It’s All Obama’s Fault

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Schuld ist Obama

Von Christian Denso | © DIE ZEIT, 26.03.2009

Gegen eine Lichtgestalt lässt sich schlecht demonstrieren: Dem Protest gegen das Nato-Jubiläum fehlt das Feindbild

Von einer »immensen, traumhaften Zahl« von Demonstranten haben sie gesprochen, von Aktionen und Kundgebungen, die die »politische Welt verändert« hätten. Geradezu euphorisch klang das Resümee der Organisatoren des Protests gegen den G-8-Gipfel 2007 in Heiligendamm. Und jetzt der 60. Geburtstag der Nato, jenes traditionellen, ein bisschen in die Jahre gekommenen Feindbildes: zwei Tage lang guter alter Gipfel-Glanz in Baden-Baden, Kehl und Straßburg – was für ein Fest für den Protest, möchte man denken. »Nato-Gipfel versenken!«, »denen mal richtig in die Suppe spucken«, lauten denn auch die schon routiniert klingenden Demo-Aufforderungen. Nach einem Revival im Sinne jenes sommerlichen Hochgefühls »Wir gegen die« sieht es derzeit aber nicht aus. Schuld daran ist vor allem Barack Obama.

Dabei scheinen die Voraussetzungen für den Protest im Badischen eigentlich günstig zu sein. Zweifel an der Zukunft des westlichen Militärbündnisses haben nicht mehr nur friedensbewegte Linke. In Afghanistan steckt das Bündnis in der Klemme. Auch im Kosovo bröckelt es nach Spaniens Rückzugsankündigung. »Die Nato steht an einem Wendepunkt«, sagte selbst ihr scheidender Generalsekretär de Hoop Scheffer am vergangenen Wochenende. Dazu wirkt der Sicherheitsaufwand, den die Gipfelplaner für das Jubiläumsfest treiben, bisweilen noch eine Spur absurder als an der Ostsee. So wird das Grenzstädtchen Kehl quasi lahmgelegt, damit sich die geschlossene Gesellschaft der Staats- und Regierungschefs für zehn Minuten auf der zugigen, Deutschland und Frankreich verbindenden Fußgängerbrücke fotografieren lassen kann, während Kampfjets über sie hinwegdonnern.

»Wir werden an Heiligendamm anknüpfen«, lautet die Parole, mit der Protestler zu Zehntausenden am ersten Aprilwochenende ins Badische gelockt werden sollen. Wie vor zwei Jahren würden »die Camps die Stützpunkte sein«, hieß es im Januar auf der »Rosa-Luxemburg-Konferenz« der marxistischen Tageszeitung Junge Welt. »Wir werden uns genauso zur Wehr setzen wie in Heiligendamm«, kündigt in einem Interview Ulrich Maurer an, der parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag. Monty Schädel, der bereits in Heiligendamm die Proteste koordiniert hat und jetzt als »politischer Geschäftsführer« der Deutschen Friedensgesellschaft vorn mit dabei ist, räumt allerdings »anfängliche Schwierigkeiten« der Mobilisierung ein. Inzwischen sprechen die Organisatoren offiziell davon, dass »die Welle in Bewegung ist«. Doch es gibt auch interne Kritik: »Die Behauptung, die Vorbereitungen zum Gipfel liefen super und es könnte zur zentralen Demonstration mit 50000 Menschen gerechnet werden, lassen entweder völligen Realitätsverlust oder schlicht Unwissenheit vermuten«, heißt es im alternativen stattweb.

Den vorgezogenen Ostermärschen fehlt ein die Reihen schließendes Feindbild: George W. Bush. Noch verbindet sich auch im linken Lager mit Barack Obama, wenn der Anfang April zu seinem ersten Besuch als US-Präsident nach Europa reist, weit mehr Hoffnung als Ablehnung. So fragt selbst die sozialistische Wochenzeitung Rote Fahne: »Hat der US-Imperialismus seinen Charakter geändert?« Reiner Braun, einer der Sprecher des Anti-Nato-Protests bestätigt: »Bei uns werden viele Diskussionen darüber geführt, wie wir zu Obama stehen. Und es ist kein Geheimnis, dass es unterschiedliche Positionen gibt.« Genau darin aber liegt das Problem: Es fehlt offensichtlich (noch) die einigende Entschiedenheit, wie man gegen die USA, Führungsmacht in der Nato auch mit der neuen Administration, demonstrieren will. Differenzierte Ansichten eignen sich nicht für kurze Parolen und vielleicht auch nicht für die Mobilisierung von Massen. Protestler Braun selbst etwa sieht eine »riesige Chance, dass wir mit Obama endlich in eine Abrüstungsdiskussion kommen«.

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