The Quest for Charisma

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Auf der Suche nach Strahlkraft

Von Jürgen Krönig, London | © ZEIT ONLINE 2.3.2009 – 19:21 Uhr

Der US-Präsident hat den britischen Premier als ersten europäischen Regierungschef eingeladen. Auf den Männerbund Bush-Blair folgt das ungleiche Duo Obama-Brown

Ronald Reagan und Margaret Thatcher waren ideologisch ein Herz und eine Seele; Tony Blair folgte mit seinem New-Labour-Projekt dem Beispiel, das Bill Clintons “Neue Demokratie” mit ihrer Abkehr von alten Glaubenssätzen der europäischen Sozialdemokratie geliefert hatte.

Clinton riet Blair nach George W. Bushs Wahl allerdings dringend, auch mit dem republikanischen Präsidenten den engen Schulterschluss zu suchen. Was Blair, zum Entsetzen vieler europäischer Kritiker, denn auch tat.

Nun liegt es an Gordon Brown, zu Barack Obama eine Beziehung zu entwickeln, die das Etikett “speziell” verdient. Das Sonderverhältnis zwischen Amerika und Großbritannien wird gerne als britische Illusion verspottet, die von der Unfähigkeit Großbritanniens herrühre, sich mit seiner postimperialen Rolle abzufinden. Doch lässt sich nicht leugnen, dass Geschichte, Kultur, Blut und Sprache für ein besonderes, notwendigerweise ungleichgewichtiges Verhältnis beider Staaten sorgte, das sich nicht zuletzt immer wieder in gemeinsamen militärischen Operationen ausdrückte.

Die Regierung in London hatte in den vergangenen Monaten die Furcht umgetrieben, Obama werde Großbritannien die kalte Schulter zeigen und die “Special Relationship” de facto beenden. Man verwies auf Blairs Rolle im Irakkrieg, gegen den Obama gestimmt hatte; Diplomaten erinnerten beklommen daran, dass Obamas kenianischer Großvater von der britischen Kolonialmacht misshandelt worden sei.

Umso größer die Erleichterung, als klar wurde, dass sich Obama nicht von Ressentiments leiten lässt. So gewann Gordon Brown den europäischen “Schönheitswettbewerb”, der regelmäßig angesichts eines neuen amerikanischen Präsidenten unter europäischen Regierungschefs entbrennt: Er wurde als Erster ins Weiße Haus eingeladen, während Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy, der sich mächtig ins Zeug gelegt hatte, um den Briten den Rang abzulaufen, mit späteren Terminen vorlieb nehmen müssen.

Barack Obama pries nicht nur die “spezielle Partnerschaft” mit Großbritannien. Er bedachte Gordon Brown, der innenpolitisch aus dem letzten Loch pfeift, auch mit der ungewöhnlichen Ehre, ihn zu einer Rede vor beiden Kammern des Kongresses einzuladen.

Die Wendung kommt nicht von ungefähr. Wichtige Figuren der neuen US-Regierung, Finanzminister Timothy Geithner, Larry Summers, Chef des “nationalen ökonomischen Rats”, und Robert Reich, Wirtschaftsberater des Präsidenten, sind seit Jahren mit Brown befreundet und halten nach wie vor große Stücke auf seinen ökononische Sachverstand; auch klingt das Lob des Ökonomen und Nobelpreisträgers Paul Krugman nach, der im vergangenen Herbst in der New York Times schrieb, Brown habe in der Finanzkrise “klug gehandelt” und womöglich durch rasches Handeln “das Finanzsystem der Welt gerettet”.

Das Lob erwies sich als voreilig. Die Lage ist seither noch ernster geworden. Die Krise hat die ganze Welt erfasst. Amerikas Bruttoinlandsprodukt schrumpft nach den neuesten Zahlen noch stärker als befürchtet. Ähnlich düster sieht es in Großbritannien aus, während sich auf dem europäischen Kontinent als Folge der Finanzkrise eine bedrohliche Kluft auftut zwischen west- und osteuropäischen Staaten.

Das amerikanisch-britische Sonderverhältnis wird sich, anders als in der Ära von Bush und Blair, nicht auf den “Krieg gegen den Terror” konzentrieren, wenn gleich auch der weitergehen wird, wie Obama in seiner Inaugurationsrede unmissverständlich klargemacht hat. Vorrangig hat der Kampf gegen die globale Rezession.

Gordon Brown gehört zu den Mitverantwortlichen für die Finanzmisere. Er war der Architekt der “leichtfüßigen Regulierung” und schuf 1997 eine neue, und wie wir heute wissen, unfähige Bankenaufsicht. Doch steht er beim Team Obama im Rufe, zu wissen, was jetzt nottut.

Der Brite wiederum sieht sich als Juniorpartner in einem dynamischen Duo mit einem glamourösen Präsidenten, dessen Glanz, wie er hofft, auf ihn abstrahlen soll. Beide, Obama wie Brown, sind überzeugt davon, dass nun eine klassisch-sozialdemokratische Politik des “Deficit Spending” geboten ist, weshalb sie die Verschuldung ihrer Länder auf Rekordniveau hochtreiben.

Brown wird seine Rede vor dem Kongress dazu nutzen, Amerika vor den Gefahren eines protektionistischen Kurses zu warnen, gemeinsames Handeln zu verlangen und die Notwendigkeit neuer internationale Regulierung zu unterstreichen. Es wird nicht leicht sein, damit durchzudringen. Der Kongress mit seiner demokratischen Mehrheit neigt stärker als zu Bushs Zeiten zur nationalen Nabelschau. Dies hat Europa alarmiert, wie die vergangenen Wochen bewiesen.

Eines hat Brown allerdings nicht geschafft, nämlich den Schatten seines Vorgängers loszuwerden. Tony Blair war, wie der Igel beim Wettlauf mit dem Hasen, schon da. Er traf Obama in Washington, beide verstanden sich blendend und haben dem Vernehmen nach sogar miteinander gebetet.

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