The Dollar Isn't Dead Yet

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Der Dollar ist noch nicht tot

Von Alexandra Endres | © ZEIT ONLINE 26.3.2009 – 18:26 Uhr

China fordert eine neue Leitwährung – das hat wenig Chancen. Doch im globalen Währungsregime steckt ein Kern der Krise. Der G20-Gipfel sollte sich damit beschäftigen

Der Dollar ist angeschlagen, ein Spiegelbild der Finanzkrise. Seit Monaten schwankt sein Kurs stark. Jetzt sorgt China mit seiner Forderung für Aufsehen, den Greenback durch eine neue Leitwährung zu ersetzen. Sie bestünde aus einem Währungskorb: Einer künstlich geschaffenen Verrechnungseinheit, deren Wert nur noch zu einem bestimmten Teil am Dollar hängt. Maßgeblich wären daneben der Euro, das britische Pfund, der japanische Yen – und vielleicht, so lässt Peking Medienberichten zufolge durchklingen, auch der chinesische Yuan.

Das ist nicht nur Ausdruck der zunehmenden politischen Macht Pekings. Es ist auch eine ökonomische Zäsur. Lange Zeit gehörte ein starker Dollar zum weltwirtschaftlichen Arrangement, das vielen Ländern Wachstum erlaubte. Weil ihre Währung so hoch im Kurs lag, konnten die Amerikaner im Ausland auf Einkaufstour gehen. Zugleich war es vielen asiatischen Ländern möglich, ihre Güter in den USA günstig anzubieten. Ihre Handelsüberschüsse legten sie in Dollar an. Das hielt den Kurs der US-Währung oben, zugleich blieben asiatische Waren billig. Beide Seiten profitierten.

Spätestens seit die Wirtschaftskrise im vergangenen Herbst durch die Lehman-Pleite so richtig losbrach, ist jedoch klar: Die alte Arbeitsteilung funktioniert nicht mehr, die Welt braucht eine neue Balance. So gesehen ist die chinesische Forderung plausibel. “Die Währungsfrage gehört zum Kern der internationalen Finanzarchitektur”, sagt Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). “Sie muss vor dem G20-Gipfel aufs Tapet.”

Doch es gibt da ein Problem: Keine Währung wäre derzeit in der Lage, den Dollar als Leitwährung zu ersetzen. Nicht der Euro, nicht der Yen, nicht das Pfund. Das gilt auch für die von China vorgeschlagenen Sonderziehungsrechte des IWF, eine buchhalterische Einheit, in der vier Währungen stecken. “Warum sollten die USA oder Europäer sich freiwillig in Sonderziehungsrechten verschulden?” fragt Matthias Busse, Leiter des Kompetenzbereichs Weltwirtschaft am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) hinsichtlich der Währungsschwankungen. “Sie gingen dadurch ein zusätzliches Risiko ein, das sie bislang nicht haben.” IfW-Ökonom Langhammer hält ebenfalls wenig von dem Vorschlag: “Über die Sonderziehungsrechte zu debattieren ist, als ob man ein totes Pferd reitet.”

Schon eine ganze Weile wird darüber spekuliert, ob vielleicht der Euro irgendwann an die Stelle des Dollars treten könne. Doch der Greenback verfügt als Leitwährung immer noch über eine stabile Basis. Er kommt von einem großen, gut integrierten Heimatmarkt, auf dem er als sehr liquides Zahlungsmittel fungiert. Seine Stärke nach außen gewinnt er durch die politische, wirtschaftliche und militärische Macht seines Heimatlandes – und die USA sind trotz ihrer schweren Krise immer noch das mächtigste Land der Erde.

“Die Frage, ob der Dollar durch eine neue Leitwährung abgelöst werden sollte, stellt sich so nicht. Das wird nicht per Gesetz oder Dekret festgelegt, sondern entwickelt sich in einem jahrelangen Prozess”, sagt deshalb Busse. “Entscheidend ist: Sind wir vorbereitet, falls der Dollar richtig abstürzt?”

