U.S. Prices – A Chilly Breeze of Deflation

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Leitartikel

US-Preise – Kalter Hauch der Deflation

Die amerikanische Wirtschaftspolitik wird einen allgemeinen Preisverfall nicht zulassen. Möglicherweise kehrt

die Inflation zurück – auf Umwegen.

Es ist müßig, darüber zu streiten, ob das Preisniveau in den USA nun schon ein wenig fällt oder doch immer noch ein wenig steigt. Die jüngsten Daten geben beides her: Der allgemeine Verbraucherpreisindex

ist in den zwölf Monaten bis März zum ersten Mal seit über 50 Jahren gesunken – die Kerninflation (ohne

Energie und Nahrungsmittel) lag im gleichen Zeitraum aber noch immer bei knapp zwei Prozent.

Entscheidend ist, dass in der großen Wirtschaftskrise alle Zeichen auf Preisverfall stehen. Und dass eine

Deflation bekämpft werden muss, bevor sie tatsächlich eintritt. Denn was sie so gefährlich macht, ist, dass

ein sinkendes Preisniveau eine sich selbst verstärkende Abwärtsspirale in Gang setzt, gegen die es – siehe Japan in den 90ern – kaum noch Gegenmittel gibt. Dass ein japanisches Szenario in den USA noch immer sehr unwahrscheinlich ist, liegt allein an dem extremen Expansionskurs, den die Geld- und Fiskalpolitiker in Washington mittlerweile eingeschlagen haben.

Die deflationären Kräfte sind unübersehbar: Die US-Einzelhandelsumsätze sind zuletzt erneut gefallen. Die Produktion der US-Industrie schrumpfte im ersten Quartal mit einer aufs Jahr gerechneten Rate von 20 Prozent. Ihre Kapazitäten wurden zu weniger als 70 Prozent genutzt. Das war der niedrigste

Auslastungsgrad seit Beginn der Datenreihe 1967.

In einem solchen Umfeld von massiven Überkapazitäten und hartnäckiger Kaufzurückhaltung können die

Unternehmen ihre Preise nicht erhöhen. Sie müssen sich im Gegenteil auf heftige Preiskämpfe einstellen. Da der Realzins steigt, wenn die Preise stärker fallen als die Zinsen, kann es dann schwierig werden, Kredite zu bedienen. Verbraucher, die erwarten, dass morgen alles noch billiger wird, stellen ihre Einkäufe zurück – und schon hat man eine hartnäckige Deflation.

Die amerikanische Wirtschaftspolitik stemmt sich dem jedoch inzwischen mit sämtlichen Mitteln entgegen,

die ihr Arsenal hergibt. Das Haushaltsdefizit wird in diesem Jahr wahrscheinlich weit über zehn Prozent

des Bruttoinlandsprodukts erreichen, die damit finanzierten Käufe werden die neue Sparsamkeit der Verbraucher zumindest teilweise ausgleichen.

Die Notenbank hat nicht nur ihren Leitzins auf nahe null gedrückt und das Bankensystem stabilisiert, sondern sie pumpt frisch geschöpftes Geld inzwischen direkt in die Wirtschaft und die Konten des Staates. Notenbankchef Ben Bernanke hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er so viel nachlegen wird wie nötig, um eine Deflation abzuwehren.

So real also derzeit die Gefahr einer Spirale fallender Preise ist, so wahrscheinlich ist es, dass die Politik

sie früher oder später stoppen wird.

Ob sie den dann irgendwann wieder einsetzenden Preisauftrieb ebenfalls im Griff behalten kann, ist eine ganz andere Frage. Sollten die Finanzmärkte irgendwann das Vertrauen in den Dollar verlieren und der Greenback heftig abwerten, käme die Inflation auf dem Importweg in die USA zurück.

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