America Prepares to Repeat the Mistakes

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“Die Amerikaner sind dabei, die Fehler zu wiederholen”

© ZEIT ONLINE 19.3.2009 – 11:09 Uhr

Pakistans Staat zerfällt, der Präsident habe kaum noch Macht, und die USA rüsten die Falschen mit Waffen aus, sagt der indische Professor Brahma Chellaney (Brahma Chellany (co-chair) is professor of strategic studies at the Center for Policy Research, New Delhi, India.)

ZEIT ONLINE: Mit knapper Not ist Pakistan aus einem schweren Machtkampf ohne Putsch oder Blutvergießen herausgekommen. Seit den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008, die von Pakistanern begangen wurden, sieht Indien mit wachsender Sorge auf das Nachbarland. Ist Pakistan ein hoffnungsloser Fall, ein unheimliches schwarzes Loch der Weltpolitik, oder kann es sich stabilisieren?

Brahma Chellaney: Präsident Asif Ali Zardari hat gut daran getan, eine Konfrontation mit der Opposition zu vermeiden und die Richter wieder einzusetzen, die der frühere Diktator Pervez Muscharraf entlassen hatte. Aber die politische Entspannung beseitigt nicht die Gefahr, dass dieses nuklear gerüstete Pakistan sich auflösen könnte. Pakistan – wie auch Afghanistan – ist de facto ein “failed state“. Die Grenze zwischen dem Staat und nicht-staatlichen Akteuren verschwimmt. Der Präsident ist eher eine Art Bürgermeister der Hauptstadt. Die Staatsgrenze zwischen Pakistan und Afghanistan hat praktisch zu existieren aufgehört; es fällt schwer, die beiden Länder noch als getrennte politische Gebilde zu behandeln. Das scheint unumkehrbar zu sein. Die Welt muss sich eine neue politische Ordnung für diese Region überlegen.

ZEIT ONLINE: Haben Sie schon Sehnsucht nach Muscharraf, weil er sein Land wenigstens einigermaßen im Griff hatte? Ist Demokratie das Richtige für Pakistan – oder wäre ein Militärregime die sicherere Wahl?

Chellaney: Bevor Muscharraf sich im Herbst 1999 an die Macht putschte, hat kein Mensch Pakistan für einen “failing state“ oder für eine Bedrohung der internationalen Sicherheit gehalten. Als er im vergangenen Jahr aus dem Amt gedrängt wurde, war Pakistans Ansehen so abgestürzt, dass es in den Augen der Welt zum globalen Terroristan geworden war. Es war Muscharrafs Diktatur, die Pakistan an den Rand des Abgrunds gebracht hat.

ZEIT ONLINE: Wie sollte denn aus indischer Sicht die Welt mit Pakistan umgehen?

Brahma Chellaney arbeitet als Professor für Strategische Studien am „Centre for Policy Research“, einem unabhängigen Think-Tank in Neu-Delhi.

© Privat

Chellaney: Die langfristige Lösung ist die Stärkung der Demokratie. Die Schuld für die Probleme bekommt stets die zivile Regierung in Islamabad zugeschoben, obwohl sie hilflos ist. Die wirkliche Macht liegt immer noch beim Militär.

ZEIT ONLINE: Hat die Regierung Obama die richtige Politik für Pakistan und die gesamte Region? In Afghanistan möchte der Präsident Kontakt zu “moderaten“ Taliban aufnehmen.

Chellaney: Die Amerikaner sind dabei, die Fehler zu wiederholen, die sie in der Zeit von Präsident Ronald Reagan gemacht haben, beim Kampf gegen die sowjetische Besatzung in Afghanistan. Damals ist das ganze afghanisch-pakistanische Desaster angerichtet worden. Die Obama-Regierung will neue Milizen in jeder afghanischen Provinz ausbilden und bewaffnen, obwohl das Land voll ist mit bewaffneten Milizionären. Die Milizen, die Reagan ausgerüstet hat, die sogenannten Mudschaheddin, sind internationale Terroristen geworden. Außerdem will Obama einen Deal mit den Taliban schließen, während er sich gleichzeitig hinter einer Aufstockung des militärischen Engagements versteckt. Auch da wiederholt sich die Geschichte. Die Taliban wurden vom pakistanischen Geheimdienst geschaffen, mit Unterstützung der CIA. Im Oktober 2001 hatte sich die amerikanische Politik komplett gedreht, und den Taliban wurde der Krieg erklärt. Nun gibt es die nächste komplette Drehung, und man will einen Deal mit den Taliban.

ZEIT ONLINE: Die NATO steckt in Afghanistan in ernsthaften Schwierigkeiten. Wird Indien in seiner Nachbarschaft stärker aktiv werden, wenn der Einfluss des Westens schwindet?

Chellaney: Schon jetzt ist Indien eines der größten Geberländer für Afghanistan. Es hat die Riesensumme von 1,2 Milliarden US-Dollar an Hilfsgeldern dort eingesetzt. Es hat viele zivile Helfer in Afghanistan. Diese Leute leisten Wiederaufbauarbeit und helfen bei der Errichtung von Institutionen. Aber bedauerlicherweise will sich Obama aus Afghanistan davonmachen. Er will nicht, dass das afghanisch-pakistanische Problem seine Präsidentschaft ruiniert, wie es George W. Bush mit Irak passiert ist.

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