America Looks For Advice

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09. Februar 2009

Amerika als Ratsuchender

VON MARKUS DECKER

Der Kontrast zu den Zeiten von Bush könnte größer nicht sein. Die neue Regierung zeigt sich in München selbstkritisch und idealistisch.

Es ist noch nicht lange her, da erschreckte ein amerikanischer Verteidigungsminister namens Donald Rumsfeld die Welt. Er versuchte, die westliche Allianz durch den Verweis “auf einen gemeinsamen Feind” zusammen zu schweißen. Das waren wahlweise El Kaida, die Taliban oder Saddam Hussein. Der neue US-Vizepräsident Joe Biden bekannte auf der 45. Münchner Sicherheitskonferenz: “Wir brauchen Ihren Rat.” Sein Sicherheitsberater James Jones räumte gar Fehler ein. An die Stelle von stupider Machtpolitik und Überheblichkeit sind in Washington Idealismus und Selbstkritik getreten. Der Kontrast könnte nicht größer sein.

Nur: Die Probleme sind damit keineswegs gelöst. Auf Seiten der Alliierten wie auch auf Seiten Russlands würden nun “Positionierungen notwendig”, frohlockte Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die Positionierungen wird es aber so rasch nicht geben – zumal auch die USA bisher wenig Konkretes anzubieten haben. Es ist beiderseits ein großes Tasten. Zwar zeigten sich Deutschland und Frankreich in München selbstbewusst. Ja, sie zeigten sich in Richtung Iran härter als die Gäste von der anderen Seite des Atlantik. Das ist ein irritierender Rollenwechsel. Doch Erfolgsstrategien für die aktuellen Konflikte hatten auch die europäischen Kernmächte nicht anzubieten. Was Deutschland angeht, wird die von Biden erbetene Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen zum Lackmus-Test. Kaum vorstellbar, dass die Große Koalition auf dem starren Nein von Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) beharrt. Nach der Bundestagswahl werden die USA auch um mehr Soldaten für Afghanistan bitten. Und sie bekommen.

Die Konflikte in Afghanistan. Pakistan und mit dem nach Atomwaffen strebenden Iran sind objektiv schwer zu lösen – wiewohl erfreulich ist, dass die USA am Hindukusch einen Paradigmenwechsel hin zu mehr zivilem Wiederaufbau einleiten wollen. Dort hat der Westen in zentralen Bereichen sieben Jahre verloren. Erst jetzt machen sich die Bündnis-Staaten ernsthaft Gedanken darüber, wie sie ihre Hilfen besser koordinieren können. Mit der Bekämpfung des Drogenanbaus und der Korruption beginnen sie praktisch bei Null. Unterdessen wachsen die Zweifel, ob man auf den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai weiter bauen kann. Er hat auf der Konferenz keinen überzeugenden Eindruck gemacht. Im Sommer finden in Afghanistan Präsidentschaftswahlen statt.

Auch beim Thema Iran ist ungewiss, wohin die Reise geht. Das zeigte sich bei der Analyse des Vortrags, den der iranische Parlamentspräsident Ali Laridschani in München hielt. Der US-Sicherheitsberater sah ermutigende Zeichen. Steinmeier konstatierte “viel alte Sprache”. Auch im Iran wird im Sommer ein Präsident gewählt. Viel deutet darauf hin, dass die USA den günstigsten Zeitpunkt für Gespräche auf höchster Ebene abwarten wollen. Bleibt die Mullahrepublik hart, steuert die Welt auf einen heißen Konflikt zu, der die globale Szenerie schlagartig ändern könnte.

Idealismus ist eine gute Voraussetzung für Gespräche. Aber die Wirklichkeit gehorcht ihm selten widerstandslos. Die beherrschenden Themen dieser Sicherheitskonferenz werden auch die beherrschenden Themen der nächsten sein. Alles andere wäre ein Wunder.

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