Obamas' Four-Country Tour:On Tour with Potus and Flotus

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OBAMAS VIERLÄNDERREISE

Auf Tour mit Potus und Flotus

Im Obama-Land gibt es keine Reisepässe, die ehernen Gesetze der Luftfahrt sind außer Kraft – und wer braucht schon ein Visum? Unterwegs mit dem US-Präsidenten, alias Potus, lernt der Begleiter eine neue Welt kennen. Ein etwas anderer Reisebericht von Gabor Steingart.

“Der Heilige Koran lehrt uns: Vertraue Gott und sprich immer die Wahrheit”, so mahnte US-Präsident Barack Obama in der Universität von Kairo am vergangenen Donnerstag. Es sei Zeit für ein “new beginning”.

AP

US-Präsident Obama mit Gattin Michelle: Potus und Flotus in Paris

Wenn der Koran, Gott und Obama dasselbe sagen, sollte sich wohl besser keiner verweigern. Wahrheitsgemäß berichte ich also im Folgenden über jene denkwürdige Reise des Präsidenten, die vor wenigen Stunden zu Ende ging.

In der Zeitung stand, die Reise hätte über Riad, Kairo, Dresden und Paris zurück nach Washington geführt. In Wahrheit aber führte sie tief ins Obama-Land. So oder so ähnlich könnte die neue Welt bald aussehen.

Obama-Land ist ein Land, in dem es keine Pässe und kein Gepäck mehr gibt, denn beides hatte das Weiße Haus vorher eingesammelt. So betrat denn das White House Press Corps, wie sich unsere kleine Expeditionstrupp nannte, fremde Länder mit federleichtem Schritt.

Die Scheichs in Saudi-Arabien nickten uns am Flughafen freundlich zu. Selbst der BBC-Kollege, der sich mit Trainingshose und Badeschlappen auf den Weg in den Orient gemacht hatte, durfte hinein.

Auch die Grenzpolizisten in Kairo ließen die Handschellen am Gürtel. Die deutschen Schäferhunde in Dresden hatten Schnupperverbot, als das White House Press Corps in Sachsen einmarschierte. Einreisezeit jeweils 30 Sekunden.

Wir reisten in einem eigenen Flugzeug, das sich White House Press Corps Charter nennt. Bemerkenswert an Bord dieser Maschine ist, das nahezu alles, was die resoluten Stewardessen der Lufthansa seit Jahrzehnten als eherne Gesetze der Luftfahrt ausgeben, im Press Corps Charter keine Gültigkeit zu besitzen scheint.

OBAMA AUF REISEN: GROSSE REDE UND KLEINE SNACKS

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Bei Start oder Landung in der Maschine herumlaufen, sei nicht erlaubt, hieß es doch immer. Hier offenbar nicht. Mit dem Handy telefonieren, das sei gefährlich für die Bordelektronik. Hier durfte gesimst und telefoniert werden, bis die Verbindung zum Boden riss. Anschnallpflicht? Rückenlehne senkrecht stellen? Computer ausschalten? In Obama-Land begann die Freiheit noch unter den Wolken.

Das Press Corps hat wie jede ordentliche Armeeeinheit eine klare Führungsstruktur, die sich im Flugzeug mit geradezu wissenschaftlicher Präzision studieren lässt. Vorne, wo die Sitze sich zu Betten ausfahren lassen, haben die Fünf-Sterne-Generäle ihr Quartier errichtet. Es sind die bekannten TV-Reporter der großen nationalen US-Sender CNN, Fox News, CBS und ABC. Man erkennt sie daran, dass der Blackberry an ihrer Hand festgewachsen scheint und sie auch bei grauem Himmel gern Sonnenbrille tragen.

Dahinter folgen als Offiziere die politischen Korrespondenten von “Washington Post”, “New York Times”, “Chicago Tribune” und einigen anderen bedeutenden Zeitungen der USA. Mit ihnen muss man sehr einfühlsam reden in diesen Tagen, weil ihre Zeitungen gerade im Sterben liegen. Es kann sein, dass sie Obamas neue Welt nur noch als freischaffende Blogger erleben. Kein Wunder, dass sie sich mehr für Anzeigenkunden als für den Koran interessieren.

Das Fußvolk des Press Corps besteht aus dem, was die internationale Medienwelt sonst so hervorgebracht hat. Von “Le Monde” aus Frankreich bis zu “Tokyo Shimbun” aus Japan sind alle an Bord. Das kleine Kastenwesen kann die Stimmung nicht trüben. Obama hat ja gesagt, dass eine einzige Rede nicht gleich die ganze Welt verändern werde. Wir müssen also geduldig sein.

OBAMAS VIERLÄNDERREISE

Auf Tour mit Potus und Flotus

2. Teil: Alles sicher in der Obama-Welt

Der Präsident ist zudem deutlich schlechter gestellt als die ihn begleitenden Medien. Er ist die Nummer eins der westlichen Welt, und was nützt es ihm? Sein Präsidentenflugzeug, die Air Force One, durfte erst nach uns landen. Ein winkender Präsident auf rotem Teppich vor einheimischer Militärkapelle ist nun mal ohne TV-Liveschaltung nicht viel wert. König Abdullah hat viel Öl. Aber CNN hat viele Zuschauer.

