Amerikas Arbeitsmarkt
Trübe Stimmung am Labor Day
Von Claus Tigges, Washington
Sonnenaufgang in Washington: Ein Arbeiter putzt das Lincoln Memorial für die Besucher heraus
07. September 2009 Der historische Ursprung des “Labor Day” in den Vereinigten Staaten ist bis heute nicht eindeutig geklärt: Einigen Quellen zufolge war es Peter McGuire, Generalsekretär der Zimmermannszunft, der gegen Ende des 19. Jahrhunderts als Erster den Vorschlag zu einem Ehrentag für Arbeiter machte. Doch es gibt auch Hinweise darauf, dass die Initiative zum ersten Tag der Arbeit Anfang September 1882 von Matthew Maguiere ausging, dem damaligen Sekretär der “Central Labor Union” in New York. Es dauerte jedenfalls nicht lange, bis einige Bundesstaaten und dann auch der Kongress in Washington beschlossen, den ersten Montag im September aus diesem Anlass zum Feiertag zu erheben.
Trotz der mehr als hundertjährigen Tradition hat der amerikanische “Labor Day” längst nicht jene Bedeutung, die der Maifeiertag in anderen Ländern, zumal in Deutschland, besitzt. Das mag an den Gewerkschaften liegen, deren Macht und Einfluss vergleichsweise gering sind. Über viele Jahre haben die Arbeitnehmerorganisationen in den Vereinigten Staaten an Bedeutung verloren, teils, weil sie es nicht verstanden, Beschäftigte von den Vorteilen einer Mitgliedschaft zu überzeugen, aber auch, weil die Politik unzulässige Einschüchterung organisationswilliger Arbeitnehmer durch Unternehmer duldete. Unter dem Eindruck der schweren Wirtschaftskrise ist die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder zwar erstmals seit langer Zeit wieder leicht gestiegen; eine Wende zum Besseren oder gar eine rosige Zukunft für die Arbeiterbewegung lässt sich aber noch nicht erkennen. Die Veranstaltungen, die vom Gewerkschaftsdachverband Afl-Cio und von zahlreichen Einzelgewerkschaften auch an diesem Montag wieder organisiert werden, nimmt die breite Öffentlichkeit denn auch kaum wahr. Für die meisten Amerikaner steht das lange Wochenende im Vordergrund; es markiert inoffiziell das Ende des Sommers.
Arbeitsplätze werden nur langsamer abgebaut
Dabei ist es um den Arbeitsmarkt alles andere als gut bestellt. Fast 15 Millionen Erwerbsfähige sind derzeit arbeitslos gemeldet, fast doppelt so viele wie zu Beginn der Rezession im Dezember 2007. Die Arbeitslosenquote beträgt 9,7 Prozent und hat damit ihr höchstes Niveau seit Anfang der achtziger Jahre erreicht. Schlimm ist es vor allem im produzierenden Gewerbe, zu dem auch die notleidende Autoindustrie zählt. Dort sind in der Krise rund 2 Millionen Stellen abgebaut worden, etwa 14 Prozent aller Arbeitsplätze. Auch in der Bauwirtschaft, die vom Aufschwung auf dem Häusermarkt lange profitierte, ist die Lage mit 1,4 Millionen Stellenstreichungen – knapp ein Fünftel aller Beschäftigten – düster. Seit dem Frühjahr hat sich die Stimmung zwar etwas gebessert, aber nur insoweit, als sich die Geschwindigkeit des Arbeitsplatzabbaus etwas verlangsamt hat.
Prognosen, wonach es noch bis ins kommende Jahr hinein dauern wird, ehe im Saldo wieder mehr Stellen geschaffen als gestrichen werden, sind durchaus plausibel. Der Konjunkturaufschwung muss erst noch an Stärke gewinnen, damit Unternehmen neue Aufträge nicht mehr mit längeren Arbeitszeiten der vorhandenen Belegschaft bewältigen können. Zusätzliche Arbeitsplätze werden vor allem dann entstehen, wenn Unternehmen wieder investieren. Dazu muss aber erst die Kreditvergabe wieder richtig in Gang kommen.
Forderungen nach einem weiteren milliardenschweren Konjunkturprogramm, wie sie auch von Gewerkschaftern erhoben werden, sind gleichwohl fehl am Platze. Der größte Teil des bestehenden Pakets von 787 Milliarden Dollar ist noch gar nicht ausgegeben. Außerdem bedarf es zu einer Zeit, da das Haushaltsdefizit der Regierung schwindelerregende Höhen erreicht hat und sich die Staatsschuld immer höher türmt, nicht noch weiterer Schritte in den Schuldensumpf. Bemühungen der Notenbank Federal Reserve und des Finanzministeriums, die Verstopfung im Kreditkanal zu lösen, sind notwendig und richtig. Je mehr Geld sich aber der Staat auf dem Kapitalmarkt leiht, desto weniger Kapital steht für private Investitionen zur Verfügung.
Kein Anlass zur Schwarmalerei
Zur Schwarzmalerei besteht an diesem Tag der Arbeit indes kein Anlass. Ein Aufschwung ohne einen Zuwachs an Beschäftigung steht auch diesmal nicht zu befürchten. In der Autoindustrie und wohl auch in der Kreditwirtschaft dürften zwar auf längere Sicht weniger Menschen Arbeit finden als vor der Krise; in anderen Wirtschaftszweigen aber wird die Nachfrage nach qualifizierten und damit ordentlich bezahlten Mitarbeitern steigen, sei es in der Entwicklung und dem Einsatz moderner Techniken zur Energiegewinnung oder auch im Gesundheitswesen. Falls es Präsident Barack Obama gelingt, den Klimaschutz voranzubringen und eine budgetneutrale Gesundheitsreform ins Werk zu setzen, ist hier sogar mit zusätzlichen Impulsen zu rechnen.
Amerikas Arbeitnehmer brauchen kein weiteres kurzatmiges Konjunkturpaket. Mit Umschichtungen im Budget zugunsten von Bildungsinvestitionen und einer Förderung der Chancengleichheit wäre ihnen mehr geholfen. Empirische Belege für den engen Zusammenhang zwischen Bildungsniveau und Einkommenshöhe gibt es auch in Amerika mehr als genug.
Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AP
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