How Opel Was Sucked Dry by GM

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Wie Opel von General Motors leergesaugt wird

(169) Von Thomas Delekat 11. März 2009, 14:33 Uhr

Der Konzern-Tausendfüßler aus Detroit hat nur noch ein einziges gesundes Bein – und das ist Opel. Trotzdem steht der deutsche Autobauer mit dem Rücken zur Wand. Exklusiv für WELT ONLINE erklärt ein anonymer Insider, wie der US-Konzern seine Tochter systematisch aussaugt.

Wissen Sie, ich kriege einen Hass, wie GM uns ausgehöhlt, geplündert, leergeräumt hat. Wie die uns um unsere Patente beschissen haben! Beschissen, anders kann ich’s nicht sagen. Eines Tages kamen GM-Leute aus Detroit und sagten, wir wollen jetzt alle eure Entwicklungen, Patente, das ganze Know How. Das kriegen wir jetzt, bitte, und damit es rechnerisch fair zugeht, sagten die, gibt’s im Gegenzug Schuldverschreibungen von uns.

Jetzt liegen unsere Patente also bei GM, und für jedes Auto, das wir bauen, zahlen wir Gebühren an die. Muss ich erwähnen, dass Opel nie einen Cent für seine Patente gesehen hat? Dasselbe gilt für die Konstruktionszeichnungen unserer Autos. Maße, Toleranzen, Materialien, die ganze Blaupause. Das ist entscheidender als ein Patent, es steckt ein wahnsinniges Entwicklungsgeld da drin. GM nimmt das für lau. Sie nutzen das für ihre anderen Marken, in vielen Ländern, bei zahllosen Modellen.

Mit den Konstruktionsplänen unseres Insignia baut GM einen Buick, einen Chevrolet, einen Pontiac und in Australien einen Holden, ein chinesischer Ableger ist in Vorbereitung, insgesamt sind es acht Marken. Alles mit unserer Konstruktion, alles mit unserem Know How.

Genau so wird das auch mit dem neuen Astra gehen, der im Herbst auf den Markt kommt. Wie finden Sie das? Die saugen uns aus, die fressen uns leer. Allein im letzten Jahr haben wir an GM 650 Millionen Euro überwiesen. Wofür? Nur für Gebühren von unseren eigenen Patenten. Es gibt bei GM eine strategische Planung. Da legen die fest, welche Motoren, welche Karosserietypen brauchen wir in fünf Jahren. Dann wird global verteilt. Das da wird in Rüsselsheim gemacht, das in Detroit und das geht nach Asien.

Beim kleinen Opel Agila hieß es beispielsweise, den baut ihr nicht in Rüsselsheim, das ist für euch kein business case, zu hohe Kosten, zu geringe Stückzahlen. Das macht ihr mit jemandem zusammen, und zwar mit Suzuki. Und wieso? Weil GM damals 20 Prozent Anteile an Suzuki hatte. Das ist technisch wie kostenmäßig eine schwachsinnige Entscheidung gewesen. Aber Detroit hat’s beschlossen, wir hatten die Klappe zu halten, obwohl wir das Auto besser und billiger hingekriegt hätten, mit einem naheliegenden Partner unserer Wahl. Peugeot zum Beispiel oder Renault.

1992 fing das an mit dem GM-Globalisierungswahn. Irgendwann später bereisten Unternehmensberater das weltweite GM-Imperium. Sie erstellten eine Expertise, welches Entwicklungszentrum das wettbewerbfähigste sei. Das wurde ein kurzer Prozess – es war Opel in Rüsselsheim. Da wurde aus unserem Technischen Entwicklungszentrum das Internationale Entwicklungszentrum und es hieß, ihr seid jetzt verantwortlich für alles. Alles weltweit, auch Korea. Nur die USA machen wir selber, sagte GM. Diese Aufteilung hat zwar nicht funktioniert. Aber man muss sagen, aus GM-Sicht war das eine prima Entscheidung.

Koreanische Kupplungsprobleme beim Opel Antara

Der Chevrolet Captiva zum Beispiel heißt in Deutschland Antara, wird aber in Korea gebaut. Gleich nach dem Start musste das Auto wieder in die Entwicklung zurück. Warum? Die koreanische Kiste hatte ein Anfahrproblem, weil die Jungs in Korea die Kupplung nicht richtig im Griff hatten. Das haben wir dann für sie lösen müssen. So eine Last minute-Aktion, damit das Auto wieder verkauft werden kann. GM setzt in China oder Korea Werke hin, um dort unsere Autos oder Motoren nachzubauen.

