Obama Flirts With the Bush Line

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Obama liebäugelt mit der Bush-Linie

Von Christoph von Marschall, Washington | © ZEIT ONLINE, Tagesspiegel 23.02.2009

Guantánamo und Bushs Verhörmethoden hat er strikt bekämpft – nun mehren sich die Anzeichen, dass US-Präsident Obamas Anti-Terrorpolitik Bush-ähnlicher wird als erwartet

Die Positionen und Versprechen im Wahlkampf schienen glasklar zu sein. Barack Obama erklärte viele Methoden des damaligen Präsidenten George W. Bush im Kampf gegen den Terror für rechtswidrig. Das Gefangenenlager Guantánamo nannte er eine Schande und kündigte an, es zu schließen. Er griff die Politik an, Terrorverdächtigen in US-Gewahrsam außerhalb der USA die juristischen Einspruchsmöglichkeiten zu verweigern, und sprach empört über Versuche Bushs, die Verfahren wegen eventueller Rechtsbrüche durch Staatsbedienstete zu verhindern, indem er für sie das „executive privilege“ beanspruchte. In der Praxis bedeutet das die Verhinderung von Gerichtsverfahren, weil sie Staatsgeheimnisse bedrohen würden, die einen höheren Rang im nationalen Interesse einnehmen.

Seit Obama Präsident ist, sind die Signale doppeldeutig. Er stoppte die umstrittenen Verfahren gegen Terrorangeklagte vor Militärtribunalen in Guantánamo. Er ordnete die Ausarbeitung eines Plans an, wie das Gefängnis innerhalb eines Jahres geschlossen werden könnte. Am vergangenen Freitag durfte mit dem britischen Staatsbürger Binyam Mohammed der erste Guantánamo-Gefangene seit Obamas Amtsantritt den Komplex auf dem kubanischen US-Stützpunkt verlassen. Er wurde an britische Behörden übergeben. Die USA hatten ihm vorgeworfen, er plane einen Anschlag mit einer radioaktiven „schmutzigen Bombe“, kamen aber schon im Oktober zum Schluss, dass sie keine ausreichenden Beweise haben.

Ähnlichkeiten mit Bush

In den jüngsten Tagen häufen sich jedoch Hinweise, dass Obamas Anti-Terror-Politik am Ende Bush-ähnlicher ausfallen könnte als erwartet. An seinem zweiten Amtstag hatte der neue Präsident einen Sachbericht über die Zustände in Guantánamo in Auftrag gegeben. Offiziell soll er in dieser Woche bekannt gemacht werden. Nach Informationen der „New York Times“ kommt der Bericht zu dem Schluss, die Haftbedingungen stünden im Einklang mit den Genfer Konventionen. Und er legt die Warnung nahe, bei einer Schließung Guantánamos und der Verlegung der Insassen in andere Gefängnisse könnten sich ihre Lebensverhältnisse verschlechtern.

Autor des Berichts ist Admiral Patrick Walsh, Vizechef der Navy-Operationen, in deren Verantwortungsbereich der Marinestützpunkt Guantánamo fällt. In dem Report geht Walsh Vorwürfen von Menschenrechtsverletzungen nach wie Einzelhaft oder Zwangsernährung von Gefangenen im Hungerstreik und macht Vorschläge für praktische Verbesserungen im Alltag, voran erleichterte Begegnung und Kommunikation der Insassen. Auffallend ist die Wortwahl. Wo Guantánamo-Kritiker von Isolationshaft reden, formuliert der Bericht, die Gefangenen seien „in Zellen mit Einzelbelegung“ untergebracht. Sie hätten in der Regel die Gelegenheit zu einer Stunde Kommunikation mit anderen Insassen.

Kritik von Menschenrechtsorganisationen

Der Bericht stößt bei Bürgerrechtsorganisationen auf Misstrauen. Rechtsanwältin Gitanjali Gutierrez, die Gefangene vertritt, sagt, seit dem Regierungswechsel habe es keine Verbesserungen in Guantánamo gegeben. Andere argwöhnen, Obamas Regierung bereite eine Debatte vor, die zur längeren Beibehaltung Guantánamos führen solle.

Nach US-Medienberichten wird in der Regierung hinter den Kulissen heftig debattiert, wie viel Wechsel in der Anti-Terror-Politik möglich sei, wenn dies nicht auf Kosten der Sicherheit gehen solle. Umstritten ist auch, welche Behörden in Zukunft den entscheidenden Einfluss nehmen. Solange das Pentagon und speziell die Navy zuständig sind, finden militärische Perspektiven und Sicherheitsargumente mehr Gehör, als wenn das zivil geführte Justizministerium die Federführung hat. Der neue Justizminister Eric Holder gab am Freitag bekannt, er werde eine Sonderabteilung beauftragen, die Fälle der 245 Guantánamo-Insassen zu überprüfen.

Doppeldeutige Signale auch beim Umgang mit Staatsgeheimnissen

Skeptisch verfolgen Bürgerrechtsorganisationen wie die American Civil Liberties Union (ACLU) auch den Umgang mit rund 600 Terrorgefangenen in Afghanistan, die dort im Gefängnis Bagram sitzen. Genau wie Bush mit Blick auf Guantánamo bezieht nun die Obama- Regierung vor Gericht den Standpunkt, da sich das Gefängnis außerhalb der USA befinde, könnten Insassen nicht vor US-Gerichten gegen ihre Inhaftierung klagen. ACLU- Anwalt Jonathan Hafetz, der Betroffene vertritt, erhob jetzt in der „Washington Post“ den Vorwurf: „Die übernehmen damit die Bush-Politik, Gefängnisse außerhalb des Rechtssystems zu schaffen.“

Der US-Supreme-Court hatte Guantánamo-Gefangenen im Laufe der vergangenen drei Jahre schrittweise das Recht zugesprochen, vor amerikanischen Gerichten zu klagen. Unklar ist, ob die Urteile auf US-Gefängnisse in Afghanistan oder im Irak übertragbar sind. Guantánamo ist ein offizieller US-Stützpunkt, Bagram nicht.

Als drittes Indiz für eine härtere Gangart Obamas gilt der Umgang mit Staatsgeheimnissen und dem „executive privilege“, um Staatsbedienstete vor strafrechtlicher Verfolgung für ihre Handlungen im Kampf gegen den Terror zu schützen. Auch da sind die Signale doppeldeutig. Vor einer Woche versprach Justizminister Holder, jeden Fall, in dem Bush sich darauf berufen habe, zu überprüfen. Am selben Tag nahm Regierungsanwalt David Letter dasselbe Privileg vor Gericht in Anspruch, um Boeing vor der Klage zu schützen, der US-Flugzeugbauer habe der CIA bei illegalen Gefangenenflügen geholfen.

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