Obama Wants It All, And He Wants It Now

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Obama will alles – und zwar sofort!

Von Martin Klingst, Washington | © ZEIT ONLINE, dpa, Reuters 25.2.2009 – 10:33 Uhr

Er will die USA umkrempeln. Präsident Obama hat sein gesamtes Programm entfaltet und den Amerikanern versprochen: Das Land wird nach der Krise stärker sein als je zuvor

Es war ein Abend der großen Premieren: Zum ersten Mal sprach Amerikas neuer Präsident vorm Kongress, den Obersten Richtern, dem Kabinett, dem diplomatischen Korps und Millionen Zuschauern vor den Bildschirmen draußen im Land.

Zum ersten Mal in der amerikanischen Geschichte betrat ein schwarzer Präsident diese große Bühne – und erstmals antwortete ihm für die Opposition der Sohn indischer Einwanderer. Auf den Demokraten Barack Obama folgte der Republikaner Bobby Jindal, Gouverneur des Bundesstaates Louisiana.

Damit nicht genug. Zum ersten Mal seit seinem Amtsantritt entfaltete Obama sein gesamtes Programm für die kommenden vier Jahre. Dreieinhalb Millionen Jobs will er schaffen oder bewahren. Bankkredite sollen wieder fließen. Amerika soll unabhängig vom ausländischen Öl und energieeffizienter werden.

Noch in diesem Jahr will der Präsident eine bezahlbare allgemeine Krankenversicherung auf den Weg bringen und das marode Bildungssystem reformieren. Die Sozialsysteme will er fit für die Zukunft machen und bis zum Ende seiner ersten Amtszeit die Staatsschulden halbieren. Die kommenden Generationen könnten und dürften diese Last nicht schultern, rief er in den Saal und erntete dafür sogar begeisterte Hurrarufe der Republikaner.

Lange hielt deren Applaus aber nicht an, denn Obama rügte die Konservativen für die verpasste Chance, Amerika rechtzeitig umzukrempeln. Einen großen Teil der Schulden habe er von ihnen geerbt, klagte er, und nun müsse er sogar weiteres Geld aufnehmen, um wettzumachen, was sie versäumt oder verpatzt hätten.

Ebenfalls in Richtung Republikaner rief der Präsident: Er sei fürwahr kein Anhänger großer Regierungsapparate, aber anders als sie glaube er durchaus daran, dass dem Staat bei der Erneuerung des Landes eine bedeutende Rolle zukomme.

Barack Obama hat sich viel, sehr viel vorgenommen. Alles Wichtige will er gleichzeitig anpacken. Sein Credo: Amerika darf keine Zeit mehr verlieren, und weil alles mit allem zusammenhängt, muss er sich allen Baustellen widmen und sogar neue aufmachen, sonst kommt Amerikas Wirtschaft nicht wieder in Fahrt.

Er ließ keinen Zweifel daran, dass er in den kommenden vier Jahren vor allem eines sein will: Präsident der nationalen Erneuerung. „Wir werden uns reformieren, wir werden uns erholen – und die Vereinigten Staaten werden daraus stärker hervortreten als zuvor.“ Der Außenpolitik widmete er nur wenige Sätze.

Barack Obama war selbstbewusst, zupackend und entschieden. Er sprach seinen Landsleuten Mut zu, verbreitete Zuversicht und appellierte an Gemeinsinn, Opferbereitschaft und persönliche Verantwortung. Immer wieder stellte er Leute im Publikum vor, die selbstlos Großes geleistet hatten. Die Triebfedern einer Gesellschaft seien nicht die Schönen und Berühmten, sagte er, sondern ganz gewöhnliche Menschen, die alles andere als gewöhnlich seien.

Es war eine große, wichtige Rede, das gestanden sogar seine politischen Gegner neidvoll ein. Barack Obama schwebt noch immer auf Wolke sieben. Seine Beliebtheitswerte sind hoch, die Zustimmungswerte für seine Politik ebenfalls. Das Volk mag ihn und vertraut ihm, trotz der täglich neuen Hiobsbotschaften über Pleiten, Entlassungen und Schulden.

Die Republikaner hingegen stecken weiter im Meinungstief. Daran konnte sie am Dienstagabend auch Bobby Jindal, der junge Gouverneur aus Louisiana, nicht befreien. Er ist einer der neuen Hoffnungsträger seiner Partei. Aber solange auch ihm zu Amerikas Schwierigkeiten nur die alten überkommenen konservativen Lösungen einfallen – Steuern runter und Staat kleinhalten – so lange ist mit ihm kein Start zu machen.

Diese Zeit gehört Barack Obama und seinen Demokraten. Vorerst jedenfalls.

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