Sources of the War

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Quellen des Krieges

Obamas Kampf gegen den Terror 20.03.2009, 21:57

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Sources of the War

By Stefan Kornelius

20.03.2009

Die amerikanische Offerte an das “iranische Volk” ist nur der spektakulärste Teil einer neuen Politik: Barack Obama setzt den Fokus endlich wieder auf Afghanistan und Iran, wichtige Quellen von Fanatismus und Gewalt – und schafft damit eine Chance, den Krieg einzudämmen.

Im achten Jahr nach Beginn der militärischen Auseinandersetzung zwischen dem extremistischen und terroristischen Islam und dem Westen kehrt der Konflikt zu seinen Wurzeln zurück: nach Afghanistan und Iran. Ein geographisches Zentrum und eine wichtige ideologische Quelle für Fanatismus und Gewalt rücken damit endlich in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit des Westens und besonders der USA. Im achten Jahr nach den Terroranschlägen vom 11. September könnte sich also die Chance eröffnen, diesen kulturell und religiös befeuerten Krieg tatsächlich einzudämmen.

Zwei Ereignisse stehen beispielhaft für diesen substantiellen Politikwechsel, der erst mit der Neuwahl des US-Präsidenten möglich wurde: die Verabschiedung einer politischen Regionalstrategie durch die Regierung in Washington und das neue militärische und zivile Aufbaukonzept für Afghanistan, das auf einer großen Konferenz Ende März in Den Haag präsentiert wird.

Mit der Strategie entfalten sich nun eine Vielzahl von Initiativen, unter anderem auch die Videobotschaft von Präsident Barack Obama an das iranische Volk. Es kommt zu einer Rückbesinnung auf die wahrhaft herkulische Aufgabe, in Afghanistan ein zerstörtes Staatsgebilde von Grund auf neu zu bauen.

Wirklich innovativ ist aber die Entscheidung, die Krisenstaaten Iran, Afghanistan und Pakistan als Einheit zu betrachten, als regionales Problem. Das schmälert nicht den Wert jeder einzelnen Nation oder ignoriert das Bedürfnis der Regierungen, individuell respektiert zu werden. Aber es trägt der Tatsache Rechnung, dass es isolierte Lösungen nicht gibt. Es ist ja auch kein Zufall, dass der tadschikische Präsident Emomalii Rahmon und Afghanistans Präsident Hamid Karsai das altpersische Frühlingsfest Nouruz bei ihrem Nachbarn Mahmud Ahmadinedschad in Teheran feiern.

Die amerikanische Offerte an Iran ist der spektakulärste Teil der neuen Strategie. Sie ist aber auch besonders riskant. Vor der iranischen Präsidentschaftswahl im Juni sind wenige belastbare Ergebnisse dieser Werbungsversuche zu erwarten. Vor dem Wahltag wird Präsident Ahmadinedschad mit diesem Angebot nur spielen, genauso wie seine inneriranischen Gegner.

Moralisch und taktisch überlegene Position

Obamas Schmeicheleien bringen die USA in eine moralisch und taktisch überlegene Position. Indem der Präsident auf gemeinsame kulturelle und ideelle Werte verweist, umgeht er die Tücken im Detail. Die Botschaft ist zunächst symbolisch: Die USA versprechen Offenheit, Friedfertigkeit und Gesprächsbereitschaft. Verweigert sich Iran dieser Umgarnung, wird es moralisch noch stärker isoliert sein. Diese Strategie hilft indes wenig weiter bei den eigentlichen Konflikten, die Amerika mit Iran austrägt.

Diese kreisen um das Nuklearprogramm, die Sanktionen, den regionalen Einfluss, die Unterstützung der Hisbollah und der Hamas. Es wird lange dauern, diesen Knoten zu entflechten, der sich drei Jahrzehnte lang festgezogen hat. Die Veränderung im Ton verpflichtet aber auch zu Zugeständnissen in der Sache.

Wirklich zu greifen ist indes die neue amerikanische Politik gegenüber Afghanistan. Da hat Washington ein paar Hausaufgaben erledigt. Möglich wurde die Hinwendung zu Afghanistan nur durch die Abkehr vom Irak. Die Zugeständnisse an die schiitische Mehrheit und der Abzugsdruck der eigenen Öffentlichkeit haben Obama Luft verschafft. Klugerweise dirigiert er die nun frei werdenden Ressourcen nach Afghanistan um.

