Stimulus mit gefährlichen Folgen
Von Rainer Hank
18. April 2009
Die Menschen leben in Angst und Sorge, wie tief und wie lange die Weltwirtschaft abstürzen wird. Kein Wunder, dass Politiker und Ökonomen nach Mitteln sinnen, welche den Sturz entschleunigen und den Aufprall abpuffern können. Aktivismus ist Trumpf. Vor allem die Amerikaner singen seit Monaten das Lied vom „Klotzen und nicht kleckern“ und bezichtigen den Rest der Welt des Kleinmutes.
Ob freilich das staatliche Geldausgeben wirklich die antirezessive Wunderwaffe ist, als die es sich geriert, ist längst nicht ausgemacht. Die erhoffte Heilwirkung beruft sich auf den sogenannten keynesianischen Multiplikator und funktioniert, grob gesagt, so: Wenn der Staat Geld ausgibt, um Löcher zu graben oder Schulen zu streichen, dann gibt es Leute, die diesen Job machen, andernfalls aber arbeitslos wären. Diese Leute verdienen jetzt Geld, mit dem sie Brötchen und Autos kaufen, was wiederum anderen Leuten Arbeit und Einkommen bringt. Außerdem müssen Schaufeln und Farbeimer angeschafft werden, woran wiederum irgendwelche Unternehmer (und ihre Arbeiter) verdienen. Ein Multiplikator von 1,5, womit die amerikanische Regierung kalkuliert, bedeutet somit, dass jeder Dollar Staatsverschuldung, der jetzt ausgegeben wird, das Wachstum um eineinhalb Dollar anregt. So setzt ein öffentlicher Stimulus wie durch ein Wunder eine Konjunkturmaschine in Gang, und die Kosten der hohen Staatsverschuldung zahlen sich aus.
Der Multiplikator wirkt nicht überall gleichermaßen
Wenn einem die Leute Wunder versprechen, sollte man vorsichtig sein. Der Harvard-Ökonom Robert Barro erinnert daran, dass vor Jahren auch die Antikeynesianer unter der Magieformel „Laffereffekt“ solche Wunder versprochen haben: Das war ein Zaubertrick, mit welchem Steuersenkungen für die Bürger in einen Steuersegen für den Staat umgewandelt werden sollten. Leider hat das nie so richtig geklappt. Jetzt versprechen uns die Keynesianer, dass mit ihrer Münchhausen-Strategie die Schulden unserer Enkel sich in einen mehrfach wohltätigen Segen für uns Großeltern wandeln lassen.
Doch selbst wer der Stimulusmagie weniger Skepsis entgegenbringt, muss zugeben, dass die Mechanik des Multiplikators nicht automatisch überall gleichermaßen wirkt. Es könnte paradoxerweise sogar sein, dass der angelsächsische Kapitalismus pur stärker auf Keynes angewiesen ist als Sozialstaaten vom Typ Bundesrepublik Deutschland. Denn Schocks wie die augenblickliche Krise schlagen auf liberalisierten Märkten viel unmittelbarer durch als in wohlfahrtsstaatlich gepamperten Gesellschaften. Während hierzulande die Menschen trotz Krise noch in Kurzarbeit und (bald) in Beschäftigungsgesellschaften ein Teileinkommen behalten, werden sie in Amerika auf der Stelle arbeitslos.
„Glaubt keinem Wunderdoktor“
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Anders gesagt: Hierzulande gibt es längst jenes öffentliche Beschäftigungs- und Qualifizierungsprogramm, das in Amerika erst durch einen keynesianischen Stimulus angespornt werden soll. Niemand weiß im Übrigen, ob alle Völker gleichermaßen auf den Stimulus reagieren. Eher ist anzunehmen, dass die habituell sparenden Deutschen das zusätzliche Staatsgeld auf die hohe Kante legen werden, anstatt es auszugeben, was zumindest seine konjunkturanregende Wirkung vernichten würde.
Aus alledem folgen eine triviale und eine nichttriviale Krisenlehre: „Glaubt keinem Wunderdoktor!“, heißt der triviale Satz. „Nichts tun ist manchmal besser als viel tun“, heißt die nichttriviale Wahrheit: Denn die Gefahr, das Falsche zu machen, ist größer als das Risiko, das Richtige zu unterlassen.
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