Was Barack Obama von Dmitri Medwedjew will
(41) Von Torsten Krauel 3. März 2009
Ganz sicher hat US-Präsident Obama seinem russischen Amtskollegen nicht angeboten, auf die Raketenabwehr zu verzichten. Eine engere Kooperation mit Moskau wünscht er sich aber schon. Für Obama ist der Dialog wichtig, um seine außenpolitische Agenda umzusetzen – von Iran bis Afghanistan.
Präsident Barack Obamas mögliches Angebot an Russland, die mitteleuropäische Raketenabwehr gegen den Iran nicht zu stationieren, könnte als Erwiderung auf eine Drohung Moskaus verstanden werden. Russlands damaliger Verteidigungsminister Sergej Iwanow hatte Anfang Juli 2007 angedeutet, Moskau werde Kurzstreckenraketen im Gebiet Königsberg aufstellen, sollte Washington mit den Stationierungsplänen fortfahren. Präsident Dmitri Medwedjew hatte die Drohung am 5. November 2008, einen Tag nach Obamas Wahlsieg, wiederholt.
Medwedjews Äußerung war die spezifisch russische Variante der Aufforderung, die künftige Politik zu konkretisieren. Obama hatte im Wahlkampf genügend Signale für eine Neuordnung der Beziehungen gesandt, um das Interesse Medwedjews und auch Wladimir Putins zu wecken. Die abermalige Drohung besagte: Eine Neuordnung ohne nochmalige Gespräche über die Raketenabwehr wird es nicht geben. Das stand vermutlich auch in dem Brief, den Medwedjew an den neuen amerikanischen Präsidenten richtete und auf den dieser vor drei Wochen antwortete.
Der Wunsch nach einer Präzisierung entsprang der Analyse der Äußerungen Obamas. Am 15. Juli vergangenen Jahres hatte der Kandidat in einer Grundsatzrede gesagt; „Statt Russland aus der G 8 zu werfen“ – der Gruppe der weltgrößten Industrienationen; der Hinauswurf war eine Drohung des Gegenkandidaten John McCain – „sollten wir mit Russland kooperieren, um die Alarmstufe bei unseren Atomwaffen abzusenken; um unsere Bestände an Raketen und Sprengköpfen dramatisch zu verringern; um die Herstellung von Spaltmaterial und Sprengköpfen weltweit zu verbieten; und um den russisch-amerikanischen Vertrag zur Abschaffung von Mittelstreckenraketen zu einer weltweiten Vereinbarung auszuweiten. Wenn wir unsere Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag ernst nehmen, können wir Länder wie Nordkorea oder Iran eher dazu drängen, es ebenfalls zu tun. Besonders gegenüber dem Iran erhalten wir so mehr Hebelkraft und Glaubwürdigkeit.“
Über die Raketenabwehr hatte Obama geschwiegen. Wenige Tage später hatte er in seiner Berliner Rede einschränkend gesagt, er wolle mit Russland zusammenarbeiten, „wo das möglich ist“.
Einen „Verzicht“ auf die Raketenabwehr habe Obama nicht angeboten, sagte nun eine Sprecherin des Kremls. Gewiss hat Obama das nicht getan – das wäre eine einseitige Vorleistung gewesen. Im Rahmen eines Fahrplans hingegen, wie ihn Obama Mitte Juli umriss, würde die Raketenabwehr überflüssig. Es gibt viele Hinweise, dass Washington diese Haltung Moskau und auch den Nato-Alliierten übermittelt hat.
Medwedjew hat über die Raketenabwehr hinaus weitere Signale senden lassen, dass Russland es mit einer Neuordnung ernst meine, dass es aber auch über eigene Druckmittel verfügt, um eine Neuordnung zu erzwingen. Binnen weniger Wochen schränkten die mit Russland verbündeten GUS-Republiken den Nachschubweg nach Afghanistan ein, indem sie die Nutzung von Luftbasen untersagten. Das ging einher mit russischen Hilfszusagen. Vor der Vereidigung Obamas hatte sich auch Pakistan ähnlich verhalten. Es hatte mehrmals den Khyber-Pass gesperrt, angeblich aufgrund der Sicherheitslage. Der Pass war bisher der einzige Landweg für die Versorgung der US-Truppen. Solche Druckmittel vorzuführen gehört zur Diplomatie.
Am Dienstag verkündete Russland nun, es öffne den Eisenbahnweg für nichtmilitärischen Nachschub an den Hindukusch. Das ist als positives Signal von Bedeutung, weil die USA den Nachschub in den baltischen Natostaaten anlanden, und von dort über Russland und Usbekistan nach Afghanistan leiten. Die Nato-Mitgliedschaft der baltischen Staaten hatte Moskau hart kritisiert. Medwedjews Entschluss, Amerika nun die baltischen Nato-Häfen nutzen zu lassen, besagt: Vieles ist möglich, wenn Kooperation an erster Stelle steht.
Die Raketenabwehr in Polen und Tschechien wird zur Disposition stehen, wenn Russland und die USA beim Iran tatsächlich zu einer gemeinsamen Haltung finden. Russland wird viele Themen im Vorfeld zur Sprache bringen – Kosovo, Ukraine, Georgien. Moskau möchte die Einkreisungspolitik stoppen. Washington sucht finanzielle Entlastung bei unnötigen Krisenherden. Beide Seiten haben gute Gründe, sich zu einigen.
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