Caught Up In The Web

Published in die Zeit
(Germany) on 3 September 2009
by Martin Klingst (link to originallink to original)
Translated from by Ron Argentati. Edited by Katy Burtner.
Whether he wants to or not, President Obama has to resolve the issue of CIA torture practices.

Barack Obama is currently fighting a seven-front war: Afghanistan, Iraq, the economy, the financial crisis, climate, healthcare reform and torture. The prospects don’t look very good for him in any of them. The debate over torture, which he wanted to quickly win and put behind him, now seriously threatens his administration. The disastrous Bush era casts a long shadow.

The recent release of some of the CIA Inspector General findings in 2004 appear to support the long held suspicion that intelligence service agents or the interrogation specialists they hired were involved in the torture of suspected terrorists – whether within the framework of controversial guidelines or beyond them.

It’s right that, in principle, the law allows for nothing other than to investigate, to examine and, if sufficient solid evidence exists, to indict, try and sentence. That’s why the U.S. attorney general has appointed a special prosecutor. But the process of coming to terms with the past has since taken on a new dynamic that could prove politically very dangerous for Obama, because enforcing the law will demand a very high price.

It is just as unavoidable as it is highly explosive: it’s not only the small-time torturers who are caught in the crosshairs of justice, it’s inevitable that those who initiated and expedited the torture will be targeted as well. The chain of responsibility leads to George W. Bush and Dick Cheney. If the former president and his VP ever even appear to be close to indictment, the battles of years past will be mercilessly revived. Obama’s promise to renew America from the ground up would be doomed to extinction in the ensuing tumult.

Yet there can be no turning back because the damage would then be even greater: for Obama’s credibility, for America’s global image, as well as for the justice that this president wants to restore.

Obama, of course, wanted it to turn out otherwise. He had hoped he would be able to erase the disastrous Bush years with a few strokes of his pen. His motto was “let’s leave the past alone and start planning for the future.” That’s why he brought in strict new rules of interrogation shortly after his inauguration. He did away with the secret CIA prisons and ordered the Guantanamo prison camp closed and he made reports of earlier mistreatment public.

But in the same breath, he forbade publication of torture photos and announced his intention to not prosecute the torturers as long as they acted on orders from higher up. In doing so, he continued the old practices of incarcerating suspected terrorists in foreign jails to be interrogated and held long term.

Such seesaw policies weren’t enough for those who had hoped for satisfaction. Obama had already gone too far for that. He granted his liberal Attorney General freedom to act. Even the ethics committee at the Justice Department is now recommending reopening several of the torture cases and prosecution of those found responsible.

Imagine what would have happened had Obama reined in his Attorney General. Everything would have been turned topsy-turvy and it would have appeared that Dick Cheney had been right all along in his dreadful assertion that everything is permissible when it comes to defending freedom and the security of the nation. In making that assertion, Vice-President Cheney again showed his lack of scruples: when it came to getting information from suspects, Cheney felt it was just fine to strangle them until they lost consciousness. And it was okay to threaten their wives with rape or to hold a running electric drill under their noses or to beat their legs bloody.

Cheney insisted that his ruthless anti-terror strategy had produced confessions from prisoners that eventually prevented further attacks on America. A few CIA reports support that assertion, but proof for these claims have yet to be produced. Still, Obama knows full well that in times of doubt the people will always chose the brute force, let’s-go-get-‘em methods as opposed to the sophisticated approaches of a constitutional state. That’s why President Obama fears nothing as much as another attack on America right in the middle of trying to atone for the past.

Will Cheney and company have to face trial? Not necessarily. There are other scenarios in which governmental injustice may be explained and avenged – such as via a truth commission. Whichever direction Obama goes will be his own political decision. Theoretically, he could even put a stop to the wheels of justice and consign everything to history. Legally, he has that power. But if he does that, he will have lost the battle for America’s future. He can only win that battle by facing the past head on – even if he would prefer to avoid that controversy.


Mitgefangen
Von Martin Klingst

Ob er will oder nicht: US-Präsident Obama muss die Folterpraktiken der CIA aufklären


Barack Obama kämpft derzeit an sieben Fronten: Afghanistan, Irak, Wirtschaft, Finanzen, Klima, Gesundheitsreform – und Folter. Nirgendwo schaut es besonders gut für ihn aus. Doch vor allem die Folterdebatte, die er schnell gewinnen und hinter sich lassen wollte, droht seine Amtszeit schwer zu belasten. Die unselige Bush-Ära wirft einen langen Schatten.

Der kürzlich in Teilen veröffentlichte Untersuchungsbericht des ehemaligen CIA-Generalinspekteurs aus dem Jahre 2004 erhärtet den schon lange bestehenden Verdacht: Geheimdienstagenten oder von ihnen beauftragte Verhörspezialisten haben mutmaßliche Terrorverdächtige gefoltert – im Rahmen der umstrittenen Anweisungen und darüber hinaus.

