The Vanishing Loyal Opposition

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Die verschwundene Opposition

Von Torsten Krauel 3. Mai 2009, 01:32 Uhr ..

Mit dem Einzug Obamas ins Weiße Haus sind die Republikaner, die Partei Bushs, abgestürzt. Der rechte Flügel wittert Verrat und denkt laut über eine Spaltung nach

Gibt es noch eine politische Opposition in Washington? Ja, irgendwo im Halbdunkel, und sie beißt und prügelt sich dort. Was bleibt ihr auch übrig? Arlen Specter aus Pennsylvania hat den Republikanern ja das letzte Druckmittel gegen Barack Obama aus der Hand geschlagen, die Dauerrede im Oberhaus des US-Parlaments. Senator Specter ist Dienstag zu den Demokraten übergetreten. Damit hat Obama dort 59 von 100 Sitzen. Der 60. Sitz wird demnächst aus dem Bundesstaat Minnesota kommen. Dort ringen seit dem 4. November ein Demokrat und ein Republikaner um den Sieg. Der Demokrat liegt ein paar Hundert Stimmen vorn. Es ist nur eine Frage von Tagen, bis Richter zu seinen Gunsten entscheiden.

Dank Specters Parteiwechsel bedeutet das: Für Obama stehen alle Signale auf Grün. Denn mit 60 Stimmen können die Demokraten die Dauerrede stoppen, mit der die Opposition Gesetze blockieren darf. Das sogenannte Filibuster ist das lustige amerikanische Recht, im Oberhaus eine Abstimmung zu verhindern, indem Senatoren der Opposition am Rednerpult Romane vorlesen oder auch nur das Telefonbuch, bis ihnen die Puste ausgeht. Oder bis 60 Senatoren ihnen das Mikrofon abstellen. Die Opposition steht nun in den Augen ihres rechten Flügels da wie ein beim Seitensprung ertappter Ehemann.

Genau das werfen die Rechten der Parteispitze um den gescheiterten Spitzenkandidaten John McCain vor: Ihr seid mit der Linken ins Bett gestiegen! Ihr habt unsere Prinzipien verraten! Ihr habt staatliche Sozialprogramme ausgeweitet, statt sie abzuschaffen! Ihr lasst euch vom Iran zum Narren halten, statt die Mullahs zu stürzen! Ihr habt unseren CIA-Vernehmern die Zähne gezogen, um euch bei der Linken anzubiedern! Ihr habt die sozialistische Politik unterstützt, Kleinverdienern billige Häuserkredite zu geben, und so die Finanzkrise mitverschuldet!

Schon zu Zeiten von Obamas Vorgänger George W. Bush hat die Rechte so geredet – sehr unbefangen, denn “rechts” ist in den USA nicht identisch mit nationalsozialistisch. Die Rechten sehen sich als Verteidiger von Religion, bürgerlichen Werten und Vaterland. Der Sieg über Hitler, der Fall der Mauer, der Sturz Saddams, die Befreiung afghanischer Frauen von den Taliban oder eines Kapitäns aus den Händen somalischer Piraten sind für sie Heldentaten. Sie kämpfen gegen illegale Einwanderer, linke Juristen oder “Islamofaschisten”, ohne dabei einen großen Unterschied zu machen. Sie sagen, man müsse Amerikas Freiheit gegen “das Böse” verteidigen. Die Bösen sind Osama Bin Laden oder Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Gewählt haben die Amerikaner aber trotzdem Obama. Der rechte Flügel glaubt, das sei so, weil Bush das konservative Profil der Republikaner verwischt habe. Der Mitte-Flügel der Republikaner glaubt hingegen, die Partei habe zu rechtslastig gewirkt.

Die Debatte ist hell entflammt, aber die Rechte hat mehr Mikrofone. Die quotenstärksten politischen Talkmaster in Funk und Fernsehen gehören zum rechten Flügel. Sie glauben, die wahre Opposition zu sein. Der einflussreichste von ihnen ist Rush Limbaugh. Er hat es aus einfachem Haus zum Milliardär gebracht, hofft öffentlich auf Obamas Scheitern und gestattet lokalen Radiosendern die gebührenfreie Ausstrahlung seiner Talkshow. Deshalb erreicht er weitaus mehr Menschen als die Republikanische Partei, deren Kassen nach dem Wahlkampf leer sind.

Zu Specters Parteiübertritt sagte Limbaugh: “Das ist kein Verlust. Am besten nimmt er John McCain und dessen Tochter gleich mit.” John und Meghan McCain verkörpern für ihn das ganze Elend der Partei. Die 24-jährige Tochter ist gegen Abtreibung und findet Saddams Sturz richtig, ist aber auch für Klimaschutz oder die Homo-Ehe. Im Wahlkampf 2008 hatte sie plötzlich gesagt, Obama sei gar nicht so übel. Zu den Konservativen fiel ihr nur ein: “Ideologen”. Das alles machte sie schlagartig berühmt. Ihr Vater rief nach der Wahlniederlage dazu auf, Obama zu unterstützen. Senator Specter und die beiden republikanischen Senatorinnen aus dem Bundesstaat Maine, Susan Collins und Olympia Snowe, hoben Obamas Konjunkturpaket im Februar über die 60-Stimmen-Hürde. Für Limbaugh war das alles eine Erbsünde. Republikaner helfen Obama, Amerikas Schuldenberg zu verdoppeln?! Pfeif auf sie.

Die Partei steht vor einer Zerreißprobe. Vater und Tochter McCain sowie die “zwei Schwestern” aus Maine prägen derzeit das Gesicht des Mitte-Flügels. Er war besonders im Norden der USA stark, ist dort aber durch Obama an den Rand gedrängt. Limbaugh und die Rechte haben ihre Basis im Süden. Dort wachsen Sezessionsfantasien. Wenn Obama die USA zur Volksrepublik macht, soll man sich dann nicht lossagen wie 1860? Der Gouverneur von Texas hat verklausuliert mit dem Gedanken gespielt. Als Antwort listete Außenministerin Hillary Clinton auf ihrer Internetseite für einen Tag Texas unter den “ausländischen Staaten” auf, die sie bisher besucht habe. Eine Umfrage in den Südstaaten ergab diese Woche, dass eine Abspaltung einem Drittel der Süd-Republikaner theoretisch gefiele.

McCain hat mit einigen namhaften Parteifreunden, unter ihnen George W. Bushs populärer Bruder Jeb Bush, vorgestern einen “Nationalen Rat für ein neues Amerika” gegründet. Das kann eine innerparteiliche Plattform werden – oder die Keimzelle einer neuen Partei. Es wäre nicht das erste Mal. Seit der Revolution von 1776 gab es im breiten konservativen Spektrum einen Kampf zwischen Modernisierern und Traditionalisten. Die Partei hieß erst Federalist Party, später Whig Party. Von den Whigs spaltete sich am 6. Juli 1854 ein Anti-Sklaverei-Flügel ab und nannte sich Republikaner. Die vorerst letzte Zellteilung erlebte die Partei 1912. 100 Jahre später steht womöglich wieder eine Trennung ins Haus.

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