Washington Still Pulls the Strings in Afghan Politics

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Analyse

Wieder zieht Washington die Strippen

Von Christine Möllhoff

Der Westen, allen voran die USA, hatten es auffällig eilig, die Wahlen in Afghanistan als Erfolg zu verkaufen. Das war nicht nur respektlos gegenüber den Afghanen. Der Jubel erscheint eine Woche später auch fragwürdig. Zu Hunderten trudeln nicht nur Klagen über Betrug ein, die Wahlbeteiligung scheint derart kläglich, dass man den Urnengang in Frage stellen kann.

Nach ersten Hochrechnungen gingen 5,6 Millionen Wahlscheine ein – bei über 17 Millionen ausgegebenen Stimmkarten. Zwar rechnete die Wahlkommission die Zahl der Wahlberechtigten inzwischen auf wundersame Weise auf 15 Millionen runter. Doch selbst dann liegt die Beteiligung nur bei rund 30 Prozent. Und das dürfte noch schöngerechnet sein, weil viele Wähler wohl mehrere Stimmkarten ausfüllten.

Sichere Zahlen wird es nie geben, aber Fakt scheint: Massenhaft blieben die Afghanen den Urnen fern. Viele aus Politikfrust. andere aus Angst vor den Taliban. Vor allem die Menschen, die am meisten unter diesem endlosen Krieg leiden, waren vielfach vom Wählen ausgeschlossen: Die Paschtunen im von den Taliban heimgesuchten Süden. Dort sollen sich vielerorts nur fünf bis 15 Prozent zur Stimmabgabe gewagt haben. Undurchsichtig bleibt, ob und wie beim Ergebnis gemauschelt wird. Überraschend suggerierten erste Teilergebnisse nun ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Amtsinhaber Karsai und seinem Rivalen Abdullah Abdullah. Dies widerspricht anscheinend den Klagen, dass vor allem Karsai so massiv geschummelt hat, dass er den Sieg sicher in der Tasche hat. Nun sind die Teilergebnisse aber nicht repräsentativ. Eher wirkten sie so, als hätten die USA der Wahlkommission ihr Wunschergebnis in die Feder diktiert.

Washington ist daran gelegen, den Eindruck zu erwecken, das Rennen sei offen, um die hitzige Debatte über Wahlbetrug einzudämmen, Unruhen zu vermeiden und Zeit zu schinden. Der Westen steht vor einem Dilemma. Legitimiert er diese fragwürdigen Wahlen, verliert er weiter an Ansehen in Afghanistan. Tritt er die Flucht nach vorn an und zweifelt sie an, untergräbt er damit die Autorität der künftigen Regierung. Und schürt zu Hause die Kritik am Einsatz in Afghanistan. Nicht nur in Deutschland, auch in den USA und Großbritannien schwindet der Rückhalt.

Die USA sinnen nun auf einen Ausweg. Während Tag für Tag weitere Teilergebnisse bekannt gegeben werden, wird in Kabuls Hinterzimmern längst um die Macht gerungen. Gerüchte machen die Runde, Washington bastele an einer “Regierung der Nationalen Einheit”, die Karsai und Abdullah einbindet. Viel Hoffnung machte eine solche Allianz der alten Machthaber – genauer: Mudschaheddin-Führer, Technokraten und Warlords – nicht. Ohnehin scheint Abdullah höher zu pokern, bisher lehnt er einen Machtdeal mit Karsai ab. Andere spekulieren daher, dass es doch zu einer Stichwahl kommen könnte.

So oder so drängt sich der Verdacht auf, dass letztlich Washington hinter den Kulissen wieder die Regie führt. Es wäre fatal, wenn sich jene Afghanen, die unter Lebensgefahr wählten, am Ende verschaukelt fühlten. Und noch etwas geht im Westen in der Debatte, die sich um die Wahlen dreht, fast unter: Die Afghanen wollen zuallererst Jobs, Frieden und Hoffnung auf eine Zukunft. Das haben weder Karsai noch die Internationale Gemeinschaft in den vergangenen acht Jahren geliefert.

Erscheinungsdatum 26.08.2009 | Ausgabe: d

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