Obama is Fighting for Himself and Health Care Reform

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Sie wurde mit Spannung erwartet: Barack Obamas Rede zur Gesundheitsreform war eine gute Mischung aus eigenem Konzept, Kompromissbereitschaft und Angriffen auf seine Kritiker. Er wolle der letzte Präsident sein, der sich mit dem Thema beschäftige, verkündete Obama. Doch die Chancen dafür stehen schlecht.

Endlich ist es passiert. Nach Wochen der Debatte, des Rätselratens, der gegenseitigen Anschuldigungen von Demokraten und Republikanern, nach Wochen der abstrusen Gerüchte und der zahllosen Schrei-Duelle bei öffentlichen Diskussionsabenden hat Barack Obama eine Grundsatzrede zur Gesundheitsreform gehalten.

Vor den Mitgliedern beider Kammern des Kongresses sprach Obama mehr als eine halbe Stunde lang über seine Vorstellungen von einer sinnvollen Veränderung des derzeitigen Systems. 40-mal, so zählte der TV-Sender NBC, wurde die Rede von Applaus unterbrochen – der kam allerdings in den meisten Fällen nur von den Demokraten, und genau da liegt das Problem.

Inhaltlich sagte Obama wenig Neues. Dass alle Amerikaner, die bereits krankenversichert sind, ihre Versicherung behalten können und besser vor plötzlichen Kündigungen ihrer Policen geschützt werden sollen, hat er schon oft erklärt. Und die so genannte „public option“, also eine von der Regierung organisierte Versicherung für diejenigen, die sich nichts anderes leisten können, war in den letzten Wochen ständig im Gespräch.

Schließlich ist auch Obamas Vorstellung eines „Marktplatzes“, auf dem Versicherungsunternehmen um die Nicht-Versicherten buhlen und so günstige Preise ermöglichen sollen, keine Innovation. Das gilt ebenfalls für seinen Plan, den Großteil der Reform durch Einsparungen bei den Regierungsprogrammen „Medicare“ und „Medicaid“, die die Gesundheitskosten von Alten und Armen abdecken, zu finanzieren und keine neuen Schulden zu machen.

Neu aber war, mit welcher Vehemenz der Präsident die Dringlichkeit der Angelegenheit klar machte. Seit den Tagen von Theodore Roosevelt (Staatschef von 1901 bis 1909) habe praktisch jeder Präsident versucht, am Gesundheitssystem zu schrauben, und geklappt habe bisher nichts. „Ich bin entschlossen, der letzte zu sein“, der das Thema angehe, verkündete Obama nun. Die Beibehaltung des Status Quo könne man sich schlichtweg nicht leisten.

Zudem appellierter an das Ehrgefühl eines jeden Amerikaners. Mit Bezug auch die vielen Millionen Menschen ohne Krankenversicherung sagte er: „Wir sind die einzige hochentwickelte Demokratie auf dem Planeten, die einzige reiche Nation, die Millionen ihrer Bürger so etwas zumutet.“ Und mit einer den Amerikanern eigenen Ehrfurcht vor mutmaßlich „historischen“ Aufgaben erklärte er, man müsse den „Test“, den der Lauf der Zeit der Regierung und dem Kongress jetzt stelle, bestehen.

Neu war auch, wie scharf Obama seine Kritiker anging. Selbst das Wort „Lüge“ nahm er in den Mund, und zwar um den Vorwurf zu beschreiben, er wolle Komitees über das Weiterleben oder den Tod von älteren Mitbürgern entscheiden lassen. Diese abstruse Idee hatte gerade an diesem Tag erneut Sarah Palin, einst republikanische Kandidatin für die Vize-Präsidentschaft, in einem Artikel über das „Wall Street Journal“ verbreitet.

Ohne Namen zu nennen, ließ Obama keinen Zweifel daran, wie empört er über solche Äußerungen ist. Das seien Taktiken, um Angst zu verbreiten, und sie dienten nicht der Sache. „Die Zeit des Zankens und der Spielchen ist vorbei. Jetzt ist die Zeit zu handeln.“

Doch neben der Kritik sparte Obama auch nicht mit Lob. Es gebe schon viele gute Ansätze, und diese kämen von Demokraten, also seiner eigenen Partei, und Republikanern gleichermaßen. Obama hob namentlich John McCain hervor, seinen republikanischen Gegenkandidaten bei der Wahl im vergangenen Jahr. Und er nannte auch – wer hätte das gedacht – einen Vorstoß der Regierung von George W. Bush sinnvoll.

„Meine Tür ist immer offen“, sagte Obama an diejenigen gerichtet, die andere – konstruktive – Ideen haben als er. Er wolle weder die Vorschläge vom linken noch die vom rechten Rand, er wolle keinen Umsturz des Systems. Ganz direkt wandte er sich an seine anwesenden „republikanischen Freunde“: „Wir sollten zusammenarbeiten und uns mit allen legitimen Bedenken, die Sie bei diesem Thema haben, auseinandersetzen.“

Obamas Botschaft an diesem Abend: Wir können die Reform schaffen, Demokraten und Republikaner zusammen, aber jetzt müssen wir uns verdammt noch mal hinsetzen und es auf die Reihe kriegen, und zwar ohne unsachliche Hasstiraden und ideologische Schlachten.

Am Ende zog Obama noch einen Joker. Er habe einen Brief von Ted Kennedy erhalten, verriet er – dem hochangesehenen Senator, der vor zwei Wochen an einem Hirntumor gestorben war. Das Schreiben stamme vom Mai dieses Jahres, sei aber auf Wunsch des Senators erst nach dessen Tod zugestellt worden.

Obama zitierte aus dem Brief vor den Augen der Witwe Kennedys (optisch geschickt neben der First Lady positioniert) und einigen von dessen Kindern, die alle Tränen in den Augen hatten. Kennedy gebe sich in dem Schreiben zuversichtlich, so der Präsident, dass die Gesundheitsreform – eins der wichtigsten Themen in Kennedys mehr als 40 Jahre langen Senatskarriere – nun endlich auf den Weg gebracht werde.

Indes, es scheint nicht so zu kommen. Obamas Rede war gut, keine Frage. Zwar enthielt sie keine Details zu seinem Reformvorschlag. Doch wichtiger war in diesem Fall ohnehin die übergeordnete Botschaft. Und die stimmte.

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