Und wir bringen denen dann das Laufen bei. Jetzt stellen Sie sich mal vor, eine Telefonkonferenz mit Koreanern, Amerikanern und uns. Das sind Typen! Da sind Amerikaner ein Traum. Mir wird schlecht, wenn ich höre, was die für Fragen stellen. Messtechnik! Grundlagen! Und was geht uns das an, wenn GM ein Werk in Fernost nicht ans Laufen kriegt? Was Opel das kostet! Aber das Härteste war: GM hat verfügt, dass die Leute von Daewoo bei uns ein und ausgehen dürfen. Ihr gebt denen alles, sagte GM. Wir waren entsetzt.

Inzwischen sehe ich das gelassen. Selbst mit den Plänen in der Hand lässt sich das Know How nicht kopieren. Der neue Insignia, der künftige Astra – die beiden sind produktionstechnisch zwei Meisterwerke. Man kann sie auf denselben Bändern bauen. Machen Sie sich klar: Zwei Autos, grundverschieden, bei völlig unterschiedlicher Größe – aber sie rollen von derselben Fertigungsstraße. Wir könnten sie sogar über verwandte GM-Linien in den USA laufen lassen. Dasselbe steht bei den Minivans Zafira und Meriva bevor. Damit sind wir schneller, flexibler, kostengünstiger. Es gibt nur wenige Hersteller, die das konstruktiv beherrschen. Produktionstechnisch und von den Modellen her ist Opel erstklassig aufgestellt. So gut, so kostengünstig waren wir noch nie.

Von GM zur falschen Modellpolitik gezwungen

Opel hat acht Prozent Marktanteil momentan – in Ordnung ist das nicht. Jahrelang haben uns GM-Manager zu einer falschen Modellpolitik gezwungen. Aber am schlimmsten haben uns die Qualitätsprobleme heruntergerissen. Das war grauenhaft. Was haben wir uns geschämt. Furchtbar. Eines Tages kamen wieder die Leute von GM und erzählten uns, was sie so unter Qualität verstünden. Rostige Längsträger im Astra beispielsweise. „Na und?“, sagten die, „der fährt doch.“ Das deutsche Management ballte die Fäuste in den Taschen. Nagelneue Astras mit Flugrost in den Traversen, wegen ein paar Cent Hohlraumversiegelung! Völliger Wahnsinn. Wir hätten’s nicht akzeptieren sollen. Alle. Aber revoltieren Sie mal gegen die oberste Firmenleitung. Das macht doch niemand, auch wir haben das nicht geschafft.

Volkswagen kriegte kurz darauf dassselbe Qualitätsproblem wie wir und beide Male hatte das denselben Namen – Ignacio Lopez. Unter windigen Umständen war der von Opel zu VW gewechselt. Kurz danach ging es auch bei denen bergab. Bloß dass VW sich durchmogeln konnte, ohne Imageverlust, ohne Einbrüche am Markt. Ab 1994 ging es mit Opel richtig in die Tiefe, miese Qualität, mieses Image. Das Symbol dafür war der Omega B. Es gab harte, glasklare Rückmeldungen aus der Öffentlichkeit. Aber was tat GM? Die ließen sich sechs Jahre Zeit. Erst dann dämmerte es ihnen, dass sie Opel bis kurz vors Ende getrieben hatten.

Diese Zeit damals ist heute das Rüsselsheimer Trauma. Es macht sich niemand eine Vorstellung davon, was Opel für eine Panik hat vor der kleinsten Schludrigkeit. Wir testen vorwärts und rückwärts, bis zum Exzess. Ich finde das ja paranoid, was die da treiben. Das geht zu weit. Aber dann müssen Sie wissen, wie klein die Autowelt doch ist. Alle kennen sich untereinander, und da ist es doch schön, wenn die Kollegen von Audi beim Bier erzählen, sie hätten gerade in Ingolstadt unseren Astra zerlegt. „Und? Wie wars?“ – „Wow!“ sagten die. „Wahrhaft Extraklasse-Qualität. Wie macht ihr das mit euren Kosten?“

Auch die Langzeittests der Fachzeitschriften sind phantastisch. AutoBild hat es auf den Punkt gebracht, mit einem Zitat aus vergangenen Tagen: „Opel, der Zuverlässige“. Darin haben wir es inzwischen weiter gebracht als VW. Mit einigen Modellen haben wir sogar Toyota-Standard erreicht. Allerdings, im Finish, in der Anmutung und den Innenraum-Materialien ist VW uns noch voraus. Da bin ich immer wieder platt, was die für eine Liebe zum Detail entwickeln. Aber auch da ist GM uns in den Rücken gefallen.

