Israel unter Druck – durch seine Freunde
Von Jörg Lau
Dienstag 12.05.2009
In der kommenden Woche wird der israelische Premier Netanjahu bei Barack Obama seinen Antrittsbesuch machen. Er wird dort den “neuen Ansatz” in der Palästinenserpolitik vorstellen, für den seine Koalition steht.
Ein zentraler Streitpunkt dabei wird sein, ob die israelische Regierung sich wie ihre Vorgänger die “Zweistaatenlösung” auf die Fahne schreibt. In mehreren Interviews hatte der neue Aussenminister Avigdor Lieberman erklärt, der Annapolis-Prozess sei gescheitert (mein Bericht hier). In Berlin, bei seinem Besuch am letzten Donnerstag, hat Liebermann sich offen lustig gemacht über die “Friedens-Industrie”, die in Jahrzehnten von Verhandlungen nichts gebracht habe.
Amerikaner und Europäer haben daraufhin abermals den Druck erhöht, die Israelis sollten sich dazu bekennen, weiter die Zweistaatenlösung zu verfolgen.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in diesem Sinn am Montag einstimmig eine Resolution verabschiedet, die beide Seiten auffordert, auf alle Schritte zu verzichten, die das Vertrauen unterminieren. Der Generalsekretär sagte gar, es sei “an der Zeit, dass Israel sein Verhalten fundamental ändert.” Auch die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice drängt jetzt auf “echte Ergebnisse”. So viel Druck hat Israel seit Jahren nicht von seinen Freunden zu spüren bekommen. Die eher links orientierte Tageszeitung Haaretz schrieb am letzten Freitag bereits besorgt über einen “Zusammenbruch der Kooperation zwischen den USA und Israel unter Obama”.
Der zweite zentrale Streitpunkt wird sein, was in Israel schon “linkage wars” genannt wird – die Debatte darüber, ob – und wenn ja, wie – die Bedrohung durch einen atomar aufrüstenden Iran mit der Frage der palästinensischen Staatlichkeit verknüpft sein sollte.
Die israelische Regierung möchte nämlich gerne das Thema wechseln: Wir können derzeit sowieso nichts mit den Palästinensern erreichen, liebe Verbündete, also lasst uns die Augen auf die iranische Bedrohung richten. Erst wenn wir diese Bedrohung einhegen oder besser noch ausschalten, werden die Palästinenser wieder verhandlungsfähig sein, weil die radikalen Gruppen (Hisbollah und Hamas) dann ihren Hauptsponsor verloren haben werden.
Umgekehrt argumentieren derzeit Israels Verbündete: Ein Fortschritt im Friedensprozess, liebe Israelis, macht es uns sehr viel leichter, eine glaubwürdige Drucksituation gegen Iran und die von ihm gesponserten Terroristen aufzubauen. Iran wird so das Spiel verdorben, sich als einzig authentischer Pate der Palästinenser aufzuspielen, während die so genannten “moderaten” Araber blamiert dastehen, weil nichts für ihre Klienten erreichen können.
Obamas Aussenministerin Clinton besteht darauf, dass Israel die gewünschte Unterstützung gegen die iranische Gefahr nur dann bekommen könne, wenn es nicht “an der Seitenlinie” stehen bleibe bei der Lösung der Palästinafrage. Die arabischen Regime seien allesamt willig, so Clinton, gegen Irans Hegemonieansprüche in der Region Druck zu machen – aber nur, wenn Israel unverzüglich bereit sei, mit der PA wieder in Verhandlung zu treten. Amerika sei ausserdem bereit, eine mögliche Einheistregierung aus Fatah und Hamas zu unterstützen.
Israel lehnt letzteres ab, so lange Hamas nicht klar und deutlich die “Quartettkriterien” erfüllt – Gewaltverzicht, Anerkennung Israels und aller bisherigen Vereinbarungen.
Der israelische Vizeaussenminister Danny Ayalon hat gegenüber der Washington Post die amerikanische Verknüpfung des iranischen mit dem palästinensischen Problem mit einer eigenen Version des “linkage” gekontert:
The new Israeli government will not move ahead on the core issues of peace talks with the Palestinians until it sees progress in US efforts to stop Iran’s suspected pursuit of a nuclear weapon and limit Teheran’s rising influence in the region.
