Barack Obama – Rockstar Unplugged

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Barack Obama – Rockstar unplugged

Von Josef Joffe | © DIE ZEIT, 08.04.2009 Nr. 16

Nach nicht mal 100 Tagen dreht sich der Wind gegen Obama

Stanford, Kalifornien – Der Zeitgeist geht gewundene Wege in Amerika. Eine satte Mehrheit (59 Prozent) applaudiert dem Rauswurf unfähiger Manager, deren Unternehmen nur noch an den Zitzen von Mutter Staat überleben können. Dieser Punkt geht an Barack Obama, der Rick Wagoner von GM, einen der unfähigsten überhaupt, zum Abschuss freigegeben hatte. Andererseits bleiben die Amerikaner nach wie vor ein staatsskeptisches Volk. Zwei Drittel glauben nicht, dass die “Feds”, die Bundesbürokraten, die besseren GM- oder Ford-Chefs wären.

Die Wut über Gier & Exzess wabert zwar mächtig in dem Land, über das Heinrich Heine schimpfte: “Das Geld ist ihr Gott, ihr allmächtiger Gott.” Aber Antikapitalismus? Volkes Stimme sehnt sich nicht nach dem Messias namens “Staat”. Mit Blick auf den gerade verstrichenen G-20-Gipfel in London meinen fast zwei Drittel der Befragten, dass die Entscheidungen amerikanischer Unternehmer besser fürs Wachstum seien als irgendwelche Beschlüsse der dort versammelten Regierungschefs. Her mit dem Sozialstaat von europäischer Massivität? Vier Fünftel (!) wollen nicht, dass Obama die Steuersenkungen für die Mittelschicht antastet, die George W. Bush verfügt hatte. Fast die Hälfte mag den 3,6-Billionen-Dollar-Haushalt grundsätzlich nicht.

Kein Wunder. Seit dem offiziellen Beginn der Krise, dem Sturz des Hauses Lehman, haben Schatzamt und Zentralbank 12,8 Billionen Dollar entweder ausgegeben oder bereitgestellt. Das ist fast so viel wie die Wirtschaftsleistung 2008: 14,3 Billionen. Die Neuverschuldung pro Mann, Frau und Kind beträgt demnach 42.000 Dollar – gerade mal 6000 Dollar weniger als das statistische Jahreseinkommen.

Der republikanische Senator Tom Coburn, obwohl ein Freund Obamas, kann nicht mehr an sich halten. Obamas Haushalt, schrieb er in RealClearPolitics, sei der “größte Schritt weg vom Kapitalismus und hin zum Kollektivismus in der Geschichte unserer Republik”. So apodiktisch sieht’s das Wahlvolk noch nicht. Dennoch registrieren die professionellen Pulsfühler inzwischen den geringsten Abstand zwischen denen, die Obama “sehr zustimmen” (35 Prozent), und jenen, die seine Politik “sehr ablehnen” (32 Prozent). Bei seinem Amtsantritt betrug der Abstand 30 Punkte. Vier Fünftel machen sich Sorgen über Defizit und Inflation.

Wir stehen vor einem Merkel-Problem auf Amerikanisch. Bekanntlich schätzen die Leute die Frau mehr als ihre Partei. Das US-Wahlvolk mag den Präsidenten mehr als sein Programm, von dem 82 Prozent fürchten, dass es nicht funktionieren werde. Und im Ausland lieben sie den Rockstar von der Siegessäule noch immer; nach der Pressekonferenz in London haben die Journalisten, geradezu unglaublich, dem Mann eine Standing Ovation gegeben.

Daheim aber wird das Eis, auf dem Obama seine eleganten Bögen zieht, dünner. Nicht dünn, sondern nur dünner. Unwillkürlich denkt man an Franklin Roosevelt. Der wurde 1936 und 1940 wiedergewählt, obwohl er die “Great Depression” nicht bezwingen konnte (das schaffte erst der große Krieg von 1942 an). So viel Zeit hat Obama nicht; das zeigen die Umfragen nach nicht einmal hundert Tagen.

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