Es gibt gute Gründe, warum Afghanistan für die Welt so wichtig ist. Das Land ist ein Epizentrum geopolitischer Beben, immer wieder wurden von hier aus Kriege ausgelöst. Das afghanische Volk musste sich immer gegen Fremdbestimmung zur Wehr setzen, weil es schon durch seine Lage – umzingelt von anderen Nationen und ohne direkten Zugang zum Meer – ausgeliefert war. Heute verfügen vier der regionalen Nachbarn über Nuklearwaffen; ein unmittelbarer Nachbar, Iran, strebt nach der Bombe.

Geisel der Extremisten

Diese Schwäche machte Afghanistan zur Geisel von Extremismus und Fanatismus. Nach Sowjet-Besatzung, Bürgerkrieg und Taliban-Herrschaft war der Staat zerstört – hier konnte der islamische Extremismus gedeihen. Hier wurden bis September 2001 die folgenreichsten Terroranschläge der jüngeren Weltgeschichte geplant.

Im Umkehrschluss bedeutet das: Wer Afghanistan befriedet, wer dort einen halbwegs funktionierenden Staat aufbaut und dabei die lokalen Besonderheiten, vor allem das Machtbedürfnis der Stämme, der Provinzherrscher, der Ethnien respektiert, der kann der Welt zu mehr Sicherheit und Ruhe verhelfen.

Immense Probleme

Nach dem von den UN legitimierten Einmarsch 2001 hat es vier lange Jahre gedauert, ehe die Welt diese tatsächliche Dimension erfasste. Abgelenkt vom Irak und im Glauben, die Taliban und al-Qaida dauerhaft verjagt zu haben, ignorierte die Weltgemeinschaft unangenehme Fakten: Afghanistan war nach 30 Jahren Krieg nur noch auf dem Papier ein Staat. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 43 Jahren gab es nur Wenige, die sich an friedlichere Zeiten erinnerten. Die Elite des Landes war tot oder geflohen, die Analphabetenrate lag bei 75 Prozent, Afghanistan stand an viertletzter Stelle auf der Liste der ärmsten Staaten.

Erst als sich die Taliban 2006 zurückmeldeten, wurde den westlichen Paten bewusst, dass Afghanistan erneut abgleiten könnte. Es dauerte noch einmal drei Jahre, bevor sich ein Konsens herausschälte: Afghanistan muss die Priorität der internationalen Gemeinschaft genießen – hier wird ein Staat vom ersten Stein an wieder aufgebaut.

Wer heute durch Afghanistan reist, der sieht das erste Ergebnis dieser neuen Strategie: Ja, die Gewalt nimmt wieder zu, aber vor allem deshalb, weil immer mehr westliche Truppen und vor allem die nun einsatzbereite afghanische Armee die Auseinandersetzung mit den Taliban suchen. Genauso wächst die Zahl derjenigen Afghanen, die von den unzähligen Hilfsprojekten der Geber-Staaten, der UN und der Hilfsorganisationen profitieren. Langsam, viel zu langsam, wächst hingegen die Zahl der afghanischen Richter, Polizisten und Staatsanwälte, der ehrlichen Beamten und der glaubwürdigen Politiker.

Die Probleme sind immens: die Korruption, das Drogengeschäft, die Zweifel am Staat und an den Absichten der Fremden. Aber die Probleme sind erkannt, es gibt unzählige Programme und Zehntausende zivile und militärische Helfer, die ihre Arbeit nicht zerstört sehen wollen.

Die Taliban können mit dem Terror einschüchtern und destabilisieren. Sie können das Land aber nicht mehr beherrschen. Für die Präsidentschaftswahl im August haben sich 4.527.918 neue Wähler registrieren lassen. Insgesamt können damit 16 Millionen Afghanen ihre Stimme abgeben, das sind fast zwei Drittel der erwachsenen Bevölkerung. Es gibt keine bessere Strategie zum Wohle Afghanistans.

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