Davor haben alle Angst: Die Amerikaner fürchten den Verlust ihrer wirtschaftlichen und politischen Stellung und die damit einhergehenden ökonomischen Auswirkungen. Ihre Sorge ist, die Chinesen könnten ihre enormen Devisenreserven in Höhe von mehr als einer Billion Dollar auf den Markt werfen und dadurch den endgültigen Zusammenbruch ihrer Währung provozieren. Doch dadurch würde China sich selbst seines Reichtums berauben. “Daran haben die Chinesen überhaupt kein Interesse”, sagt Busse.

Auch andere Länder, die ihre Reserven in Dollar angelegt haben, zum Beispiel aus dem asiatischen oder arabischen Raum, würden hohe Verluste erleiden, bräche der Dollarkurs zusammen. Exportnationen wie Deutschland oder Japan hätten in der Krise noch mehr Probleme als ohnehin, ihre Waren im Ausland zu verkaufen.

Viel wichtiger als die Frage, ob und wann die Welt eine neue Leitwährung haben wird, könnte deshalb die Frage sein: Wie stabilisieren wir unsere Wechselkurse? Denn über sie regelt sich die komplette internationale Wirtschaft – der Handel ebenso wie die Finanzmärkte. Schwanken die Kurse zu stark, gerät die Balance der Waren- und Finanzmärkte noch mehr in Gefahr, als sie es in der Krise ohnehin schon ist. “Die USA können keine Stabilität mehr garantieren”, sagt IfW-Ökonom Langhammer. “Instabile Währungen sind eine Gefahr für die internationalen Finanzströme.” Deshalb müsse man gerade in der Krise alles tun, um die Wechselkurse zu stabilisieren, fordert er, wie etwa durch Bretton-Woods-Regime nach dem Zweiten Weltkrieg.

Das Problem: Fixe Wechselkurse können auch von Übel sein. Das ist derzeit in der Eurozone zu besichtigen. Trotz ihrer einheitlichen Währung verfolgten die Euroländer nie eine gemeinsame wirtschafts- oder finanzpolitische Strategie. Die in der Krise daraus resultierenden Spannungen sind mittlerweile so groß, dass Pessimisten ein Auseinanderbrechen der Währungsunion fürchten.

Ein noch eindrucksvolleres Beispiel für die Probleme fester Wechselkurse gibt Argentinien ab. Es hatte seine Währung, den Peso, fest an den Dollar gekoppelt. Viele Ökonomen priesen das als ultimative Lösung der Inflationsprobleme, die das Land zuvor plagten. Doch seine Wirtschaft entwickelte sich völlig unabhängig von der US-Konjunktur. Während Argentinien in eine tiefe Rezession rutschte, florierten die USA. Die starke Währung bremste die argentinischen Exporte, die hohen Dollar-Leitzinsen erdrückten die wirtschaftliche Aktivität. Das Land geriet in eine negative Spirale, die in den Staatsbankrott mündete.

Eine Zwischenlösung muss also her: Man muss die Wechselkurse beruhigen, ohne sie zu sehr einzuengen. Eine delikate Balance. Um sie zu erreichen, ist eine enge Abstimmung der beteiligten Regierungen und Notenbanken nötig. Wie man sie erreichen könnte, wäre ein würdiges Thema für den G20-Gipfel.

Der Dollar aber könnte dennoch mittelfristig weiter an Bedeutung verlieren. “Es ist vorstellbar, dass China langsam und stillschweigend beginnt, seine Reserven auch in anderen Währungen anzulegen. Auch andere Länder könnten das tun”, sagt HWWI-Ökonom Busse. Es wäre der Idealfall: Der Dollarkurs fiele weiter, aber langsam und kontrolliert, ohne größeren Schaden anzurichten. In einer Welt, die von einer Krise zur nächsten taumelt, wäre das ein Traum.

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