Reform Operation

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Barack Obamas Reformprojekte laufen nicht rund. Nach öffentlichem Druck verzichtet der US-Präsident auf die staatliche Krankenversicherung.

Unter dem Druck öffentlicher Proteste gegen seine Pläne zur Gesundheitsreform und einer Anzeigenoffensive privater Krankenversicherer sieht sich Präsident Barack Obama offenbar gezwungen, ein zentrales Element seines Vorhabens aufzugeben: die „Public option“. Diese neue, vom Staat getragene Versicherung sollte ein Angebot für die vielen Millionen Unversicherten schaffen, denen die privaten Policen zu teuer sind oder die wegen ihrer gesundheitlichen Probleme von privaten Versicherungen abgelehnt werden. Zugleich war die „Public option“ als Wettbewerbselement gedacht, das private Versicherer zwingen soll, eine kostengünstige Versicherung auch für Menschen mit hohem Krankheitsrisiko anzubieten.

Am Montag berichteten große US-Zeitungen wie die „New York Times“ und die „Washington Post“, Obama werde auf die „Public option“ verzichten und stattdessen eine „Coop option“ anbieten. Das Kürzel steht für eine genossenschaftlich organisierte Versicherung, die nicht vom Staat unterstützt wird und nicht auf Gewinn ausgerichtet ist. Experten prognostizieren, das „Coop“-Modell habe weniger Marktmacht bei Preisverhandlungen mit Krankenhäusern, Ärzten und der Pharmaindustrie und stelle eine geringere Konkurrenz für private Versicherer dar als die „Public option“.

Obamas Schwenk zeichnete sich über das Wochenende ab, nachdem es landesweit zu lauten Protesten gegen „government run health care“, eine vom Staat betriebene Gesundheitsversorgung, gekommen war. Der Präsident sagte bei einem öffentlichen Auftritt zur Verteidigung seiner Reformpläne am Samstag in Colorado: „Ob die ,Public option‘ kommt oder nicht, betrifft nicht den Kern der Reform. Sie ist nur ein Aspekt unter vielen.“ Seine Gesundheitsministerin Kathleen Sibelius nannte in einem Interview am Wochenende das „Coop“-Modell als Alternative. Auch sie sagte, die „Public option“ sei „nicht das Herzstück der Reform“. Obama und Sibelius betonten, wichtig sei, dass jeder Bürger die Wahlfreiheit behalte, welche Versicherung er wolle, und dass der Wettbewerb gestärkt werde.

Das „Coop“-Modell hatte Senator Kent Conrad als möglichen Kompromiss in die Debatte eingebracht. Er ist ein konservativer Demokrat aus North Dakota und typischer Vertreter der „Blue dogs“: Mitte- rechts-Demokraten aus Staaten, die tendenziell den Republikanern zuneigen, Obamas Reformpläne skeptisch betrachten und nicht automatisch für seine Politik stimmen, auch wenn sie derselben Partei angehören. „Es gibt nicht genug Stimmen im Senat für die ,Public option‘“, sagte Conrad am Sonntag. „Die Wahrheit ist: Es gab nie eine Mehrheit dafür. Es ist Zeitverschwendung, diesen Hasen weiter zu jagen.“ Vorbild des „Coop“-Modells sind Kooperativen der Gemeinden zur Energieversorgung in North Dakota.

Kommentatoren heben hervor, die „Public option“ sei ursprünglich das zentrale Element der gedachten Reform gewesen. In den knapp sieben Monaten seit Obamas Amtsantritt hat sich die öffentliche Debatte immer weiter verschoben: weg vom Schicksal der rund 47 Millionen Unversicherten, rund 15 Prozent der Bevölkerung, und hin zur Frage, wie sich der Kostenanstieg im Gesundheitswesen bremsen und die finanzielle Belastung der bereits Versicherten begrenzen lässt.

Bisher gibt es in den USA weder eine allgemeine Krankenversicherungspflicht noch einen Anspruch der Bürger, eine Police zu marktüblichen Bedingungen zu erhalten. Die meisten Amerikaner erhalten ihre Krankenversicherung über ihren Arbeitgeber, der den Umfang mit einem privaten Versicherer für alle Beschäftigten aushandelt. Die Absicherung hat einen geringeren Umfang, als es Deutsche aus ihrer allgemeinen Sozialversicherung kennen; außerdem müssen die Bürger einen beträchtlichen Eigenanteil der Rechnungen, meist zwischen zehn und 40 Prozent, privat bezahlen. Eine Mehrheit sagt jedoch, sie sei mit dem bestehenden System zufrieden und wolle es behalten.

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