Obama Breaks the Taboo

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Obamas Tabubruch

Von Ulrich Ladurner | © ZEIT ONLINE 15.4.2009 – 11:45 Uhr

Der US-Präsident will Teheran die zivile Uran-Nutzung zuerkennen. Im Gegenzug muss das Regime belegen, dass es keine Bombe baut

Barack Obama will die Beziehungen mit Iran auf eine neue Grundlage stellen. Dazu hat er seit seinem Amtsantritt viele wohlklingende Worte gesagt. Nach Berichten der New York Times ist er nun aber bereit, Teheran ein wirklich substanzielles Angebot zu machen. Die Iraner dürfen Uran anreichern, wenn sie im Gegenzug Inspektoren der Atomenergiebehörde in Wien zu umfassenden Untersuchungen ins Land lassen.

Das ist ein Tabubruch. Bisher haben die USA – und mit ihnen die Europäer – den Stopp der Uran-Anreicherung zur Vorbedingung für jedwede Verhandlung gemacht. Im Gegenzug beharrte Iran darauf, Uran für zivile Zwecke anzureichern. “Das ist unser unveräußerliches Recht!” war und ist der Refrain aus Teheran. Mit anderen Worten: Man blockierte sich mit großem Erfolg gegenseitig.

So revolutionär Obamas Vorschlag erscheinen mag, so er denn offiziell kommt, so sehr ist er auch von der Einsicht in die Realitäten geprägt. Iran hat sich trotz aller Sanktionen und Drohungen der letzten Jahre nicht aufhalten lassen. Nach Informationen der IAEA in Wien arbeiten derzeit inzwischen 5500 Zentrifugen auf Hochtouren. Nach Schätzungen mancher Experten würde der Output dieser Zentrifugen reichen, um genug Material für zwei Atombomben pro Jahr herzustellen.

Gleichzeitig weisen die Machthaber in Teheran jeden Verdacht von sich, sie wollten eine Bombe bauen. Wer anderes behauptet, den bezichtigen sie der Lüge. Auch hier näherten sich die Parteien um keinen Millimeter an. Kommt der Vorschlag Obamas auf den Tisch, werden die Machthaber in Teheran zum Offenbarungseid gezwungen. Wollen sie Uran wirklich nur anreichern, um damit Strom zu erzeugen, oder basteln sie an der Bombe?

Die Antwort auf diese Frage wird nicht mit Drohungen erzwungen, mit Sanktionen oder Krieg – sondern mit einem Argument: “Gut, wir anerkennen, dass ihr das Recht habt, aber ihr müsst beweisen, dass ihr damit verantwortungsvoll umgeht.”

Das ist ganz im Sinne des Atomwaffensperrvertrags, den Iran unterschrieben hat. Danach kann jeder Unterzeichner Uran anreichern, ja er muss dabei sogar unterstützt werden, doch darf er es nur für zivile Zwecke tun. Wenn es Anlass zum Misstrauen gibt, sind die Inspektoren der IAEA am Zug. Sie müssen prüfen, ob sich das jeweilige Land auch an den Vertrag hält.

Was aber wird geschehen, wenn Iran sich trotz des Angebots nicht öffnet? Dann werden sich viele fragen, wie man mit einem solchen Verhandlungspartner überhaupt verfahren kann. Ja, man wird sogar in Frage stellen, ob Iran überhaupt ein Partner für Verhandlungen sein kann.

Daher steckt in dem Vorstoß aus Washington auch eine Drohung. Antwortet Iran nicht, werden die Kriegstrommeln lauter werden – und die Argumente dagegen immer leiser.

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