Partying with the Terminally Ill

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Party mit Todkrankem

Von Rainer Rupp 08.05.2009

Mißlungener »Streßtest« der US-Regierung für das marode Finanzsystem: Statt Hoffnung zu vermitteln bestätigten sich schlimme Befürchtungen. Nur die Börsen feiern

Bereits vor ihrer offiziellen Bekanntgabe am Mittwoch (Ortszeit) waren wichtige Ergebnisse des sogenannten Streßtests der 19 größten US-Banken durch die Obama-Administration durchgesickert. Der Test sollte klären, welche Institute noch länger zu kämpfen haben werden und welche bereits das berühmte Licht am Ende des Tunnels sehen. Das vorläufige Ergebnis: mehr als die Hälfte der Geldhäuser benötigen eine massive Aufstockung des Eigenkapitals.

Großen Streß dürfte die Bank of America (BoA) haben. Der derzeit weltgrößte Kreditkonzern benötigt frisches Eigenkapital in Höhe von 34 Milliarden Dollar – dreimal mehr als befürchtet. Ähnlich sieht es bei der Citigroup aus. Laut New York Times vom Mittwoch braucht die gerade erst durch staatliche Hilfe vor dem Konkurs gerettet Großbank fünf bis zehn Milliarden Dollar für ihren Kapitalstock. Die Hoffnungen, daß der Streßtest (nicht zuletzt wegen günstiger Testbedingungen) die Lage des US-Finanzsektors in besserem Licht als bisher erscheinen lassen würde, wurden enttäuscht. Dennoch legten die Aktien der Finanzinstitute am Mittwoch ein regelrechtes Kursfeuerwerk hin. Die Titel der BoA stiegen an der New Yorker Börse um 17,07 Prozent. Citigroup-Anteile verteuerten sich um 16,6 Prozent und die Aktien des gesamten US-Finanzsektors legten um 3,6 Prozent zu.

Das Ganze erinnert makaber an einen todkranken Patienten, der soeben aus dem Koma erwacht ist und im Krankenzimmer eine zünftige Party feiert. Plötzlich platzt der Arzt dazwischen und eröffnet dem Kranken, daß die Tests über Erwarten schlecht ausgefallen seien, er also noch lange nicht über den Berg sei. Allerdings wollen die Gäste sich das Feiern partout nicht verderben lassen – ein Endzeitszenario.

Laut Finanzinformationsdienst Bloomberg News hat die US-Zentralbank Fed bis Ende März 2009 den Banken mit Geldspritzen und Garantien in Höhe von 12,8 Billionen Dollar unter die Arme gegriffen, eine Summe, die knapp einer Jahreswirtschaftsleistung der USA entspricht. Im April hat die Fed erneut Programme im Volumen von weiteren zwei Billionen Dollar aufgelegt, um den Finanzistituten zu helfen, einen Teil ihrer Schrottpapiere loszuwerden. Zugleich haben die Notenbanker alle Hemmungen verloren und überfluten die Geldmärkte mit unvorstellbar großen Mengen an frisch emittierten Dollars, schaffen also Geld, das durch nichts und niemanden gedeckt ist. Diese aggressive und mittelfristig höchst gefährliche Politik konnte zwar den Ende 2008 drohenden Finanzmarktzusammenbruch verhindern, allerdings nur vorläufig. Von einer Sanierung des US-Bankensystems kann keine Rede sein.

Laut Internationalem Währungsfonds stehen dem US-Finanzmarkt weitere Abschreibungen von mindestens 750 Milliarden bis zu einer Billion US-Dollar bevor. Zugleich berichtete die in Basel ansässige BIZ, die als Zentralbank der Zentralbanken fungiert, daß bis Ende 2008 die Forderungen des gesamten Bankensystems um 31 Billionen Dollar zurückgegangen seien, d. h. die aufgeblähte Kreditblase entsprechend geschrumpft ist. Im Vergleich dazu sind jene Summen, die die Fed ins System pumpte, um den Kollaps zu verhindern, eher marginal. Der britische Finanzanalyst Mike Whitney sieht durch die Politik des leichten Geldes lediglich die Spekulation an den Börsen wieder angeheizt – mit der Gefahr neuer Blasenbildung. Dagegen hat diese Politik nichts dazu beigetragen, in den USA den Niedergang der realen Wirtschaft zu bremsen. So nehmen wir staunend zur Kenntnis, daß die US-Börsenkurse seit sechs Wochen steigen und im Schnitt zwischen 25 und 30 Prozent zugelegt haben, während die reale Wirtschaft in tiefer Rezession verharrt.

Im ersten Quartal 2009 ist das US-Bruttoinlandsprodukt um 6,1 Prozent im Jahresvergleich weiter geschrumpft. Zugleich fallen die Immobilienpreise weiter, wenn auch nicht mehr ganz so schnell. Unabhängige Prognosen gehen davon aus, daß sich US-Hausbesitzer auf einen weiteren Vermögensverlust von vier Billionen Dollar einstellen und ihren Konsum entsprechend einschränken müßten. Negativ wird sich auch die wachsende Arbeitslosigkeit auswirken. Seit Beginn der Krise haben fünf Millionen Menschen ihren Job verloren, und mit einem weiteren Anstieg auf eine zweistellige Arbeitslosenrate rechnet sogar die US-Regierung. Die Kombination aus zehn Prozent Erwerbslosigkeit und zehn Prozent Rückgang bei den Konsumausgaben im laufenden Jahr ist zwar eine Horrorvorstellung für die US-Ökonomen, aber durchaus realistisch. Dem Streßtest für Banken lagen daher selbst im schlimmstmöglichen Szenario weitaus günstigere Prognosen zugrunde, wonach Ende des Jahres die Krise weitgehend überstanden sei.

Das ist Illusion. Jüngste Zahlen belegen, daß die USA weiter über den eigenen Verhältnissen leben. Zuletzt wurde dies zu 40 Prozent über die Veräußerung von Schrottpapieren an ausländische Käufer finanziert. Diese Ausländer gleichen jedoch gebrannten Kindern. Es besteht keine Hoffnung, das alte System neu zu beleben. Da die US-Bürger zwangsläufig in Zukunft im Rahmen ihrer Möglichkeiten leben müssen, zudem inzwischen auch begonnen haben zu sparen, um Schulden zurückzuzahlen, wird der Konsum weiter zurückgehen und die reale US-Wirtschaft weiter schrumpfen. Soviel zur derzeitigen Börsenhausse.

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