04.06.2009
Die muslimische Welt ist ganz Ohr
Von Roland Etzel
Der US-Präsident hat den hohen Erwartungsdruck an seine Kairoer Rede selbst erzeugt
In der Kairo-Universität will US-Präsident Obama am heutigen Donnerstag eine Grundsatzrede halten, die nicht nur an die Araber gerichtet sein soll, sondern an alle Muslime weltweit.
»Letztlich werden es von jetzt an die Taten und nicht die Worte sein, die den Fortschritt bestimmen«, beschied US-Präsident Barack Obama am Dienstag einen BBC-Reporter auf die Frage zum künftigen Verhältnis zwischen der größten westlichen Macht und der größten der Weltreligionen. Und um auch gar nicht missverstanden zu werden, fügte er hinzu: Notwendig, um Fehleinschätzungen und Missverständnisse zwischen der abendländischen und der muslimischen Welt aus dem Weg zu räumen, sei nicht nur ein Dialog, sondern eine neue Politik. Geringer hätte er die Erwartungen an seine heutige Rede kaum schrauben können.
Aber nicht allein deshalb dürfte ihm die Aufmerksamkeit der Millionen Gläubigen von Dakar bis Djakarta gewiss sein. Obama ist der erste Mann im Weißen Haus, dessen Vorfahren aus ihrem Kulturkreis kommen. Sein Vater war praktizierender Muslim in Kenia, und Barack Obamas zweiter Vorname ist Hussein – ein Name, den Millionen von Muslimen tragen und der im Wortsinne prophetischen Klang besitzt, denn Hussein war jener Enkel Mohammeds, der 680 auf dem Schlachtfeld den Märtyrertod starb.
Noch im US-Wahlkampf 2008 galt der Name Hussein als Handicap, bot er doch Anlass für hämisch-gehässige Kommentare des Republikanerlagers. Nun soll er also die Brücke bauen zwischen der Supermacht, die das islamische Kerngebiet Naher und Mittlerer Osten ebenso selbstverständlich wie unverschämt als ihr strategisches Interessengebiet ausweist, und dessen Bevölkerung.
Einerseits ist das leicht. Das Kapitel George Bush jun. mit seinem Übermaß an militärischer Aggressivität, ideologischer Überheblichkeit, aber auch erschreckender Lächerlichkeit im politischen Auftreten kann von Obama beim schlechtesten Willen nicht unterboten werden. Aber so niedrig sind die Ansprüche eben nicht.
Was der gestrige Gastgeber König Abdullah von Saudi-Arabien noch diplomatisch mit »Fairness und Gerechtigkeit gegenüber den Angelegenheiten der Araber und Muslime« umschrieb, brachten die meisten arabischen Medien auf den Punkt. »Stunde der Wahrheit« lautet die meistgebrauchte Formulierung der Kolumnisten. Sie erwarten in Bezug auf den Nahostkonflikt nach einem Jahrzehnt der Enttäuschung, dass die USA ihre Nibelungentreue zur israelischen Staatspolitik überdenken und namentlich die gegenwärtige Regierung zur Ordnung rufen; zumal die Araber sehr gut wissen, dass die Amerikaner dazu als beinahe einzige auch in der Lage sind.
Hier spätestens kommt das Andererseits, denn es ist nicht erkennbar, wie Obama einen derartigen Politikwechsel zu Hause bewerkstelligen könnte, selbst wenn er es wollte. Die sogenannten Liberalen mit ihrer Behauptung, Obama stärke mit seiner Rede lediglich die autokratischen Regimes in der arabischen Welt, ernten für diesen Vorwurf sowohl dort als auch zu Hause nur verständnisloses Kopfschütteln. Die oppositionellen Republikaner im Kongress wiederum haben sich von ihrer Wahlniederlage noch längst nicht erholt und kommen über ein defensives Gemaule über Obamas »Entschuldigungstour« derzeit nicht hinaus.
Nein, die gefährlichsten Blockierer kommen aus seiner eigenen Demokratischen Partei. Sie haben Obama schon beim Fall Guantanamo unmissverständlich zurückgepfiffen und würden das nach Lage der Dinge auch in Sachen Israel tun, falls Obama dessen Regierung tatsächlich mit Liebesentzug droht. Die demokratischen Skeptiker in Sachen Versöhnung mit den Muslimen – und zu denen gehört auch Außenministerin Hillary Clinton – haben das bereits angedeutet.
Muss Obama also scheitern, weil er den Mund ganz so wie Bush jun. einfach nur zu voll genommen hat? Eigentlich ist das nicht denkbar. Eher wird ihm der Versuch einer salomonischen Antwort zugetraut. Bereits kurz nach seiner Wahl im Januar sagte Obama: »Es ist meine Aufgabe, der muslimischen Welt zu vermitteln, dass die Amerikaner nicht ihre Feinde sind. Ein Satz, der für den Beginn einer anderen Politik stehen kann, aber genauso für die Fortsetzung der bisherigen, auf etwas weniger brachiale Art.
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