OBAMAS HISTORISCHE REDE: NEUANFANG IN KAIRO

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Das Schöne an der Obama-Welt ist, dass alles so sicher ist. Gut alle 30 Minuten wird in Amerika ein Mensch ermordet. Auf den Auslandsreisen der Präsidenten aber sind Fieber und Magengrimmen die bisher schlimmsten Vorkommnisse.

Das liegt auch daran, dass der Präsident und alle, die ihm nahe kommen dürfen, sich in einer “Bubble”, einer Blase, bewegen, wie die Experten vom FBI das Sicherheitsnetz um ihn herum nennen. Das Volk wird auf Abstand gehalten. Die Lebensläufe der Menschen, die er trifft, sind gut durchleuchtet. Selbst das Zufällige ist sauber geplant. In der großen Blase gibt es keine Gewalt, keine Sprechchöre, und wenn es ernst wird, auch keinen Handy-Empfang.

Wenige Minuten, bevor der Präsident in Kairo ans Rednerpult trat, durchschnitt ein Störsender, die die Amerikaner mitgebracht hatten, die Funkwellen. “No service”, meldete das Telefon. Viele Araber in der Kairoer Universität konnten ihr Schicksal kaum fassen, gehören doch Gebetskette und Mobiltelefon zur Grundausstattung der modernen muslimischen Welt.

Das White House Press Corps war besser dran. Die bienenfleißigen Helferinnen aus dem Weißen Haus – Samantha, Kathie, Jennifer und wie sie alle heißen – hatten sofort ein geheimes Netzwerk-Passwort zur Hand. Das wurde nun von den Generälen bis zu den einfachen Mannschaften weitergeflüstert, und schon schnurrten die Computer. Obama-Land liegt nunmal direkt an der Auffahrt zum Internet-Highway.

Obamas Welt ist ohnehin ein technisch hochentwickeltes Universum. Seine Reden gab es auf Twitter, Facebook und per SMS für die Mitreisenden schon, bevor er sie gehalten hatte. Der Präsident brauchte nur noch vorlesen.

Auch bei der politischen Bewertung wurde kein mitreisender Journalist allein gelassen. Der Sprecher des Weißen Hauses, Robert Gibbs, und Obamas-Chefstratege David Axelrod halfen einfühlsam beim Verstehen. Man konnte sie im Hotel treffen oder sich per Konferenzschaltung mit ihnen unterhalten: “Wer eine Frage hat, drückt ‘*1’.”

Eine Welt erhabener, großer Gefühle

Nur entkommen konnte man ihnen nicht: Das Wortprotokoll ihrer Erläuterungen wurde ungefragt nachgeliefert. So lernt man, dass der Präsident auf dieser Reise viele “big moments” hatte, wie Axelrod sich ausdrückte. Die Obama-Welt ist eine Welt erhabener Gefühle.

Eine transparente Welt ist sie auch, was den Generälen und Offizieren im Press Corps nicht so recht zu behagen schien. Der Präsident besteht nämlich vom ersten Tag seiner Amtszeit darauf, dass er keine Geheimnisse hat. Jeden Tag darf einer der amerikanischen Kollegen ihm auf Schritt und Tritt folgen – und muss anschließend per E-Mail an die anderen präzise berichten. So gewährt Obama Nähe, aber keine Exklusivität. Der Präsident gehöre allen, sagt er.

Vielleicht zur Strafe für diese Vorstufe zur kastenlosen Gesellschaft benutzen die US-Kollegen besonders gern zwei gängige verniedlichende Abkürzungen: Sie bezeichnen in ihren “Pool-Berichten” den “Präsidenten of the United States” als “Potus”. Die First Lady of the United States heißt hier nicht Michelle Obama, sondern “Flotus”.

Dabei liegen die Vorteile dieses Verfahrens auf der Hand. Der Präsident wird nicht von einer ganzen Meute gejagt, und unsereins konnte die Zeit vor dem Rückflug im Pariser Louvre verbringen. Dem Präsidentenehepaar war man auch dort ganz nahe.

Potus und Flotus, so hieß es im Pool-Bericht Nummer eins, hätten früh schon ihre Schlafstätte im Haus des US-Botschafters verlassen. Sie seien nach kurzer Fahrt, meldete Pool-Bericht Nummer zwei, in der Tiefgarage des Centre Pompidou angekommen, um dort moderne Kunst zu genießen.

Der Präsident überlistet die Presse

Eine Uhr brauchte ich nun nicht mehr. Nach zwei Stunden berichtete Pool-Bericht Nummer drei, dass Potus und Flotus die Tiefgarage ihres Museums verlassen hatten. Nun musste auch ich mich beeilen. Der Press Corps Charter wartet nicht gern.

Nirgends sind sich islamische und westliche Welt so nahe wie im Himmel. Die einen freuen sich auf die Jungfrauen, die der Koran ihnen in Aussicht stellt. Das White House Press Corps freute sich auf die Rückreise an Bord des Charter Jumbos. Eine freundliche Stimme empfing die Rückkehrer mit der Durchsage: “The Champagne is flowing and you should be in it.”

Irgendwie hat uns Obama beim Rückflug überlistet. Er war eher zu Hause. Im Pool-Bericht, den wir noch im Landeanflug empfingen, hieß es: Potus habe das Weiße Haus kurz besucht und gleich wieder verlassen – “bewaffnet mit seiner Golfausrüstung”.

Die Obama-Welt kann verwirrend modern sein.

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