A New Beginning with an Old Enemy

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Neuanfang mit dem alten Feind

Von Christoph Bertram

Auch wenn die Enttäuschung groß ist: Trotz der Wiederwahl des iranischen Präsidenten Ahmadineschad muss US-Präsident Obama jetzt auf das Regime in Teheran zugehen und den direkten Dialog suchen

Wer nach dem Wahlsieg des iranischen Präsidenten Achmadineschad die amerikanischen Bemühungen um ein neues Verhältnis zur Islamischen Republik für gescheitert erklärt, hat nichts verstanden. Denn der entscheidende Test für diese Bemühungen liegt vorerst nicht in Teheran, er liegt in Washington.

Natürlich ist die Enttäuschung über den Wahlausgang groß, vor allem bei den vielen Menschen in Iran selbst, die von Achmadineschads Gegner Mussawi einen anderen Stil in der iranischen Innen- und Außenpolitik erhofft hatten. Ob es bei der Stimmenauszählung dieser Wahl, die schon im vorhinein auf den Wettstreit zwischen dem Regime genehmen Kandidaten beschränkt war, erhebliche Unregelmäßigkeiten gab, wird sich kaum beweisen lassen. Aber die entscheidenden politischen Kräfte in der Führung des Landes hätten den Sieg eines wirklichen Reformers ohnehin zu verhindern gewusst; auf etwas anderes zu hoffen, war schlicht naiv.

Denn Wahlen sind in der Islamischen Republik Iran nicht Mittel zu verträglichem Machtwechsel, sondern Manifestationen zur Bestätigung des Regimes. Der oberste geistliche und politische Führer Ayatollah Chamenei bezieht seine Legitimation nicht aus demokratischer Abstimmung, sondern aus göttlicher Erwählung. Er, nicht der Präsident, wie immer er heißt, hat bei allen wichtigen Entscheidungen das maßgebliche Wort. In der hohen, 80-prozentigen Wahlbeteiligung, nicht im Ausgang der Wahl, sah deshalb Chamenei daher in seiner ersten Stellungnahme vor allem eine Anerkennung der Legitimität des Regimes; eine „Bekräftigung für den weiteren Fortschritt des Landes und die Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit.“

Wenn der amerikanischen Präsident Barack Obama nun den längst überfälligen Versuch unternehmen will, mit Iran zu einem neuen Verhältnis zu gelangen, muss er mit diesem Regime sprechen – wer immer es repräsentiert. Das wäre mit einem vermeintlich verbindlicheren Mussawi womöglich sogar noch schwieriger geworden, weil der jeden Verdacht eilfertiger Kompromissbereitschaft hätte vermeiden müssen, als mit dem polternden, als Hardliner ausgewiesenen Achmadineschad. Vor allem aber muss Obama glaubhaft machen, dass es ihm mit der Suche nach einem Neuanfang wirklich ernst ist.

Wegen des tiefen Misstrauens, mit dem die Führung in Teheran die USA betrachtet, ist diese Glaubwürdigkeit nur mit großer Entschlossenheit und Geduld zu erreichen. Wahrscheinlich hat die Entspannungsinitiative Obamas dieses Misstrauen sogar noch erhöht, weil das Regime von dem Fortfall des bequemen Feindbildes vom „Großen Satan Amerika“ eine Schwächung des Rückhalts im eigenen Lande befürchtet.

Barack Obama hat ermutigende Signale an Iran ausgesendet. In seinem ersten Interview als Präsident, bezeichnenderweise mit einem arabischen Sender, hat er die Bereitschaft zu einem direkten, umfassenden Dialog auf der Basis gegenseitigen Respekts bekundet. In seiner Botschaft zum iranischen Neujahrsfest im März hat er Drohungen als Mittel der Diplomatie verurteilt und dem alten Ziel eines Regimewechsels in Teheran abgeschworen. In seiner Kairo-Rede Anfang Juni hat er als erster amerikanischer Präsident eingeräumt, dass die USA in den fünfziger Jahren am Sturz der demokratisch gewählten Regierung Mossadegh beteiligt waren Damit kam er einer langjährigen iranische Forderung nach. Die verbalen Signale stimmen also alle.

Nun müssen Taten folgen. Damit wollte Obama bis nach der iranischen Wahl warten. Jetzt hat das Außenministerium in Washington bekräftigt, die Entscheidung des Präsidenten, sich um einen Ausgleich mit Iran zu bemühen, sei vom Wahlausgang unabhängig. In den kommenden Monaten ist deshalb eine formelle Einladung zur Aufnahme direkter Gespräche wahrscheinlich, ebenso eine grundsätzlich positive Antwort aus Teheran. Für einen Neuanfang reicht das jedoch nicht aus, allenfalls für den unfruchtbaren Austausch alter Beschuldigungen – eine Methode, in der die Iraner Meister sind.

Obama muss vielmehr Mut beweisen, die eigenen Überzeugungen durchzusetzen, auch gegen Widerstände im eigenen Land. Wer ein neues Verhältnis zu Iran anstrebt, darf sich nicht allein in der Atomfrage festbeißen, sondern muss bereit sein, die gesamte Breite der Beziehungen zu erörtern. Wer Respekt zur Grundlage des Dialogs machen will, darf nicht schon jetzt neue Wirtschaftssanktionen androhen, falls der Iran sich amerikanischen Wünschen nicht fügt. Und wer die Herausforderung ernst nimmt, iranisches Misstrauen zu überwinden, darf nicht zu schnell Ergebnisse erwarten und verlangen.

Nicht der gelenkte Wahlausgang in Teheran ist deshalb entscheidend dafür, ob das Verhältnis zwischen dem Land und dem Westen neu geordnet werden kann und dabei vielleicht auch eine brauchbare Lösung für das iranische Atomprogramm gefunden wird, sondern die Entschlossenheit Obamas. Womöglich wird aber selbst die am Ende an iranischer Uneinsichtigkeit scheitern. Doch die Wiederwahl Achamdineschads darf nicht als Rechtfertigung dafür herhalten, es nicht wenigstens zu versuchen.

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