Sitting Bulls Rächer
von Sebastian Bräuer
Indianerstämme besitzen Hunderte Kasinos und die weltberühmten Hard Rock Cafés. Nun schlagen sie erstmals in der Finanzbranche zu.
Sitting Bull war ein großer Freiheitskämpfer. Und ein Opfer des Kapitalismus. 1876 führte er die Sioux-Indianer zum legendären Sieg über die siebte Kavallerie General Custers am Little Bighorn. In seinen letzten Lebensjahren aber musste er zur Belustigung des weißen Mannes in der Wild West Show auftreten – für 50 $ die Woche, selbst für damalige Verhältnisse ein Hungerlohn.
Nun, gut 100 Jahre später, beweisen die Nachfahren des Sitzenden Bullen, dass sie den Kapitalismus längst selbst verinnerlicht haben. Ein in North Dakota ansässiger Unterstamm der Sioux verkündete am Mittwoch die Übernahme des New Yorker Geldverwalters Westrock, der mit 150 Mitarbeitern über ein Vermögen von 1,4 Mrd. $ wacht. Stammesführer Michael Jandreau frohlockte über “den Zugang zu Kapital”. Es ist das erste Mal, dass Indianer einen Finanzkonzern schlucken.
In anderen Wirtschaftszweigen tummeln sich Amerikas Ureinwohner gleichwohl seit Jahren. Dank gesetzlicher Vorteile kontrollieren Indianerstämme in vielen Gegenden das Glücksspielgeschäft. Sie besitzen mittlerweile Hunderte Kasinos, die Jahr für Jahr einen zweistelligen Milliardenbetrag umsetzen. Für Aufsehen sorgte 2006 auch der Stamm der Seminolen, der für 726 Mio. Euro die berühmten Hard Rock Cafés kaufte – wobei er im Bieterwettstreit Finanzinvestoren wie Permira ausstach. Die Sioux wiederum, die nun Westrock kaufen, besitzen auch den Lebensmittelkonzern Lakota Foods.
Der besondere Gesetzesstatus der Ureinwohner, der ihnen hilft, mit ihren Kasinos zu reüssieren, dürfte ihnen auch im Finanzsektor einen Wettbewerbsvorteil verschaffen. Stämme zahlen keine Einkommensteuer, weshalb Westrock künftig in der Lage sein sollte, günstigere Konditionen anzubieten als die Konkurrenz. Auch die Minderheitengesetze verschaffen dem Vermögensverwalter neue Möglichkeiten: So sind Pensionsfonds zum Beispiel verpflichtet, bis zu 30 Prozent ihrer Anlagen in Unternehmen anzulegen, die von Minderheiten geführt werden.
Jandreau, der den Deal als “historisches Ereignis für alle amerikanischen Indianer” bezeichnete, will Westrock auch als Vehikel nutzen, um seine 3600 Stammesmitglieder zu unterstützen. Sie leiden unter einer Arbeitslosenquote von 44 Prozent. “Der Einstieg wird uns helfen, Bildung, Gesundheit und Beschäftigung zu verbessern”, so Jandreau.
Er selbst will sich bei Westrock übrigens mit dem Posten des Aufsichtsratschefs begnügen – und die operative Führung in den Händen von CEO Don Hunter belassen. Der weiße Mann, man erinnert sich, zeigte sich als Sieger dereinst weniger generös. So wurde Sitting Bull 1890 von Polizisten erschossen – lange nach der Niederwerfung der Indianeraufstände.
FTD.de, 12.09.2009
I hope Native Americans become the richest people in the country and take over everything.