Zu Deutsch: Wenn ihr dem Iran nicht mehr Druck macht, tun wir nichts für die Palästinenser.
Das ist eine ziemlich törichte Position, weil sie erstens Israels Hebelkraft überschätzt – und zweitens die Palästinenser zur Geisel der Iraner macht, ganz so, wie es die Iraner ja auch gern sehen. Ayalon gibt damit Iran de facto die Einflußposition auf den Nahostprozess, die sich das Land seit langem anmaßt. Und er schlägt die moderaten arabischen Partner ins Gesicht, auf die Israel sich sonst gerne bezieht, um die Breite der Front gegen Iran zu beschwören.
Ayalon muss selber gemerkt haben, dass diese Position unhaltbar ist – und so hat er sie jüngst zurückgezogen. Gegenüber der Jerusalem Post sagte er am letzten Donnerstag: “Wir müssen die iranische Bedrohung stoppen, als gäbe es keinen Konflikt mit den Palästinensern, und wir müssen mit den Palästinensern vorwärts kommen als gäbe es keine nukleare Bedrohung aus dem Iran”.
Wie bedroht sich die Israelis unter dem Druck ihrer Freunde und der Umstände in der Region sehen, zeigt jetzt ein bereits viel diskutierter alarmistischer Essay des neuen israelischen Botschafters in den Vereinigten Staaten, Michael B. Oren in der neokonservativen Zeitschrift Commentary. Oren zählt nicht weniger als sieben existenzielle Bedrohungen Israels auf, darunter interessanter Weise nicht nur äußere, sondern auch innere Zerfallsfaktoren:
– der Verlust Jerusalem als symbolisches Zentrum des jüdischen Staates
– die demographische Bedrohung durch den arabischen Bevölkerungszuwachs (ein binationaler Staat wäre das Ende des zionistischen Projekts)
– die internationale Delegitimierung Israels wegen der Besatzung als “das neue Südafrika”
– die terroristische Gefahr durch die immer besseren Raketen der Hisbollah und Hamas
– die iranische Atombombe
– die Ausblutung der Staatssouveränität (angesichts der wachsenden Bevölkerungsteile der Araber und der jüdisch Orthodoxen, die beide illoyal zum Staat stehen)
– die moralische Erosion Israels durch seine korrupten Eliten (die Knesset ist die Institution mit dem geringsten Ansehem im Land).
Das ist ein finsteres Bild. Der Botschafter spricht von einem “Zusammenbruch der öffentlichen Moral” in seinem eigenen Land! Er malt die Aussicht an die Wand, dass alle Israelis, die es können, das Land verlassen werden, wenn die sieben Bedrohungen nicht gekontert werden.
Am kommenden Montag, wenn Premier Netanjahu bei Barack Obama zu Gast sein wird, kann man eine erste Ahnung bekommen, ob die neue Regierung willens und in der Lage dazu ist.
On Monday, May 18th, the man who is the new figurehead of AIPAC, Benjamin Netanyahu, will be meeting with President Barack Obama in the White House. Netanyahu, of course, lives in Israel, but his most powerful constituency is right here in the US, the American Israel Public Affairs Committee. This unelected body has a claimed membership of 100,000 which is approximately just 0.032% of the overall population yet is said to be the most powerful lobbying organization in America. How can that be?
Just a few short months ago, the electorate voted in an administration headed by Barack Obama, a man of unquestioned integrity, who has made a commitment to the establishment of a Palestinian state. However, his visitor, Netanyahu, is on public record as saying the opposite and denying that an autonomous Palestinian state will ever be established.
The problem is that Israel confidently believes that through its creature lobby, AIPAC, it can impose its own agenda upon America, which is: no Palestinian state and no peace in the Middle East – but a continuation of the US as Israel’s most import market for bilateral trade including military hardware. How does it do that?
The US is committed to a closing down of Israeli settlements in the West Bank and Israel is committed to the expansion of these illegal settlements. But how is it possible for Israel to act against the wishes of its supplier, customer, mentor and financier?
Why is Israel, and its lobby, AIPAC, so supremely confident that they can make the White House do whatever they ask and bow to their every bidding? Why should our government be running scared of this tiny, Mediterranean state? Anybody know?
What does the US get in return? Answer: zilch, other than to make it a laughing-stock as the dog that is wagged by a tail from half way across the world in the Middle East.