In the Pillory

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Am Pranger

Von Jürgen Cain Külbel

12.05.2009

Washington macht Israels Atomwaffen überraschend zum Thema. Verwirrung und nervöse Reaktionen aus Tel Aviv

Rose Gottemoeller, Staatssekretärin im US-Außenministe­rium, sorgte vor nunmehr einer Woche in New York auf der Sitzung der 189 Unterzeichnerstaaten des Atomwaffensperrvertrags für eine mittlere Sensation: Die USA erwarteten von Indien, Pakistan, Nordkorea und Is­rael, dem Nichtverbreitungsvertrag von Atomwaffen (NVV) beizutreten. Die USA, so die Washington Times tags darauf (6.5.), zeige sich »vorbereitet, ein 40 Jahre altes Geheimabkommen, durch das Israels Nuklearwaffen vor internationaler Kontrolle abgeschirmt wurde, zum Entgleisen zu bringen«.

Bislang konnte sich Tel Aviv darauf verlassen, daß Washington die Kontrolle seiner Atomwaffenbestände verhinderte. In einem Geheimabkommen hatten Golda Meir und Richard Nixon 1969 vereinbart, daß sich Israel verpflichtet, keine Nukleartests durchzuführen; die USA verzichteten im Gegenzug darauf, Israel zur Ratifizierung des NVV zu drängen. Mit dem jüngsten Schritt bestätigte Wa­shington nun erstmals die Existenz israelischer Atomwaffen. Das Land soll mittlerweile über mehr als 200 Nuklearsprengköpfe verfügen.

Die »dramatische Kehrtwende« (Washington Post) in der US-Politik erwischte die Israelis kalt. Ex-Knesset-Abgeordnete Uzi Even, ein Wissenschaftler, der auch im Atomreaktor Dimona tätig war, kritisierte: »Die Amerikaner wußten, daß Israel Kernwaffen besitzt, schauten aber in die andere Richtung. Jetzt brechen sie diese –stillschweigende – Übereinkunft.« Und Dov Weissglas, einst Chefstratege von Expremier Ariel Scharon, sprach im Armeeradio gar von einer »äußerst besorgniserregenden Entwicklung«, die die Sicherheit Israels langfristig gefährden könne. Das Außenministerium zeigte sich von der Forderung »verwirrt«, denn »es sei schwer zu verstehen, warum auf einen Vertrag, der sich als ineffizient erwiesen hat, beharrt werden sollte«. Das eigene Nuklearpotential ignorierend, versuchte Tel Aviv in der vergangenen Woche, den Schwarzen Peter weiterzureichen: »Das Wundermittel (NVV) hat kein Land davon abgehalten, sich Atomwaffen zu besorgen, wie wir es im Fall Iran sehen können.«

Hossam Zaki, Sprecher des ägyptischen Außenministeriums, hielt in der Jerusalem Post (7.5.) dagegen: Die Versuche des Westens, Teheran von seinem Programm zur zivilen Nutzung der Kernenergie abzubringen, würden scheitern, weil diese Politik Tel Avis Atomprogramm als »größte Bedrohung für die regionale Sicherheit nicht berücksichtigt. Israels Atomwaffen stören das Gleichgewicht im Nahen Osten und veranlaßt andere Staaten zu eigenen Atomplänen«.

Der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, hatte schon im April in der saudischen Zeitung Al Medina gewarnt, es sei »Israels militärisches Nuklearprogramm, das die arabischen Länder beängstige, und nicht das iranische«. Es sei bewiesen, daß dieses militärisch sei. Dagegen gebe es »keinerlei Hinweise, daß Iran ein militärisches Nuklearprogramm betreibt«. Auch der Vorstoß des syrischen Präsident Baschar Al-Assad aus der vergangenen Woche geht in diese Richtung: »Jedes Land der Welt hat das Recht, Kernenergie für friedliche Zwecke zu nutzen, und das Recht wird durch einschlägige internationale Übereinkommen garantiert. Parteien, die Gespräche über den Verdacht auf ein militärisches Programm befürworten, sollen uns aus Gründen der Glaubwürdigkeit zeigen, was sie bezüglich des Jahrzehnten in Israel existierenden militärisch-nuklearen Programms unternommen haben.«

Washingtons Forderung, vermutet man in Tel Aviv, sei Teil der Drohkulisse, um Premier Benjamin Netanjahu zu Fortschritten im Friedensprozeß zu zwingen. Erst unlängst hatte US-Vize Joseph Biden barsch gefordert, Is­rael solle an der Zwei-Staaten-Lösung festhalten und die Siedlungspolitik aufgeben: »Baut keine weiteren Siedlungen, reißt bestehende Außenposten ab, erlaubt den Palästinensern Bewegungsfreiheit und gebt ihnen Zugang zu ökonomischen Chancen.« Nun scheint Washington von der aggressiven Nahostpolitik George W. Bushs abzuweichen und die Beziehungen zu Israel auch anderen Zielen unterzuordnen. »Was die Israelis fühlen, ist, daß Obama irgend etwas Neues in Sachen Iran tun möchte. Das könnte sehr gut etwas Neues in Sachen des israelischen (Atom-)Programm einschließen«, meint Henry Sokolski, Direktor des Washingtoner nichtstaatlichen Instituts Nuclear Nonproliferation Policy Education Center.

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