Washingtons Plan steht noch aus
VON DIETMAR OSTERMANN
Unterstützung für Präsident Karsai schwindet / Kritiker warnen vor einer Warlord-Strategie
Washington. Beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Krakau muss der Gast aus Washington die Kollegen noch vertrösten. Pentagonchef Robert Gates war über den Atlantik gekommen, um die Alliierten zu einem größeren Engagement in Afghanistan zu drängen. Doch wie genau die USA das Kriegsglück am Hindukusch wenden wollen, kann Gates der Runde nicht erklären – Washingtons mit Spannung erwartete neue Afghanistan-Strategie ist noch in Arbeit.
Auch in der US-Hauptstadt wird eingeräumt, dass die Regierung von Präsident Barack Obama damit in gewisser Weise das Pferd von hinten aufzäumt: Noch gibt es keinen Plan, schon aber ist die Entsendung von 17 000 weiteren US-Soldaten nach Afghanistan beschlossene Sache, werden auch die Verbündeten gedrängt, ihr Engagement – militärisch wie zivil – aufzustocken. Im Weißen Haus heißt es dazu, einerseits gelte es keine Zeit zu verlieren, andererseits wolle man sich bei der Überprüfung der Kriegsstrategie nicht unter Druck setzen lassen. Lieber richtig als schnell, lautet die Devise. Die bisherige Strategie gilt als gescheitert. Nicht mehr den Irak, sondern Afghanistan nennt Gates heute die “größte militärische Herausforderung”.
Grundzüge des neuen Ansatzes immerhin sind erkennbar. Schon im Wahlkampf hatte Obama die Entsendung von zwei zusätzlichen Kampfbrigaden nach Afghanistan angekündigt. Diese Woche hat er sogar 17 000 Mann in Marsch gesetzt. Weitere dürften folgen: Obamas Generäle wollen die derzeit 36 000 US-Soldaten im Land nahezu verdoppeln. US-Kommandeur David McKiernan kündigte an, das neue Truppenniveau solle drei, vier oder fünf Jahre gehalten werden.
Politische Lösung gesucht
Im Gegensatz zu Vorgänger George W. Bush aber will Obama den Krieg nicht mehr auf dem Schlachtfeld gewinnen. Was Afghanistan brauche, sei letztlich eine politische Lösung, lautet das neue Mantra in Washington. Dieser Einsicht entspricht das weit gefasste Mandat des neuen Sonderbeauftragten Richard Holbrooke für eine Region, die jetzt in Washington “AfPak” heißt – Afghanistan und Pakistan. Klar werden aber muss sich Washington zunächst darüber, welche strategischen Ziele die USA künftig am Hindukusch überhaupt verfolgen.
Die USA überdenken auch ihre Unterstützung für den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai. Obamas Vize Joe Biden hat Karsai wissen lassen, man erwarte mehr von ihm, vor allem im Kampf gegen Korruption und Drogenschmuggel. Eine der wichtigsten Fragen für Washingtons Strategen ist, ob man bei der für August angesetzten afghanischen Präsidentschaftswahl Karsai unterstützen soll – und wer als Alternative in Frage käme. Ebenfalls heikel sind Überlegungen, statt auf eine Stärkung der Zentralregierung verstärkt auf lokale Machteliten zu setzen. Als Vorbild gilt der Irak, wo die USA sunnitische Stammesmilizen aufrüsteten. Kritiker warnen vor unkalkulierbaren Risiken einer solchen Warlord-Strategie.
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