Angela Merkel Campaignsin Washington

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Wahlkampf in Washington

Merkel besucht Obama21.06.2009, 12:25

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Während die Annäherungsversuche des SPD-Kanzlerkandidaten im Weißen Haus nicht goutiert wurden, mutiert die Kanzlerin zum Lieblingsalliierten des US-Präsidenten.

Die Kanzlerin mutiert zur Lieblingsalliierten – vielleicht auch, weil das Verhältnis zu den Deutschen im Allgemeinen und zur großen Koalition im Besonderen nicht komplikationsfrei war und deswegen jetzt speziell gepflegt werden muss. Merkel spielte die Rolle der Braut, die sich nicht traut: Sie zierte sich, machte sich rar. Nun scheint sie das Jawort zu geben, damit ihr in Washington nicht jener Titel verliehen wird, den einst Margret Thatcher trug: Madame No.

Merkel gerät in diese Rolle dank günstiger Umstände. Auf dem europäischen Kontinent ist das Angebot an politischem Spitzenpersonal überschaubar. Gordon Brown aus London fällt wegen innerer Turbulenzen aus, Nicolas Sarkozy hinterließ in Washington einen gar zu geflissentlichen und oberflächlichen Eindruck. Frankreichs Präsident verspricht viel, liefert aber wenig.

Bleibt also Merkel, die sich noch dazu einer gewissen Wesensverwandtschaft mit Obama erfreuen kann. Beide verstehen sich als politische Quereinsteiger, die es aus einer Minderheitenrolle heraus – er als Schwarzer, sie als ostdeutsche Frau – an die Spitze geschafft haben. Merkel bewundert (und beneidet) Obama wegen seines Charismas. So weit, so harmonisch – wäre da nicht die Taktikerin und Innenpolitikerin Merkel, die im September eine Wahl zu bestreiten hat.

Ihr Herausforderer Frank-Walter Steinmeier hat seinen eigenen Wettlauf um die Gunst in Washington schon gestartet. Aus Sicht der Obama-Mannschaft mit ähnlichem Erfolg wie Sarkozy. Steinmeiers “Offener Brief” an Obama noch vor dessen Inauguration, eine einseitige Interpretation der Prager Rede des Präsidenten zur Abrüstung und der als protokollarisch unpassend empfundene Wunsch nach einem Tête-à-tête im Weißen Haus haben klargemacht, dass der deutsche Wahlkampf die US-Hauptstadt erreicht hat.

Merkels Vorteil ist: Sie fliegt mit dem Amtsbonus über den Atlantik und entschuldigt alle ihre politischen Zögerlichkeiten mit den Zwängen der deutschen Wahlentscheidung. Afghanistan, Nato-Reform, Guantanamo – Merkel sagt nein (auch wenn an einer symbolischen Guantanamo-Geste gearbeitet wird). Stattdessen drängt sie beim Klima und der Finanzmarktreform, aber da könnte der US-Präsident sie abblitzen lassen.

Der Simultanschachspieler Obama wird nicht jede Partie gewinnen können. Beim Klima-Spiel ist die neue Regierung am ehesten bereit, ein Remis auszurufen. Dafür hat Obama andere Pläne. Deutschland soll mehr Verantwortung übernehmen: in Afghanistan, bei der Nato, gegenüber Russland und Iran. Die USA bitten um einen stärkeren und einsatzfreudigen Verbündeten. Eine Antwort wird spätestens nach der Bundestagswahl fällig.

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