Going Home

<--

Going home

Daniel Puntas Bernet

10. Mai 2009

Präsident Barack Obama will, dass amerikanische Firmen ihre Steuern vermehrt zu Hause bezahlen. Das hätte weitreichende Folgen für die Schweiz. Wenn der Kongress dem Steuer-Umbau zustimmt, müssten die 650 US-Firmen in der Schweiz ihre Standortwahl neu prüfen.

«Das Steuergesetz ist voller Schlupflöcher, die es Firmen auf legalem Weg erlauben, ihren fairen Anteil in den USA nicht zu bezahlen.» Der Satz des amerikanischen Präsidenten Barack Obama von vergangener Woche traf. Dass in der Folge auch noch die Reizwörter «Steuerbetrug», «Steueroasen» und, einmal mehr, «Switzerland» fielen, erhöhte seine Wirkung.

Obama will das Steuergesetz abändern, welches es amerikanischen Firmen erlaubt, im Ausland erwirtschaftete Gewinne dort zu versteuern. 210 Mrd. $ sollen die angestrebten Massnahmen in den nächsten zehn Jahren in die gebeutelte US-Staatskasse spülen. «Die falsche Idee zur falschen Zeit aus falschem Grund», kommentierte John Castellani, Präsident des Business Roundtable, eines Zusammenschlusses von CEO der grössten US-Firmen, die Absichten Obamas.

Obschon das Gesetz erst 2011 in Kraft treten würde und mit politischem Widerstand zu rechnen ist, darf Obamas Ankündigung nicht einfach als populistische Rhetorik abgetan werden. Gerade in der Schweiz sitzt die jüngste Erfahrung der Attacke auf das Schweizer Bankgeheimnis noch vielen in den Knochen. Dieser Präsident gibt Wahlversprechen nicht bloss ab, er will sie auch umsetzen.

Mit möglicherweise weitreichenden Konsequenzen für unser Land. 650 amerikanische Unternehmen sind in der Schweiz angesiedelt, sie beschäftigen direkt und indirekt über 120 000 Arbeitnehmer und tragen laut einer Schätzung der Swiss-American Chamber of Commerce und der Boston Consulting Group knapp 5% zum Bruttoinlandprodukt (BIP) bei.

Hinzu kommen beträchtliche Steuerabgaben: Im Kanton Schaffhausen beispielsweise, der kürzlich den Hauptsitz des Konzerns Tyco International an den Rhein locken konnte, machen US-Firmen über 10% des Steuersubstrats aus. Tyco reagierte wie andere Firmen, vorausahnend, was unter Obama kommen könnte, bereits im Dezember mit dem Wegzug von den Bermudas. Mit der Karibikinsel unterhält die USA kein Doppelbesteuerungsabkommen – ganz im Gegensatz zu der Schweiz, wo sich Tyco offenbar besser vor dem Zugriff des amerikanischen Fiskus aufgehoben fühlt.

Die Schweizer Standortförderer legen Wert darauf, die tiefen Unternehmensgewinnsteuern nicht als ausschlaggebendes Kriterium für US-Unternehmen, in die Schweiz zu ziehen, zu bezeichnen. Beim DEWS (Development Economic Western Switzerland) sei man trotzdem «sehr verärgert» und werde künftig im Standortwettbewerb noch stärker weiche Faktoren wie gute Erreichbarkeit, einen qualifizierten Arbeitsmarkt und hohe Lebensqualität ausspielen. Willi Meier, Geschäftsführer von der Organisation Greater Zurich Area, die das Standortmarketing für sieben Kantone umfasst, hält fest, dass amerikanische Unternehmen eine Affinität für das Schweizer Arbeitsrecht und überhaupt eine emotionale Vorliebe für die Schweiz besässen.

Doch Fakt ist laut Steuerexperten eben auch: Ohne unsere relativ tiefen Steuersätze auf Unternehmensgewinne käme die Schweiz im internationalen Steuerwettbewerb gar nicht erst in die engere Wahl. Wahrscheinlich würden bei einer allfälligen Gesetzesänderung nicht sämtliche US-Unternehmen über Nacht aus der Schweiz abziehen. Viele sind seit Jahren im Land, unterhalten Forschungs- und Entwicklungszentren (IBM, Google) oder lenken von hier aus den europäischen Markt, wie beispielsweise Procter & Gamble mit rund 2700 Angestellten.

Trotzdem: «Die avisierte Gesetzesänderung könnte massive Auswirkungen auf US-Unternehmen in der Schweiz haben», sagt Jörg Walker, Steuerexperte der KPMG. Wenn alle amerikanischen Unternehmen künftig in den USA gleich viel Gewinnsteuern abliefern müssten, fielen Entscheide für die Vergabe einer Europazentrale nach anderen Kriterien. Konsumgüterfirmen würden einen Sitz in den Ländern, wo sich die grössten Märkte befinden, wohl bevorzugen. Sinkende Steuereinnahmen, ein Rückgang an hochqualifizierten Arbeitsplätzen und damit einhergehende abnehmende Standortattraktivität wären einige der möglichen Folgen für die Schweiz.

Noch ist Obamas Vorpreschen eine Gratwanderung, die leicht ins Kontraproduktive kippen könnte: «Nimmt die Regierung den Firmen die Möglichkeit, ihre Steuern zwecks Wettbewerbsfähigkeit zu optimieren, droht eine gänzliche Abwanderung von US-Unternehmen ins Ausland», sagt Walker.

Mit dem Motto «Buffalo statt Bangalore» punktet Obama vorläufig bei den Bürgern Amerikas. Und darin sieht Martin Naville von der Swiss-American Chamber of Commerce die eigentlichen Ursachen des präsidialen Taktierens: «Wenn Obama im laufenden Jahr reiche Private und Unternehmen zur Kasse bittet, kann er nächstes Jahr den amerikanischen Bürgern eine Steuererhöhung besser verkaufen.»

About this publication