Guter Wille und böse Saat
DIETMAR OSTERMANN
Man kann Barack Obama nicht vorwerfen, dass er es sich leicht machen würde mit jenem Krieg, der zum wichtigsten militärischen Unterfangen seiner Präsidentschaft werden könnte. Im März hat der neue Präsident der USA einen umfassenden Plan vorgelegt, wie er Afghanistan zu stabilisieren gedenkt. Auf dem Papier stehen dort viele kluge Dinge. Washington begreift den Kampf am Hindukusch nicht mehr als rein militärische Auseinandersetzung.
Obama schickt 21 000 zusätzliche Soldaten, doch deren wichtigste Aufgabe soll die Absicherung eines größeren Aufbauwerks sein. Nicht mehr in erster Linie mit Bomben und Granaten wollen die USA den Krieg in Afghanistan gewinnen, sondern mit Brunnen und Schulen, mit ziviler Entwicklungshilfe und Diplomatie. Der Erfolg soll nicht mehr daran gemessen werden, wie viele Gegner getötet werden. Sondern daran, wie viele Afghanen sich gegen die Korankrieger der Taliban stellen.
So richtig dieser Ansatz aber sein mag, so groß ist die Kluft noch immer zwischen Amerikas strategischen Planspielen und der Realität in einer Region, in der der Krieg immer größere Kreise zieht. Obamas Afghanistan-Plan wäre vielleicht eine klügere Strategie für die vergangenen Jahre gewesen. Seit aber die Kämpfe auf Pakistan übergegriffen haben, stehen die USA im Grunde wieder ratlos vor einem Problem, das mit jeder neuen Wendung stets nur größer und komplizierter zu werden scheint.
So war denn letztlich auch Obamas Dreiertreffen mit den Präsidenten Afghanistans und Pakistans, Hamid Karsai und Asif Ali Zardari, im Weißen Haus nichts anderes als ein Zeichen des guten Willens – und der Ratlosigkeit. Obama hatte die Kollegen nach Washington gebeten, um eine gemeinsame Front der misstrauischen Nachbarn im Kampf gegen die Taliban zu schmieden. Getreu dem neuen ganzheitlichen Ansatz der US-Regierung wurde nicht nur über Militärisches gesprochen.
Es ging um zivile Hilfen, eine Modernisierung der Landwirtschaft, die Stärkung staatlicher Institutionen, den Aufbau einer unabhängigen Justiz. Obama rang den Gästen sogar das Versprechen ab, ein Handelsabkommen zu schließen. Man müsse, mahnte der US-Präsident, der Bedrohung durch Extremismus auch ein “positives Programm” entgegen- setzen.
Alles richtig. Doch die Realität im Kriegsgebiet sieht düster aus. Wie etwa soll der afghanisch-pakistanische Handel aufblühen, wenn die Taliban das Grenzland kontrollieren? Und wie sollen die Menschen je Vertrauen zu fremden Besatzern fassen, wenn die USA im Eifer des Gefechts weiter Kinder und Frauen bombardieren? Schon das eigene Militär, das hat der blutige US-Luftschlag in der afghanischen Farah-Provinz auf tragische Weise gezeigt, bleibt bei der Umsetzung von Obamas Strategie ein gefährlich unsicherer Kantonist. Die Generäle um David Petraeus mögen die neue Mission vom Kampf um die Herzen verinnerlicht haben. Im Schlachtennebel der Berge und Täler Afghanistans aber wird eben oft noch immer erst geschossen und dann gefragt.
Auch um seine Partner in Kabul und Islamabad ist Obama kaum zu beneiden. In Washington hat sich längst ein tiefes Misstrauen gegenüber dem Afghanen Karsai breitgemacht. Ein effektives Regieren traut man dem schwachen Präsidenten auch mit einem frischen Mandat nach der afghanischen Präsidentschaftswahl im August kaum zu. Mit einer weiteren Amtszeit Karsais aber scheinen sich die USA gleichwohl abgefunden zu haben. Schon an der verbreiteten Korruption und Afghanistans Warlords, so die Sorge in Washington, könnten Obamas Wiederaufbaupläne scheitern.
Über den Einfluss der USA auf die Entwicklung in Pakistan gibt man sich in der US-Kapitale gleich gar keinen Illusionen hin. Die unpopuläre Zardari-Regierung sorgt sich aus US-Sicht noch immer zuerst um den Machterhalt, das pakistanische Militär um den Erzfeind Indien. So gewaltig in Washington aber die Sorge um die Stabilität der Atommacht Pakistan ist, so wenig reale Handlungsoptionen gibt es. Militärisch kann Amerika in der 150-Millionen-Nation nichts ausrichten. Schon als die USA den Luftkrieg im pakistanischen Grenzgebiet verstärkt haben, sind die Taliban nur tiefer ins Land ausgewichen. Strategisch erweist sich das nun als Schuss nach hinten.
Und es zeigt die größte Gefahr für einen US-Präsidenten auf, der doch angetreten war, alles klüger zu machen: Passt Obama nicht auf, könnte er schnell in einen viel größeren Krieg gezogen werden.
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