Die verwehren uns Investitionen in unsere Autos, weil sie damit ihren Laden sanieren wollen. Trotz allem muss man sagen, dass GM bei der Forschung richtig vom Feinsten ist. Für mich wär’s ein Alptraum, wenn ein Chinese oder Inder bei Opel einsteigen würde. Dann wäre ruckzuck der technologische Anschluss verloren. GM ist auch großartig im Fertigungs-Know how und in Verfahrenstechnologie. Die haben zum Beispiel 1963 die bruchgetrennten Pleuel erfunden. Darin sind sie super, und wir profitieren davon, weil wir uns so einen Forschungspool wie Daimler oder VW nicht leisten können.

GM versteht die europäischen Automärkte nicht

Also bezahlt Opel an GM eine Entwicklungspauschale pro Jahr für die technischen Innovationen – und das ist ein gutes Geschäft. GM hat Milliarden über Milliarden in neue Technik gesteckt. Die hatten vor Jahren schon Zukunftstechnik serienreif. Aber bauen wollte GM-Chef Rick Wagoner das nicht. Er blieb bei primitiven Trucks. Der Mann hat den Spritpreis verpennt und vor allem: Seine Spitzentechnik in Serie zu bringen. Jetzt redet er sich heraus, er hätte da bald einen supermodernen, supersparsamen Turbobenziner im Programm. Neueste Downsizing-Technologie, jede Menge Leistung, Power, Drehmoment aus nur 1,4 Litern Hubraum.

Der Motor könne einen Sechszylinder ersetzen. Wo hat denn der Wagoner so was Feines plötzlich her? Er hat es von uns. In so was ist Opel Spitze. Der Motor vom Smart beispielsweise ist die Kopie einer Opel-Maschine. Der 1,8 Liter-Motor, Opels Meisterstück, steht bei Daimler, BMW und sogar bei Porsche als Benchmark auf dem Podest. Und dann die Kosten! Wenn ich Ihnen sage, wie preiswert unser phantastischer Dreizylinder durch die Fertigung läuft, dann glauben Sie’s nicht. In Kleinwagen-Kompetenz macht uns weltweit niemand was vor, weder VW noch Toyota. Es ist dasselbe Niveau.

GM versteht die europäischen Automärkte nicht. Das werden die nie kapieren. Die lachen sich doch tot, wenn die hören, dass ein Astra 25.000 Euro kostet. Dafür kriegen die in den USA eine anderthalb Mal so große Kiste mit Super-Bose-Soundsystem, Klimaanlage, Furz und Feuerstein. Das ist der Grund, weshalb sie nichts von europäischen Qualitätsstandards halten. Die haben Drecks-Fahrwerke in ihren amerikanischen Autos, Müll-Bremsen, und die Motoren sind nicht vollgasfest. Hamburg-München schrubbt der kleine Dreizylinder Corsa Vollgas rauf und runter, tagelang. Eine amerikanische Maschine ist damit gezielt zugrunde gerichtet.

Am besten für alle Beteiligten, überhaupt am schönsten für uns als Ingenieure wäre eine Kooperation mit Daimler oder BMW. Beiden fehlt Kleinwagenkompetenz. BMW produziert den Mini kaum kostendeckend, das können sie bei 150.000 Stück im Jahr auch nicht. Deshalb war unser Europachef Forster vor ein paar Monaten bei BMW. Es ging um eine gemeinsame Plattform für uns und den Mini. Es scheiterte an Kleinigkeiten. Er hätte klein beigegeben, sagt Forster jetzt, wenn er gewußt hätte, was er heute weiß. BMW hätte das besser auch getan.

Wenn Opel an die Wand fährt, fällt eine Dominoreihe um

Die haben jeden Grund dazu. BMW ist in etwa genau so groß wie Opel, und die haben genau dasselbe Problem wie wir. Bloß das die das erst gerade merken. Der 1er BMW verkauft sich zwar gut, ist aber qualitativ grenzwertig. Aber vor allem hat das Auto ein Kostenproblem. Die Stückzahlen sind zu klein, die Bayern können ihre feine Technik nicht mehr bezahlen. Zusammen mit Opel liefe das wunderbar. Technisch, qualitativ sprechen wir dieselbe Sprache. Die meisten Ingenieure kennen sich sogar persönlich.

