “Die Diplomatie hat sich erschöpft.” Knisternde Spannung im edlen Hotel Bayerischer Hof bei diesem transatlantischen Zusammenstoß. In solch seltenen Momenten werden politische Prozesse auf den Punkt gebracht.
Weil sie hier geschehen können, pilgern in diesem Jahr schon zum 45. Mal Hunderte von Politikern und Publizisten zur internationalen Sicherheitskonferenz nach München. 2003 vertiefte sich der Graben zwischen den USA und wichtigen Ländern Europas. Sechs Jahre später stehen alle Zeichen auf Brückenschlag.
Ex-Präsident George W. Bush ist auf seiner Ranch, Donald Rumsfeld schon vorher abgetreten – der Protagonist des “Kalten Krieges” zwischen den Verbündeten USA und Europa. Der neue US-Präsident will einen Neuanfang in der Politik gegenüber den Verbündeten, aber auch gegenüber tatsächlichen und potenziellen Gegnern.
Sicherheits-Zone
Münchens Innenstadt wird am Wochenende zur Festung: Wenn im Hotel Bayerischer Hof die Sicherheitskonferenz tagt, herrschen strikte Sicherheitsvorkehrungen. Aus ganz Deutschland werden Polizisten zusammengezogen. Bereits auf der Zufahrt nach München auf den Autobahnen wird es Kontrollen geben.
Zu Gegendemonstrationen und -veranstaltungen erwartet die Polizei rund 5000 friedliche und 400 gewaltbereite Antimilitaristen. Am Samstag wollen Nato-Gegner einen großen Protestmarsch in der Innenstadt veranstalten. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hat Barack Obama in einem Interview für einen arabischen TV-Sender die Öffnung gegenüber der arabischen Welt propagiert. Demnächst wird er beim transatlantischen Gipfeltreffen zum 60. Geburtstag der Nato die große Bündnisgeste in Europa machen.
Ein Vorgeschmack darauf wird am Wochenende in München erwartet. Vizepräsident Joe Biden führt die US-Delegation an. Der frühere Senator ist einer der erfahrensten Außenpolitiker im US-Parlament. Schon die Tatsache, dass er, und nicht wie sonst der Verteidigungsminister, an der Spitze der amerikanische Delegation steht, ist ein Signal. Amerikanische Führung will auch der neue US-Präsident. Daran hat er keinen Zweifel gelassen. Aber es soll ein neues Zeitalter des Multilateralismus anbrechen – internationale Zusammenarbeit statt Washingtoner Alleingänge.
Die Konferenz, ursprünglich eine Privatinitiative des Münchener Verlegers und Publizisten Ewald von Kleist, ist dafür kein schlechtes Forum. Die Innenstadt der bayerischen Metropole ist zwar nicht so lauschig wie Davos, zumal sie wegen der ebenfalls angereisten Demonstranten alle Jahre wieder zum Hochsicherheitstrakt umgemodelt wird. Aber von der Karat-Zahl der Teilnehmer und der Möglichkeit auch zu informellen Begegnungen ähnelt der Weltauftrieb der Verteidigungs- und Sicherheitspolitiker durchaus dem Wirtschaftsforum in dem Schweizer Bergen.
Ein Forum des Dialogs war die Veranstaltung nicht immer. Ewald von Kleist zählte während der Nazizeit zwar zum Widerstandskreis der Attentäter des 20. Juli. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber war er ein wackerer Kalter Krieger, der in seiner Zeitschrift “Wehrkunde” ideologisch rüstete gegen alles, was rot und östlich war. Entsprechend der Tonfall der Münchener “Wehrkunde-Tagung”.
Der änderte sich im Laufe der Jahre. Nachdem Horst Teltschik, zuvor Sicherheitsberater von Bundeskanzler Helmut Kohl, die Leitung übernommen hatte, entwickelte sich die Tagung immer mehr zum Dialogforum. Wolfgang Ischinger, der neue Leiter, will dieses Profil weiter schärfen.
So viele illustre Gäste wie 2009 wird er allerdings nicht jedes Jahr haben: Aus den USA kommen außer Biden auch Sicherheitsberater James Jones und der AfghanistanBeauftragte Richard Holbrook, mit dem Ischinger als Diplomat viel für den Frieden auf dem Balkan getan hat. Außerdem werden Kanzlerin Angela Merkel, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und der afghanische Präsident Hamid Karsai erwartet. Was die USA über ihre neue Strategie am Hindukusch sagen, wird eine der spannendsten Fragen sein.
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