U.S. and Germany’s New Beginning

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Kommentar

Respekt ist genug!

Keiner soll mehr sagen, Barack Obama und Angela Merkel könnten nicht miteinander. Der US-Präsident

überschüttet die Kanzlerin mit übertriebenen Komplimenten, um jeden Zweifel auszuräumen. Dabei reicht es

schon, wenn die beiden eine konstruktive Arbeitsebene finden.

Drei Anläufe haben Angela Merkel und Barack Obama gebraucht, um der Welt glaubhaft zu versichern, dass sie zueinander finden können. Nach der Pressekonferenz vom Freitag im prunkvollen East Room des Weißen Hauses soll es kein Journalist mehr wagen, Schlechtes über das Verhältnis der beiden zu berichten. Klug und praktisch veranlagt sei die deutsche Kanzlerin, schwärmte der Gastgeber. Dass Deutschland einen Sonnenplatz in seinem Herzen habe, liege auch daran, dass er Angela Merkel so gerne habe.

Merkel dürfte zufrieden zurück nach Berlin gereist sein. Wer in Deutschland Wahlkampf macht, kann sich den Eindruck nicht leisten, mit Barack Obama nicht zu können. Doch auch der Amerikaner kann kein Interesse an einem angespannten Verhältnis zu Europas größter Wirtschaftsmacht haben. Mit Merkel an seiner Seite ließen sich die iranischen Mullahs, die in diesen Tagen ihr eigenes Volk niederknüppeln lassen, leichter verurteilen. Amerika will nicht alleine den Buhmann geben, der sich von der Führung in Teheran Einmischung in innere Angelegenheiten vorwerfen lassen muss – und Amerika braucht Partner, um die Dialogstrukturen über das iranische Atomprogramm über die aktuelle Krise zu retten.

Die Anwesenheit der Kanzlerin war auch innenpolitisch nützlich für Obama. An einem Tag, an dem das US-Repräsentantenhaus über das amerikanische Klimaschutzgesetz abstimmte, kann es nicht geschadet

haben, dass die Deutsche dem US-Präsidenten zu dessen „Trendwende hin zu einer wirklich ambitionierten Klimapolitik“ gratulierte – ohne zu erwähnen, dass man sich noch mehr von den USA wünsche, als diese in ihrem 1200 Seiten schweren Gesetzesentwurf, der als nächstes den Senat passieren muss, vorgesehen haben.

Und auch Obama hielt sich zurück mit Forderungen an die Deutschen. Statt Anfragen nach einem größeren deutschen Engagement in Afghanistan gab es Lob für die Bundeswehr im Nordosten und Beileid für die drei deutschen Soldaten, die dort letzte Woche gefallen waren. Auch die amerikanische Kritik an der deutschen Skepsis gegenüber großen Konjunkturprogrammen ist verstummt – stattdessen akzeptiert man in Washington jetzt die deutsche Version, wonach die indirekte Wirkung des deutschen Sozialstaates eingerechnet werden müsse. Und zum deutschen Zögern angesichts der amerikanischen Bitte um die Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen sagte Obama, er verstehe, dass man in Berlin erst prüfen müsse, ob das mit der nationalen Sicherheit vereinbar sei.

Es klang wie das Ergebnis eines sachlichen Meinungsaustausches – und es klang so, als hätten beide Seiten Verständnis für die politischen Beschränkungen des anderen aufgebracht und dabei auch

persönlichen Respekt füreinander entwickelt. Die distanziert-ironische Art der Kanzlerin mag dem Amerikaner ebenso fremd sein wie ihr der amerikanische Hang zu triefendem Überschwang. Aber Obama nickte nachdenklich, als sie davon sprach, dass der Westen die Pflicht habe, den Verbleib jedes einzelnen Opfers staatlicher Repression im Iran zu recherchieren. Aus ihrer eigenen Vergangenheit in der DDR wisse sie, „wie wichtig es ist, dass es Menschen gibt, die sich darum kümmern, wo andere Menschen

geblieben sind“.

Merkel gab sich Mühe, sich dem Phänomen Obama auf ihre Art zu nähern. Freundschaftsinszenierungen

wie sie der Franzose Nicholas Sarkozy zelebriert hat, sind ihre Sache ebenso wenig wie die anbiedernde Gefälligkeit des Briten Gordon Brown. Die nüchterne Ostdeutsche weigert sich, sich vom Superstar-Virus infizieren zu lassen. Stattdessen hat sie Obamas Autobiographie studiert und versucht, sich den kleinen Jungen vorzustellen, der als Sohn eines Afrikaners und einer weißen Amerikanerin in Hawaii und

Indonesien aufwuchs und so früh lernte, die Welt nicht nur aus amerikanischer Sicht, sondern auch von

außen zu betrachten.

Das mag nicht der Beginn einer wunderbaren Freundschaft sein, aber es reicht um festzustellen, dass

Deutschland und die USA trotz aller Unterschiede in vieler Hinsicht die gleichen Werte teilen, aus denen

sich gemeinsame strategische Interessen ableiten lassen. So viel Einigkeit im Grundsatz wie seit Obamas Amtsantritt war im transatlantischen Verhältnis lange nicht mehr, auch wenn die Herangehensweisen

unterschiedliche sein mögen. Und wenn zwei Regierungschefs sich treffen, sollte es darum gehen, solche

gemeinsamen Interessen auszuloten, und nicht um die Frage, wer in wessen Herzen einen Sonnenplatz hat.

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