Amerikas Zeitungen kämpfen ums Überleben
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In den Vereinigten Staaten gehen die Zeitungen ein. Die Zahl der Leser schrumpft, das Anzeigengeschäft bricht ein.
Andreas Mink, New York
Die amerikanische Presse sorgt für schlechte Nachrichten. Am vergangenen Freitag hat nach hundert Jahren die «Rocky Mountains News» in Denver ihr Erscheinen eingestellt. Kurz zuvor haben der «Philadelphia Inquirer» und die Journal Register Company Zahlungsunfähigkeit angemeldet.
1829 gegründet und mit 15 Pulitzerpreisen ausgezeichnet, ist der «Inquirer» nicht nur die drittälteste Zeitung der USA, sondern auch eine der renommiertesten. Die Zeitung wurde 2006 von Finanzinvestoren übernommen, die inzwischen 400 Millionen Dollar Schulden angehäuft haben. Der «Inquirer» erscheint vorerst weiter. Die Eigner wollen dem Konkursrichter binnen vier Monaten ein neues Geschäftsmodell vorlegen. Die Journal-Register-Gruppe, die 22 Tageszeitungen im Norden der USA verlegt, sitzt auf einer Milliarde Schulden und verhandelt mit ihren Gläubigern über eine Umstrukturierung. Mit dem «San Francisco Chronicle» hat ein weiteres Qualitätsblatt starke Budgetkürzungen angekündigt. Der Verlag schliesst die Einstellung der Zeitung nicht aus.
Insgesamt sind in den USA seit Jahresbeginn 33 Zeitungen zahlungsunfähig geworden. Die verbliebenen Publikationen suchen neue Geldgeber, reduzieren Umfänge sowie Belegschaften und experimentieren mit allerlei Modellen, um ihr Überleben zu sichern. So wird der hochangesehene «Christian Science Monitor» vom April an nur noch im Internet erscheinen. Von der Wirtschaftskrise angeheizt, beschleunigt sich damit ein vertrauter Trend. Seit Mitte der achtziger Jahre geht die Zeitungsleserschaft pro Jahr um zwei Prozent zurück. Im vergangenen Jahr waren es fünf Prozent. Der «Inquirer» hat vom März 2007 bis heute zehn Prozent an Auflage verloren und setzt täglich noch 300 000 Exemplare ab. Laut einer neuen Umfrage bleiben Leser ihren Postillen nicht einmal im Internet treu: Nur noch 40 Prozent der Amerikaner informieren sich in Print und Web aus Zeitungen.
Allerdings konnten führende Blätter wie die «New York Times» oder die «Washington Post» ihre Reichweite über das Internet kräftig erhöhen. Doch auch sie trifft der Einbruch beim Anzeigenaufkommen. So wies der Quartalsbericht der «Washington Post» letzte Woche bei der Werbung gegenüber dem Vorjahresquartal einen Verlust von 21 Prozent auf. Das Internet bietet hier vorerst keine Hoffnung: Im letzten Quartal 2008 haben Amerikas Zeitungen 8,2 Milliarden Dollar für Anzeigen eingenommen, aber nur 8 Prozent davon für Online-Werbung.
So brechen den Blättern ihre traditionellen Print-Standbeine weg, während sie die notwendigen Erträge für ein Überleben allein als Internet-Publikation nicht einmal ansatzweise einnehmen können. Daher erwartet mit Max Frankel einer der bekanntesten Journalisten der USA für die kommenden Jahre ein beschleunigtes Zeitungssterben. Der ehemalige Chefredaktor der «New York Times» erklärte dieser Zeitung: «Bestehende oder zukünftige Nachrichteninstitutionen können nur existieren, wenn sie ein Modell finden, das über das Internet die für seriösen Journalismus notwendigen Kosten einbringt. Aber dieses Modell ist bisher noch nicht entwickelt worden.» Für Frankel ist die amerikanische Demokratie ohne unabhängigen und Recherche-orientierten Journalismus nicht denkbar. Er erwartet daher wie andere Experten, dass gemeinnützige Stiftungen in gewissem Umfang an die Stelle traditioneller Zeitungskonzerne treten.
Marktführer wie die «New York Times» glauben an eine kommerzielle Zukunft. Das neue Schlagwort der Branche dafür lautet «last man standing»: Die «Times» konnte jüngst mit dem mexikanischen Milliardär Carlos Slim einen neuen Geldgeber finden und entwickelt mit hohem Tempo ihr Web-Angebot. Ihren Print-Umfang hat sie deutlich reduziert. Damit will sie die Schlacht um die Leser im Internet gewinnen, während mittelgrosse Titel wie der «Inquirer» oder der «Chronicle» vielleicht aufgeben müssen. So könnte es in wenigen Jahren nur noch eine Handvoll überregionaler Zeitungen wie die «New York Times», die «Washington Post» und das «Wall Street Journal» geben, die im Internet um Leser und Anzeigen wetteifern.
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