General Overhaul

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General-Überholung

US-Luftangriffe in Afghanistan, 9:07

Von Stefan Kornelius

12.05.2009

Die US-Luftangriffe erschüttern das Vertrauen der Afghanen. Jetzt suchen die USA eine neue Strategie für das Land. Der Kommandeur wurde abgelöst.

“Machen wir uns nichts vor – zurzeit gewinnen wir diesen Krieg nicht.” Ein Zitat, das kleben blieb wie Kaugummi – selbst wenn es nie so gesagt wurde. David McKiernan, Vier-Sterne-General der US Army und Kommandeur der Internationalen Sicherheitstruppe in Afghanistan (Isaf), wird für den Satz vielleicht in die Geschichtsbücher eingehen.

Aber ehe die Bücher geschrieben werden, ist McKiernan selbst Geschichte. Am Montagabend löste US-Verteidigungsminister Robert Gates den Kommandeur aller 60.000 zurzeit in Afghanistan stationierten Soldaten aus 42 Nationen ab. So schlecht begründet und überhastet hat noch kaum ein Befehlshaber seinen Platz räumen müssen.

Gates, der vergangenen Freitag noch in der Provinz Helmand gemeinsam mit McKiernan die Truppe besuchte, hatte nur ein paar schwache Argumente parat, warum er den kommandierenden General nach nur elf statt der üblichen 24 Monate von seinem Posten enthoben hat: Man müsse die neue Strategie mit frischem Blick umsetzen. Der Einsatz erfordere “neues Denken”. Mehr fiel dem Minister auch nicht ein.

Dabei war es McKiernan, der dem bunten, internationalen Haufen und vor allem den US-Streitkräften neues Denken verordnet hatte. Er drängte den scheidenden US-Präsidenten George W. Bush und den neuen Mann, Barack Obama, zu der bitter benötigten Truppenaufstockung um 20.000 Mann.

Er schrieb die neue Strategie, die seit Sommer vergangenen Jahres langsam in der Truppe umgesetzt wurde und sich – in ungewöhnlicher Umkehrung der üblichen Befehlswege – quasi von unten nach oben durchsetzte. Nach dem Regierungswechsel in Washington war es Obama, der den großen strategischen Entwurf für Afghanistan mit den Bausteinen aus McKiernans Plan zusammenfügte: mehr Truppen, mehr Sicherheit, paralleler ziviler Aufbau. Shape, clear, hold, build – erst die Truppen vor Ort bringen, dann die Befreiung der von den Taliban besetzten Gebiete, dann die Stabilisierung und schließlich der zivile Aufbau.

Erst unter McKiernan hatten die US-Truppen die richtige Sequenz begriffen und vor allem eingebläut bekommen, dass die dauernden Luftschläge mit den vielen zivilen Opfern der Strategie schadeten.

Ironie des Schicksals: McKiernan könnte zum politischen Opfer für exakt einen dieser Luftschläge geworden sein. Am vergangenen Mittwoch starben bei einem Angriff der USA auf zwei Dörfer im Westen Afghanistans Zivilisten, die nach hoher Wahrscheinlichkeit von den Taliban als lebende Schutzschilde genommen worden waren.

Auch wenn die afghanische Opferzahl – von 140 Toten war die Rede – zu hoch gegriffen sein wird, so hinterließ der Angriff schwersten politischen Schaden. Präsident Hamid Karsai, zum Zeitpunkt des Unglücks gerade in Washington, tobte selbst bei seinem Besuch in Deutschland am Montag vor den Kameras. Selbst wenn die Taliban die meisten zivilen Opfer zu verantworten haben – die Bevölkerung sieht immer mehr in den fremden Truppen das Übel.

Gates sagte, “nichts ist schiefgelaufen, und es gab nichts Spezielles” – ein deutlicher Hinweis darauf, dass ein politisches Opfer gebracht werden musste. McKiernans Zitat über den nicht zu gewinnenden Krieg war übrigens aus dem Kontext gerissen.

Der General sprach davon, dass man es in bestimmten Teilen des Landes schwer haben werde, wenn sich die Tendenz des Krieges nicht ändere. Aber für Feinheiten gibt es nicht viel Platz in Afghanistan.

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