Es ist richtig: Prinzipiell lässt das Recht keine andere Wahl, als aufzuklären, zu prüfen und, wenn ausreichend harte Beweise vorliegen, anzuklagen und zu verurteilen. Deshalb hat Amerikas Justizminister jetzt einen Sonderstaatsanwalt eingesetzt. Doch die Vergangenheitsbewältigung entwickelt inzwischen eine Dynamik, die Obama politisch äußerst gefährlich werden könnte. Denn die Durchsetzung des Rechts verlangt einen hohen Preis.

Es ist genauso unvermeidbar wie hochexplosiv: Ins Fadenkreuz der Justiz geraten nicht nur die kleinen Folterer, sondern zwangsläufig auch jene, die zu diesen Grausamkeiten angeleitet, die sie gefordert und gefördert haben. Dazu zählen am Ende der Verantwortungskette auch George W. Bush und Dick Cheney. Sollten der ehemalige Präsident und sein Vize jemals auch nur in die Nähe der Anklagebank rücken, würden die Schlachten der vergangenen Jahre gnadenlos aufleben. Obamas Versprechen, Amerika von Grund auf zu erneuern, drohte in diesem Kampfgetümmel unterzugehen.

Dennoch darf es kein Zurück mehr geben. Denn andersherum wäre der Schaden noch gewaltiger: für Obamas Glaubwürdigkeit, für das Ansehen Amerikas in der Welt – und für das Recht, dem der neue Präsident wieder Geltung verschaffen wollte.

Natürlich hätte es sich Barack Obama anders gewünscht. Er hatte gehofft, die unselige Bush-Ära mit einigen wenigen Federstrichen vergessen machen zu können. Sein Motto lautete: Lasst die Vergangenheit ruhen und uns stattdessen Vorkehrungen für die Zukunft treffen! Deshalb dekretierte er gleich nach seinem Amtsantritt strikte Verhörregeln. Er löste die geheimen CIA-Gefängnisse auf, ordnete an, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen, und veröffentlichte Berichte über Misshandlungen.

Doch im gleichen Atemzug verbot er die Preisgabe von Folterfotos und verkündete, keine Verhöragenten zu belangen, die sich an Anweisungen von oben gehalten hätten. Zudem setzte er die alte Praxis fort, mutmaßliche Terroristen in fremden Kerkern ausfragen zu lassen und weiterhin dauerhaft einzusperren.

Diese Schaukelpolitik konnte nicht den von ihm erhofften Frieden bringen. Dafür hatte sich Obama bereits zu weit vorgewagt. Seinem liberalen Justizminister hat er freie Hand gelassen. Und sogar der Ethikausschuss des Justizministeriums empfiehlt jetzt, einige Fälle wieder aufzurollen und die Folterer gegebenenfalls zur Verantwortung zu ziehen.

Man stelle sich vor, Obama pfiffe seinen Justizminister zurück. Alles wäre plötzlich auf den Kopf gestellt, und es schiene, als würde Dick Cheney recht behalten mit seiner furchtbaren Behauptung, zur Verteidigung der Freiheit und Sicherheit sei alles erlaubt, selbst die Folter. Dabei hat der ehemalige Vizepräsident soeben wieder einmal seine besondere Skrupellosigkeit gezeigt. Wenn es der Auskunftsfreudigkeit mutmaßlicher Terroristen diene, dürften sie nach Cheneys Meinung bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt werden. Dann dürfe man ihnen mit der Vergewaltigung der Ehefrau drohen, ihnen eine laufende Bohrmaschine unter die Nase halten und die Beine blutig schrubben.

Cheney behauptet, seine rabiate Antiterrorstrategie habe Gefangene geständig gemacht und Amerika vor weiteren Anschlägen bewahrt. Einige CIA-Berichte scheinen das zu bestätigen, den Beweis dafür allerdings bleiben sie schuldig. Doch Obama weiß: Im Zweifel votierte das Volk eher für brachiale Hau-drauf-Methoden als für feinsinnige Rechtsstaatserwägungen. Nichts fürchtet der Präsident deshalb mehr, als dass mitten in die schwierige Aufarbeitung der Vergangenheit ein neuer Anschlag platzen könnte.

Müssen Cheney und Co. also vor Gericht? Nicht zwingend. Es gibt Beispiele dafür, dass sich Regierungsunrecht auch anders aufklären und ahnden lässt – etwa mit einer Wahrheitskommission. Welchen Weg der Präsident wählt, ist seine politische Entscheidung. Theoretisch könnte Obama der Justiz auch einen Riegel vorschieben und die Sache zu den Akten legen; die Gesetze würden ihm das erlauben. Den Kampf um Amerikas Zukunft aber hätte er dann verloren. Gewinnen kann er ihn nur, wenn er sich der Vergangenheit stellt – auch wenn er auf diese Auseinandersetzung lieber verzichten würde.

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