Und dann Daimler! Bei der Konstruktion von Smart oder A-Klasse ist doch der ganzen Branche klar, dass die das Know How nicht haben, solche Autos kostendeckend zu bauen. Das ist jetzt keine Eitelkeit. Wir geben auch offen zu: Wenn wir bei Opel eine High-End-Limousine wie die S-Klasse bauen sollten – das würde drei, vier Fahrzeuggenerationen dauern, bis die erstklassig ist. Darin sind Daimler und BMW einsame Spitze. Aber bei kleineren Autos sind die noch im Lehrbetrieb. Opel und VW – es sind tatsächlich die einzigen Firmen in Europa, die das Wissen, die Erfahrung und das Qualitätsbewußtsein dazu haben.

Ich habe keinen Einblick in die oberste Finanzstrategie. Ich kann auch nicht sagen, ob es stimmt, dass Opel in zwei, drei Jahren alle Kredite zurückgezahlt hat. Aber ich bin sicher, dass wir den neuen Meriva nicht verschieben dürfen. Dieses Auto bringt cash, und zwar massiv, wir wollten im Januar 2011 damit kommen. Das müssen wir wohl vertagen. Die Amerikaner wollten sogar, dass wir unsere Cashcow, den neuen Astra, ein ganzes Jahr später bringen. Gerade noch so konnte Forster das verhindern. Jetzt kommt er im Herbst.

Wenn alles so toll ist, wieso wollen wir dann die Bürgschaften von der Bundesregierung? Weil es keinen Autohersteller gibt, der nicht kreditfinanziert ist. Bevor so eine Produktion anläuft, hat Opel riesige Summen an die Zulieferfirmen zu zahlen. Die kaufen davon ihre Fertigungseinrichtungen. Das ist der Grund. Es geht nicht um Verluste oder ums laufende Geschäft. In den Corsa-Werken laufen Sonderschichten, der Insignia ist mit 75.000 Bestellungen ein Bombenerfolg und der neue Astra hat das Zeug, den Golf zu überholen. Meriva und Zafira sind Bestseller. Besser kann man nicht aufgestellt sein.

Sollte die Regierung Opel an die Wand fahren lassen, fällt eine Dominoreihe um. Wer weiß denn schon, dass weltweit in jedem Auto mindestens 60 Teile von Schaeffler sind? Auch in Toyotas oder in irgendwelchen indischen Fabrikaten. Wenn Opel mit 1,4 Millionen Autos wegfallen sollte – dann könnte das durchaus der Todesstoß für Schaeffler sein. Was ich damit sagen will?

Dieser Stoß trifft nicht nur Opel, er reißt in das ganze Gewebe von deutschen Teile-Spezialisten ein Loch. Volkswagen, Daimler, BMW oder Ford – es ginge allen an den Kragen. Ein theoretisches, absurdes Beispiel nur, aber nehmen wir mal an, Bosch ginge pleite. Dann könnte niemand mehr Autos bauen. Wenn irgend ein Zulieferer auf der Kippe steht und Opel mit acht bis zehn Prozent Marktanteil fällt weg, dann ist das für den das Ende. Es gibt keinen Vorstandsvorsitzenden in der Branche, der das nicht genau so sieht.

Ich bin lange Zeit in den USA gewesen. Wie GM organisiert ist, weiß ich ziemlich genau. Ich habe Respekt vor den enormen Fähigkeiten der Techniker und Ingenieure. Aber das Management von GM ist unterhalb jeder Diskussion. Es sind diese Leute, die Opel geplündert haben. Es sind diese Leute, die uns ihre Modellpolitik aufgezwungen haben, ihre Vorstellungen von Qualität und wie ein europäischer Bestseller auszusehen hat. Aber haben wir bei Opel auch selber etwas falsch gemacht?

Ja, das haben wir. Wir haben keine Palastrevolution gemacht 2004, als 9000 Leute gehen mussten. Wir hätten damals sagen müssen: „Wenn Opel 9000 Leute opfert, weil ihr von GM das in die Grütze gefahren habt – dann nehmen wir das jetzt hin. Aber ab sofort schreibt uns niemand mehr vor, was der europäische Markt braucht und was nicht. Das machen jetzt wir“. Das hätten wir damals sagen sollen. Aber das haben wir nicht.

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