Obama and the Art of Plain Speaking

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Kommentar

Obama und die Kunst, Grundsätzliches zu sagen

Donnerstag, 26. Februar 2009 02:10 – Von Uli Exner

Das war wieder so ein Tag, wo man ein bisschen neidisch rüberguckt zu den Kollegen in Amerika. Die konnten sich gestern kaum einkriegen vor Begeisterung über ihren Präsidenten und dessen Fähigkeit, seinen Landsleuten gleichzeitig die Leviten zu lesen und eine ordentliche Portion Zuversicht einzuimpfen; die Nation quasi im Alleingang mitzureißen, ohne zu verschweigen, dass jeder einzelne kräftig wird Gas geben müssen in den kommenden Jahren, um überhaupt voranzukommen. “Bewundernswert”, lobt die “Washington Post” Obamas Grundsatzrede. “Mitreißende Visionen” attestiert ihm die “New York Times”. CNN fühlt flink den Puls der US-Bürger und ermittelt, dass 85 Prozent der Befragten nach der Rede optimistischer in die Zukunft blickten als vorher. 85 Prozent.

Das kriegt man bei uns natürlich nicht hin, was auch – aber nicht nur – an der Qualität unseres politischen Führungspersonals liegt. Wir sind eben immer noch ein wenig besser im Meckern als im Feiern, zumindest ausdauernder. Andererseits ist die Lücke, die zwischen Barack Obama und Angela Merkel, Frank-Walter Steinmeier oder dem gestern sehr tapferen Horst Seehofer klafft, so gewaltig, dass man schon mal nachdenklich werden kann. Gibt es das hier eigentlich auch, Leidenschaft? Politische Wucht? Überzeugungskraft? Die Fähigkeit, die Menschen mitzunehmen auch auf unbequeme Wege?

Kleinklein kann ja auch ganz erfolgreich sein. Aber in Zeiten, in denen Weltanschauungen wanken, in denen man bei den wirtschaftspolitischen Passagen der Passauer Aschermittwochsansprachen zuweilen nicht mehr genau weiß, ob man sich nun in einer CSU-Veranstaltung befindet oder doch in einer Delegiertenversammlung der PDS – in solchen Zeiten hätte man es gelegentlich schon gern mal eine Nummer größer.

Wie wär’s zum Beispiel, wenn man auch hierzulande und aller rhetorischer Begrenztheit zum Trotz beginnen würde, Klartext zu reden über die Folgen und Folgerungen der wirtschaftlichen Talfahrt mit ihren diversen Rettungs- und Konjunkturpaketen. Wenn man ernsthaft aufmerksam machen würde auf das, was nun auf uns zukommt. Dass zum Beispiel das Geld, das in diesen Tagen munter unter die Leute gebracht wird, irgendwann auch wieder eingesammelt werden muss. Dass es dann nicht damit getan sein wird, dass Klassengrößen um einen Schüler nach oben gesetzt werden oder die Mehrwertsteuer um einen Punkt. Dass es auch nicht helfen wird, die kalte Progression zu stoppen oder Abwrackprämien auszuloben. Dass eben nicht irgendwie schon wieder zu reparieren sein wird, was gerade kaputt geht – Milliarde für Milliarde.

Es wird sehr grundsätzlich werden in unserer Kompromiss-Republik, es wird um Einschnitte gehen in sehr lieb gewonnene Gewohnheiten, staatliche Leistungen also. Oder, wahlweise, ums “System”, was erst recht nicht aufs Zuckerschlecken hinauslaufen würde. Darauf sollte man die Menschen hinweisen, jetzt, auch in Vorwahlzeiten. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, nicht des rhetorischen Potenzials.

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